AWO-Wohnungsnotfallhilfe zieht Bilanz

Ottobrunn · Arbeitseinkommen schützt nicht vor Obdachlosigkeit

Ottobrunn · Im vergangenen Jahr waren im Landkreis München 241 Erwachsene und 86 Kinder obdachlos und mussten untergebracht werden. Besorgniserregend dabei ist, dass nicht einmal mehr ein Arbeitsplatz vor Obdachlosigkeit schützt.

Über 50 Prozent der im Jahr 2017 von Obdachlosigkeit betroffenen Bürger haben ein eigenes Einkommen. Die Not ist im Alltag der Mittelschicht angekommen.

Wohnungsnot trotz Beruf
Weitere 1.960 Erwachsene und 650 Kinder waren 2017 von Obdachlosigkeit bedroht und suchten Unterstützung bei der AWO Fachstelle zur Verhinderung von Obdachlosigkeit (FOL). Von ihnen haben über 50 Prozent einen Beruf oder erhalten Rente. 33 Prozent davon leben von ihrem Arbeitslohn, sieben Prozent erhalten ihren Lohn ergänzt durch Arbeitslosengeld II, vier Prozent sind selbständig und acht Prozent in Rente. Die meisten Klienten sind alleinstehend, zwischen 30 und 59 Jahre alt und haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Bekanntwerden eines Zwangsräumungstermins ist intensive und schnelle Hilfe der Betroffenen das A und O. Betroffene fallen in dieser Phase häufig in eine Schockstarre und benötigen intensive Unterstützung. Hier kommt es dann besonders stark auf die enge Zusammenarbeit zwischen der FOL, den Gemeinden und dem Jobcenter im Landratsamt an.

Fehlende Deutschkenntnisse
Vermehrt suchen Menschen, die nicht Deutsch sprechen und einen Migrationshintergrund haben, Hilfe und Unterstützung bei der AWO-Wohnungsnotfallhilfe. Es sind in der Regel EU-Bürger, die in den Landkreis kommen, um hier zu arbeiten. Die sprachlichen Barrieren erschweren die Beratung. Hinzu kommt, dass die Wohnungssuche und Kontaktaufnahme zu Vermietern für diesen Personenkreis ohne Hilfe und Unterstützung so gut wie unmöglich ist.

Fehlende Medienkompetenz
Zudem ist eine erfolgreiche Wohnungssuche heute fast nur noch mittels moderner Medien wie Smartphone, Laptop etc. möglich. Die Anschaffungskosten und die monatlichen Ausgaben für einen Internetzugang können sich aber nicht alle Betroffenen leisten. Außerdem ist die Medienkompetenz bei älteren Menschen und Personen mit sprachlichen Schwierigkeiten oft mangelhaft. Sie sind nicht in der Lage, das System so zu nutzen, dass sie damit ihr Wohnungsproblem lösen können. Die AWO-Wohnungsnotfallhilfe bietet regelmäßig den Workshop Wohnungssuche an, der den Klienten die wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Wohnungssuche vermittelt und immer gut besucht ist.

Horrende Mieten
Die von Wohnungsnot Betroffenen, insbesondere EU-Bürger, befinden sich häufig in prekären Wohn- und Mietverhältnissen mit horrenden Mieten. Sie haben meist eine Arbeit und treten in der Öffentlichkeit ansonsten nicht weiter in Erscheinung. Sie sind stark gefährdet in ihrer Situation, auf Kreditbetrüger hereinzufallen, die ihnen u.a. vermeintlich günstigen Wohnraum anbieten. Der Großteil der Betroffen ist psychisch angeschlagen. Die Mitarbeiter der FOL nehmen zunehmende verbale und nonverbale Aggressionsbereitschaft in den Beratungsgesprächen wahr. Vermehrt sind Verwahrlosung, Realitätsferne und Überforderung mit Alltagssituationen zu beobachten, aber auch die Motivationslosigkeit und Lethargie der Hilfesuchenden nehmen spürbar zu.

Wohnungsnot öffnet Betrügern Tür und Tor
Von Wohnungsnot betroffen sind unter anderem Familien und Alleinerziehende mit Kindern. Die Obdachlosigkeit droht aber auch nach der Trennung vom Lebenspartner oder nach dem Tod des Partners, weil die Miete nicht mehr finanzierbar ist. Die Angst vor Obdachlosigkeit lässt die Betroffenen in ihrer Verzweiflung oft unvernünftige Schritte tun oder auf Betrüger hereinfallen. Vermehrt leihen sie sich Geld zu horrenden Zinsen, um beispiels- weise eine hohe Einmalzahlung für eine Wohnung zu leisten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Schwächste werden aufeinander losgelassen
Aufgrund der angespannten Wohnungsmarktsituation werden die Schwächsten im Kampf um eine bezahlbare Wohnung aufeinander losgelassen. Es ist ein deutlicher Anstieg der fremdenfeindlichen Äußerungen und Tendenzen spürbar.

Weitere Infos gibt es bei der AWO-Wohnungsnotfallhilfe unter Tel. 40 28 797-20 oder per E-Mail: wohnungsnotfallhilfe@awo-kvmucl.de Barbara Ettl

Artikel vom 07.05.2018
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