Ein Tag beim Caritas-Tisch Süd-Ost

Ottobrunn · »Armut gilt immer noch als Makel«

Das ehrenamtliche Team vom Ottobrunner Tisch hilft gerne – immer freitags.	Foto: privat

Das ehrenamtliche Team vom Ottobrunner Tisch hilft gerne – immer freitags. Foto: privat

Ottobrunn · Freitags ab 8.00 Uhr herrscht lebhafter Verkehr vor dem Pfarrsaal von St. Magdalena. Drei Sprinter-Kühlwagen schaffen weit über eine Tonne Lebensmittel heran – von 37 Firmen gespendet.

Dabei handelt es um Waren, die so auf dem freien Markt nicht mehr verkauft werden könnten, aber trotz abgelaufenem Datum unbedenklich sind. Die Lebensmittel sind für die drei Ausgabestellen des Caritas-Tisches Süd-Ost in Ottobrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Aying bestimmt, die in Ottobrunn zwischengelagert und weiterverteilt werden.

Die Fahrer und anderen Mitarbeiter des Beschaffungsteams - insgesamt 20 Ehrenamtliche, von denen freitags jeweils zehn mit den Sprintern unterwegs sind, entladen die Kleintransporter. Die Mitarbeiter des Ausgabeteams, die jeden Freitag Dienst tun, helfen ihnen dabei. Ab 11.30 Uhr beginnt die Lebensmittelausgabe und die Kunden stehen bereits an.

Bezieher werden auch sozial beraten
Wer ist berechtigt, Lebensmittel vom Tisch zu beziehen? Anne Reis, Projektkoordinatorin des Caritas-Tisches Süd-Ost, erklärt: »Die Personengruppen, die Hilfe in Anspruch nehmen können, sind sehr unterschiedlich: Arbeitslose, aber auch Arbeitende aus dem Niedriglohnsektor, Rentner, Leute, die in Schulden geraten sind und anerkannte Flüchtlinge.«

Die Tische für Bedürftige haben immer mehr Zulauf. Die Armut im Land nimmt zu. In Ottobrunn sind 277 Erwachsene und 236 Kinder bezugsberechtigt. »Der Tisch ist jedoch kein Almosengeber, sondern es handelt sich um gemeindeorientierte soziale Arbeit«, sagt Anne Reis. Das heißt, jeder, der einen Ausweis beantragt, kann auch soziale Beratung in Anspruch nehmen. Hier wird die Situation analysiert, um Probleme zu identifizieren und angehen zu können. Manchmal stellt sich auch heraus, dass die Leistung vom Sozialamt oder vom Jobcenter falsch berechnet wurde. Bei Bedarf kann auch intern an die ebenfalls im Caritas-Haus in Ottobrunn ansässige Schuldnerberatung vermittelt werden. Eine ehrenamtliche Leihoma kann zudem Familien mit Kindern entlasten.

Trotz Studium reicht das Geld nicht
Während des Anstehens sagt eine etwa 50-jährige Kundin: »Ich bin so krank; ich kann ohne den Tisch gar nicht mehr leben«. Und eine andere: »Ich habe ja mal studiert; ich hätte nicht gedacht, dass ich hier lande«. Es kommen allerdings längst nicht alle, die berechtigt wären. Armut gilt in unserer Gesellschaft als Makel; manche schämen sich, auf Hilfe angewiesen zu sein. »Manche schauen sich vorsichtig um, ehe sie bepackt den Pfarrsaal verlassen, oder bleiben ganz fern, um nicht gesehen zu werden«, sagt Heinrich Reiner, der ehrenamtliche Leiter des Ottobrunner Tisches.

Etwa 180 Personen werden jede Woche versorgt
Die angebotenen Waren liegen auf Tischen, die in Hufeisenform gestellt sind. An jedem Tisch bietet eine Mitarbeiterin ihr Sortiment an. Es gibt Kartoffeln, Gemüse, Milch, Brot, Hygieneartikel. Bevor die Kunden – jeweils zu zehnt auf einmal - an den Tischen entlang gehen können, kontrolliert eine Mitarbeiterin die Ausweise. »Die Ausweise haben Nummern und jeden Freitag beginnt die Ausgabe mit einer anderen Zehnergruppe«, erklärt Heinrich Reiner. Jeder hat also ab und zu die Chance, als einer der ersten bedient zu werden, welche Nummer auch immer sein Ausweis hat. Drängeln wird damit überflüssig. Heinrich Reiner sagt, dass im Schnitt jeden Freitag 80 bis 85 Ausweisinhaber den Ottobrunner Tisch nutzen, was bedeutet, dass mindestens 180 Personen versorgt werden.

Kunst und Krempel
Am Ende des Rundgangs steht der Tisch, der »Kunst und Krempel« genannt wird. Dort gibt es Verschiedenes von Tee, Kindernahrung und Süßigkeiten über Hygieneartikel bis zu Kleinwerkzeug. Und dann gibt es noch den Tisch »Hund, Katze, Maus«, mit Tiernahrung. MO

Artikel vom 07.05.2018
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