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Nachbarschaftshilfe Taufkirchen sucht Helfer
Alphabetisierungsprojekt startet
Taufkirchen · Monika B. sitzt im Wartezimmer ihres Arztes, sie wirkt nervös, gerade wollte die Arzthelferin, dass sie eine Datenschutzverordnung ausfüllt und unterschreibt! Doch sie kann die Wörter, die da gedruckt sind, nur teilweise lesen. Was steht da und wohin soll ihre Unterschrift?
Monika B. macht, was sie in solchen Momenten immer macht: sie durchsucht ihre Handtasche und sagt mehr zu sich selbst, aber doch so, dass jeder im Raum sie verstehen kann, dass sie leider ihre Brille nicht eingesteckt hat und bittet den Herrn neben sich im Wartezimmer, ihr die Zeilen vorzulesen und zu zeigen, wo sie unterschreiben soll. Der Trick klappt fast immer! Sie ist zwar erst Ende zwanzig, hat einen Schulabschluss und einen Job, aber bei scheinbar alltäglichen Sachen, wie dem Lesen eines Busfahrplanes, einer Speisekarte, dem Lesen des Beipackzettels eines Medikaments, beim Abschließen eines Vertrags oder bei den Hausaufgaben ihres Sohnes stößt sie an ihre Grenzen.
So wie Monika B. geht es rund 7,5 Millionen Erwachsenen in Deutschland. Sie gelten als sogenannte funktionale Analphabeten und können zwar einzelne Sätze lesen und schreiben, sind aber nicht in der Lage, Texte richtig zu verstehen.
Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Einheimische leiden unter dieser Einschränkung. Dieser Analphabetismus fällt oft kaum auf. Die Betroffenen leben unerkannt unter ihren Mitmenschen, da sie sich geschickt durch den Alltag manövrieren. Nach außen führen sie ein normales Leben, eine echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ihnen aber so gut wie nicht möglich. Was kann man dagegen tun? Wie lässt sich die hohe Hemmschwelle überwinden, da sich Analphabeten zurückziehen und eine fast unüberwindbare Scham haben, sich zu outen. Bisherige Angebote von Bildungseinrichtungen schrecken oft ab, zu schulisch ist der Ansatz.
Da kommen nun die Mehrgenerationenhäuser in Deutschland ins Spiel. Sie sind wichtige Anlaufstellen und Begegnungsstätten für Jung und Alt.
Hilfe und Unterstützung wird schnell und vor allem unkompliziert angeboten. Das Mehrgenerationenhaus der Nachbarschaftshilfe Taufkirchen e.V. hat sich sofort dafür entschieden, sich aktiv an diesem wertvollen Thema zu beteiligen, denn Lesen und Schreiben hat den »Sesam, öffne dich!«-Effekt!
Das erste Angebot für Betroffene soll sensibel, unkompliziert und auf Augenhöhe stattfinden. Statt Frontalunterricht wird eine Lernwerkstatt angeboten, in der Wörter und die Freude am Lernen spielerisch und alltagsnah vermittelt werden. Jeder Besucher kann in seiner individuellen Geschwindigkeit und ohne Druck lernen. Das Angebot wird ab Januar 2019 regelmäßig stattfinden und ist kostenlos.
Das Vorhaben wird im Rahmen der Festwoche »10 Jahre Mehrgenerationenhaus Taufkirchen« am Montag, 5. November, ab 18 Uhr im Kultur- und Kongresszentrum Taufkirchen vorgestellt. Die Gäste der Benefizveranstaltung erwartet ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. So konnten der Starkabarettist und engagierte Aktivist für Menschenrechte Christian Springer und das Musikerduo Millefleurs für die Veranstaltung gewonnen werden.
Für die Lernwerkstatt sucht die Nachbarschaftshilfe Taufkirchen Ehrenamtliche, die ihren Mitmenschen den »Sesam, öffne dich!«-Effekt ermöglichen möchten. Hilfreich, aber nicht zwingend sind pädagogische und didaktische Erfahrungen, noch wichtiger Geduld, Fröhlichkeit und Einfühlungsvermögen.
Für weitere Informationen steht Andrea Schatz, Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe Taufkirchen e. V., unter Telefon 089/66 60 91 80 zur Verfügung.
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