Bayerische Ingenieurekammer-Bau: Neubau statt Umbau

Olympiastadion: Kritik wächst

München · Glanzleistung der Tragwerksplanung und Sinnbild des Münchner Olympiastadions ist dessen Dachkonstruktion.

Die drohende Zerstörung dieses Kunstwerks von einmaligem Rang durch den Umbau zu einem »Nur-Fußballstadion«, gilt es zu vereiteln. Alternativen, die den Erhalt eines Marksteins des baukulturellen Erbes des Freistaats Bayern gewährleisten und zugleich der Haushaltslage von Stadt und Land Rechnung tragen, liegen auf der Hand. Eingebunden in die bestehende hervorragende Infrastruktur des Olympiageländes ist nach Überzeugung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau der Neubau einer Fußballarena auf dem Grund des ehemaligen Radrennstadions die richtige und wirtschaftlichste Entscheidung.

Ihrer gesellschaftlichen Aufgabe entsprechend, stellen sich Ingenieure ihrer Verantwortung für das baukulturelle Erbe. Die einseitige Inanspruchnahme des Urheberrechts durch die Architekten Behnisch und Partner respektiert das Ursprungsrecht der Ingenieure nicht. Der drohende Opferung des ganzheitlichen Gesamtkunstwerks setzen Ingenieure Kreativität, Phantasie und guten Willen bei der Suche nach neuen Lösungen entgegen. Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau ruft dazu auf, erneut die Kräfte zu entfesseln, die bereits 1969 im Wettbewerb von Architekten und Ingenieuren ein Kunstwerk von Weltruf schufen. Eine ästhetisch geringwertige Lösung, wie sie ein Eingriff durch den Einbau von zweistöckigen Tribünen und Tribünendächern mit zusätzlichen Abstützungen darstellt, ignoriert das kreative Potential moderner Baumeister.

Sowohl in städtebaulicher wie auch in technischer Hinsicht realisierbar und denkmalrechtlich unbedenklich, ist nach Meinung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau die Umwidmung des Geländes des Radrennstadions. Bereits zum Zeitpunkt der Olympiade technisch veraltet, war das Stadion für nacholympische Radsportwettbewerbe untauglich und konnte in den vergangenen Monaten lediglich als Heimstatt der krisengeschüttelten Olympic Spirit-Erlebniswelt von sich Reden machen.

Die Zeit für eine dem Olympiastadion gleichwertige fußballtaugliche Lösung drängt. Nicht allein die Weltmeisterschaft 2006, auch den laufenden Spielbetrieb gilt es zu gewährleisten. Drei Jahre wird, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, das Olympiastadion bei der Realisierung der technisch riskanten Umbauvorhaben unbespielbar sein. Schmerzlich vermissen wird der Besucher die Ästhetik der filigranen Konstruktionen, wenn wuchtige Betonflächen und Tragwerke seinem Blick künftig Grenzen setzen.

Warum also ein nicht optimales Stadion anstatt zweier guter Stadien bauen? Ein im Wettbewerb geborener Neubau nicht auf der “grünen Wiese, sondern integriert in die Infrastrukur des Olympiageländes, bietet nach Meinung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau die ideale Kompromisslösung. Noch in diesem Jahr könnten die Weichen für eine Ausschreibung im Wettbewerbsverfahren unter Ingenieuren und Architekten gestellt werden. Nach einer zwei- bis dreijährigen Bauphase könnten die Ausführungsarbeiten noch weit vor der Fußball-Weltmeisterschaft zum Abschluss gebracht werden. Ein Sieg nicht nur für Sportler und Fans, sondern auch für Baukultur und Denkmalschutz.

Artikel vom 27.09.2000
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