Alarmstufe Rot bei bakterieller Infektion

Interview mit Handchirurg Dr. Timm Engelhardt von der Kreisklinik Ebersberg

Setzt in der Kreisklinik Ebersberg die lange Kompetenztradition bei der Behandlung von Handerkrankungen fort: Dr. Timm Engelhardt, Chefarzt der Plastischen Chirurgie Ebersberg. 	Foto: Alexander Zettl

Setzt in der Kreisklinik Ebersberg die lange Kompetenztradition bei der Behandlung von Handerkrankungen fort: Dr. Timm Engelhardt, Chefarzt der Plastischen Chirurgie Ebersberg. Foto: Alexander Zettl

Ebersberg · Tennisarm, schnellender Finger, Hausfrauen-Daumen: Der Volksmund kennt viele Bezeichnungen für Sehnenscheidenentzündungen, deren Ursache meistens eine Überbeanspruchung ist.

»Weniger bekannt ist, dass Sehnenscheidenentzündungen als bakterielle Infektion in der Hand (Beugesehnenscheiden-Phlegmone) auch durch kleine Verletzungen entstehen können, zum Beispiel den Stich an einem Dorn oder den Schnitt mit einem Fleischmesser«, sagt Dr. Timm Engelhardt, Chefarzt der Plastischen Chirurgie und Handchirurgie in der Kreisklinik Ebersberg. Wir sprachen mit ihm über die möglichen Folgen solcher Verletzungen und die Therapiemaßnahmen.

Dr. Engelhardt, muss ich bei jeder Wunde an der Hand zum Arzt?

Dr. Timm Engelhardt: Nein. Das Risiko einer ernsthaften Infektion bei solchen Wunden besteht nur, wenn Keime eingedrungen sind. Dann kann sich eine bakterielle Infektion schnell auf die Sehnenscheiden und Sehnen ausbreiten. Es zeigen sich Symptome wie zum Beispiel eine starke Schwellung, Rötung und Überwärmung der Haut rund um die Verletzung, Bildung von Eiter und ein starker, pochender Schmerz. Im weiteren Verlauf kann es zu einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit des Fingers oder der Hand kommen bis hin zu Fieber und grippeartigen Symptomen. Dann sollten Sie gleich in die Klinik kommen.

Warum?

Dr. Engelhardt: In einem solch fortgeschrittenen Stadium sollte am besten sofort operiert werden. Und da die Hand anatomisch sehr kompliziert ist, sollte das von einem erfahrenen Handchirurgen durchgeführt werden. Das Risiko einer bakteriellen Infektion besteht darin, dass sich die Entzündung immer weiter ausbreitet. An der Handinnenseite verlaufen die Beugesehnen, die uns das Beugen der Finger ermöglichen. Sie sind umhüllt von schützendem Bindegewebe, den Sehnenscheiden. Die Beugesehnen stehen durch den sogenannten Sehnengleitraum miteinander in Verbindung. Dadurch kann sich die Infektion leicht auf alle Sehnen und Sehnenscheiden – auch der Nachbarfinger – ausdehnen.

Muss eine bakterielle Infektion in der Hand in jedem Fall operiert werden?

Dr. Engelhardt: Das kommt immer auf das Ausmaß der Infektion an. In akuten Fällen wird die betroffene Stelle zunächst gekühlt und ruhiggestellt, damit die Schwellung zurückgeht. Meistens bekommt der Patient auch abschwellende Medikamente und ein Antibiotikum. Danach beobachten wir die Entwicklung 24 Stunden lang. Da sich der gesundheitliche Zustand rapide verschlechtern kann, werden Patienten mit dieser Art von Entzündung häufig stationär aufgenommen. Zeigt sich nach dem Beobachtungszeitraum keine Besserung, empfehlen wir eine sofortige Operation. Das Ziel dabei: Alles infizierte und abgestorbene Gewebe zu entfernen und dadurch die Zahl der Keime zu verringern. Anschließend wird das verbliebene Gewebe mit keimabtötender Flüssigkeit gespült. Häufig legen wir auch eine Drainage in die Wunde, die eine mehrmalige Spülung erlaubt. Wichtig ist zudem ein regelmäßiger Verbandswechsel.

Welche Folgen hätte es, wenn die Entzündung nicht fachgerecht behandelt wird?

Dr. Engelhardt: Infektionen hinterlassen meistens Narben. So können auch die Beugesehnen vernarben, ihre Funktionsfähigkeit wird eingeschränkt. Infolge dessen können die Gelenke einsteifen. Wird zu lange mit einer Behandlung gewartet, müssen im schlimmsten Fall der Hautmantel und die Funktion der Hand operativ rekonstruiert werden.

Besteht diese Gefahr auch bei Formen der nicht-bakteriellen Sehnenscheidenentzündung?

Dr. Engelhardt: Ist die Entzündung durch eine Überbeanspruchung verursacht, ist das Risiko gering, weil in diesem Fall keine Keime von außen in den Körper gelangt sind. Die Entzündung entsteht hier vielmehr aufgrund eines verengten Weichteil-Kanals, durch den die Sehne verläuft. Beim schnellenden Finger etwa wird durch die verstärkte Reibung die Sehne dicker und kann nicht mehr ungehindert in der Sehnenscheide entlanggleiten. Sie bleibt förmlich stecken und löst sich dann mit einem Ruck, daher der Name »schnellender Finger«. Mit einem kleinen operativen Eingriff, bei dem die Sehnenscheide erweitert wird, sind diese Beschwerden leicht zu beheben.

Wie werden Sehnenscheidenentzündungen konservativ behandelt?

Dr. Engelhardt: Bei Engstellen wird dort oft Cortison gespritzt, um die Entzündung zu lindern. Das sollte jedoch nicht zu häufig erfolgen, weil durch das Spritzen wiederum eine bakterielle Infektion entstehen kann. Generell ist eine Therapie immer abhängig vom Stadium der Erkrankung. Eine Ruhigstellung des betroffenen Körperteils ist übrigens nicht zu empfehlen, wenn keine bakterielle Infektion vorliegt. Bewegung verringert das Vernarben von Sehnen und Einsteifen der vielen Gelenke in der Hand.

Das Gespräch führte Sybille Föll

Artikel vom 09.05.2018
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