Stadt der Einwanderer

Altstadt/Schwabing · Geschichte der Migration in München: Neue Ausstellung im Stadtmuseum

Italienische Gastarbeiter in Baracken 1963, fotografiert von Rudi Dix. 			      Foto: ©Stadtarchiv München

Italienische Gastarbeiter in Baracken 1963, fotografiert von Rudi Dix. Foto: ©Stadtarchiv München

Altstadt/Schwabing · Migration ist der Normalfall einer wachsenden Großstadt und gehört zu München wie der Marienplatz. Seien es die Ziegelarbeiterinnen und Ziegelarbeiter aus dem Friaul, die den Baustoff für viele der typischen Münchner Gebäude herstellten, die Displaced Persons, die nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso Anteil am Wiederaufbau der Stadt hatten wie andere Bevölkerungsgruppen, oder die »Gastarbeiter«, die einen wesentlichen Beitrag zur industriellen Produktion und zum Städtebau leisteten – sie alle prägten den Alltag und die Kultur Münchens.

Sie, ihre Geschichten und ihre Erinnerungen sind auch »Typisch München!«. An Orten wie dem Westend, das sich vom Arbeiterviertel zum Szeneviertel mit einem der höchsten Ausländeranteile in München wandelte, wird das genauso deutlich wie an der gelebten religiösen Vielfalt der Stadt. München war und ist Einwanderungsstadt. Aus dieser Perspektive erforschen seit 2015 das Münchner Stadtmuseum am St.-Jakobs-Platz 1 und das Stadtarchiv München in Schwabing gemeinsam die Geschichte und Gegenwart der bayerischen Landeshauptstadt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Dabei ist es dem Projekt »Migration bewegt die Stadt« nicht nur gelungen neue Blicke auf die Geschichte zu dokumentieren und tragende Kontakte zu Akteuren der Migration aufzubauen, sondern auch die Sammlungen der beiden Gedächtnisinstitutionen um eine Fülle an wichtigen Quellenbeständen und aussagekräftigen Objekten zu erweitern. Die Ergebnisse und Einsichten finden nun einen prominenten Platz im Münchner Stadtmuseum. In der Dauerausstellung »Typisch München!« knüpfen jetzt an mehreren Stellen neue Exponate an, die Leerstellen der Stadtgeschichte füllen und aufzeigen, wie stark München von Migration geprägt war und ist. Die Ausstellung ist jetzt von 21. September bis 29. Dezember 2019 im Museum zu sehen. Dabei wird die Chronologie der Dauerausstellung durchbrochen und ihre Darstellungsweise zugleich fragend kommentiert: Welche Perspektivwechsel müssen vorgenommen werden, um die Geschichte einer Einwanderungsgesellschaft erzählen? Welche Objekte können uns dies vermitteln? Und wie wird Migrationsgeschichte zu einem gemeinsamen Narrativ der Stadtgesellschaft?

An insgesamt fünfzehn Stationen werden Objekte präsentiert, die für die Geschichte und die Gegenwart des Migrationsgeschehens in München stehen und zu einem Perspektivwechsel einladen. Zusätzlich haben die Besucher an diesen Ausstellungsmodulen die Möglichkeit, auf einem Tablet-PC mit weiteren Objekten und digitalen Inhalten das Thema der Station zu vertiefen. Sowohl die Wandtexte als auch die interaktiven Vertiefungsebenen wurden ins Englische und Hocharabische übersetzt, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. An zwei partizipativen Modulen lädt die Ausstellung außerdem dazu ein, selbst am Aufbau einer Sammlung zur Migrationsgeschichte Münchens mitzuwirken und sich an den Debatten um ein neues Selbstverständnis der Stadt zu beteiligen. Die Gestaltung der Sonderausstellung, entworfen von der Münchner Szenografin Juliette Israel, wiederum unterstreicht durch die hinzugekommenen Exponate und Module die neue Ausrichtung des Münchner Stadtmuseums. Gleichzeitig führen die Einbauten klar vor Augen, dass der Prozess, der vom Projekt »Migration bewegt die Stadt« vor fast vier Jahren in Gang gebracht wurde, noch lange nicht abgeschlossen ist. So wären weitere Einbauten denkbar und auch die Verortung und die Bezüge innerhalb der Dauerausstellung sind mitunter flexibel.

Nicht zuletzt beleuchtet die Sonderausstellung auch die Perspektiven neuer Zuwanderergruppen auf die Stadt. Wie unterschiedlich gestalten sich die Ankunft und der Aufbau einer Existenz für die neuen Münchner? Welche Orte sind ihnen wichtig und welche Erwartungen oder Forderungen haben sie an die Stadt? Diese Perspektive der Akteure der Migration wird auch im Vermittlungsprogramm eine herausragende Rolle einnehmen. In Tandem-Rundgängen führen Münchnerinnen und Münchner mit Migrationshintergrund gemeinsam mit den Kuratoren durch die Ausstellung und lassen ihre persönlichen Erfahrungen und Sichtweisen einfließen. Am Samstag, 29. September, 16 Uhr, findet die erste Tandem-Führung mit Uday Alturk und Simon Goeke statt; Museumseintritt 4/2 Euro, Führung 2 Euro). Uday Alturk lebte bis 2014 in Homs, Syrien. Aufgrund des Krieges kam er nach München, wo er eine Ausbildung zum Automechaniker macht. Er ist Mitbegründer des Syrischen Friedens­chors in München. Simon Goeke befasste sich in seiner Doktorarbeit mit dem Zusammenhang von Migration und sozialen Bewegungen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Seit Anfang 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts im Münchner Stadtmuseum. Am Sonntag, 30. September, 11 Uhr, Gebühr 3 Euro, führt die in Italien geborene Historikerin Livia Novi durch die Ausstellung mit Simon Goeke. 2019 werden die Akteure auch in ihrer jeweiligen Muttersprache durch die Ausstellung führen, damit wird das Vermittlungsprogramm in sieben Sprachen angeboten – auf Arabisch, Bosnisch, Deutsch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch und Türkisch. red

Artikel vom 18.09.2018
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