Leitkonzept Sicherheit

München · Stadtrat verabschiedet neues Verkehrssicherheitskonzept

Von den 15 Verkehrstoten in München im Jahr 2016 waren insgesamt elf Radfahrer oder Fußgänger.	Foto: Archiv, kb

Von den 15 Verkehrstoten in München im Jahr 2016 waren insgesamt elf Radfahrer oder Fußgänger. Foto: Archiv, kb

München · Der Münchner Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle hat eine Vision: die Null. Von dieser Null hat sich die Stadt im vergangenen Jahr um ein erhebliches Stück entfernt.

Weiterer Artikel zum Thema
Wochenblatt-Redakteur Carsten Clever-Rott über ­Vision und Wirklichkeit
Artikel vom 04.05.2018: So seh ich das! Zum Thema der Woche: »Verkehrssicherheitskonzept«

Gemeint ist die Zahl der Verkehrstoten, die 2017 auf 22 angestiegen ist, sieben mehr als noch im Jahr davor. Weil auch die Zahl der Schwerverletzten signifikant, wenn auch nicht so stark, um rund zehn Prozent angestiegen ist, schrillten bei der Stadt die Alarmglocken, verbunden mit der Frage, wie man im Rathaus diesem Problem begegnen kann. Das Ergebnis ist ein neues Verkehrssicherheitskonzept, das der Stadtrat jetzt beschlossen hat.

»Jeder Mensch, der im Straßenverkehr verletzt wird oder gar zu Tode kommt, ist ein Mensch zu viel«, erklärt Böhle. In den meisten Fällen kann ein Unfallverursacher genau benannt werden, aber weil sich Unfälle oft aufgrund von menschlichem Versagen ereignen, will die Stadt München den Verkehrsteilnehmern helfen, in den entsprechenden Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. »Alle Maßnahmen, sei es die temporäre Beschilderung von Baustellen, das Testen neuer Regeln für Radfahrer, die Planung von Ampelschaltungen und Fußgängerübergängen oder strategische Konzepte für das künftige Verkehrsmanagement, stehen unter dem großen Leitkonzept Sicherheit«, erläutert der Kreisverwaltungsreferent.

Sicher ist die Verwaltung machtlos, wenn Verkehrsteilnehmer sich von ihrem Smartphone ab-lenken lassen, wenn sie zu schnell oder sogar unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen fahren. Trotzdem will sie jetzt daran arbeiten, die Unfallzahlen und die Zahlen der Verletzten und Toten zu senken. Dabei wird die Null wahrscheinlich tatsächlich eine Vision bleiben, aber ein dauerhafter Rückgang dieser Zahlen könnte die Bemühungen bestätigen.

Künftig sollen alle Unfalldaten und begleitenden Umstände in einer digitalen Unfallkarte des Stadtgebiets ­erfasst, Unfallschwerpunkte ermittelt und effiziente Verbesserungsmöglichkeiten ausgewertet werden. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die verstärkte Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen Kreisverwaltungsreferat, Polizei, Münchner Verkehrsgesellschaft, Referat für Stadtplanung und Bauordnung sowie dem Baureferat zu allen Fragen der Verkehrssicherheit. Ziel sei ein integriertes Verkehrssicherheitsmanagement.

Die Möglichkeiten der digitalen Unfallkarte ergänzen und unterstützen die bestehende Verkehrssicherheitsarbeit und Maßnahmen wie etwa Schulweghilfe, Tempo 30 vor Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen und weiteren sozialen Einrichtungen, kommunale Geschwindigkeitsüberwachung mit neuen Laser-Messfahrzeugen, den Einsatz von Dialog-Displays oder Verbesserungen bei der Führung des Radverkehrs im Straßenraum.

2016 hatte die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer in der Stadt München mit 15 einen Tiefstwert der vergangenen 20 Jahre erreicht. Im Landkreis lag die Zahl bei vier Todesopfern. Dass 2017 allein in der Stadt wieder 22 Verkehrstote (Landkreis: fünf) zu beklagen waren, hat die Initiative des Kreisverwaltungsreferats zur Folge gehabt. Zwar ist das noch immer der viertniedrigste Wert der letzten zwei Jahrzehnte und die Zahlen schwanken zum Teil stark, aber die Stadtverwaltung hat hier ein Handlungsgebot und einen entsprechenden Spielraum gesehen.

Damit handelt die Stadt ganz im Sinne der Bundesregierung, die mit dem Verkehrssicherungsprogramm 2011 die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent senken wollte. Von diesem Ziel ist der Bund weit entfernt, denn der Zielwert liegt bei »nur noch« rund 2.200 Todesopfern, der reale Wert für 2017 bei genau 3.177. Für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist dieses Ziel noch nicht ambitioniert genug: Auch er hat für den Bund eine »Null-Verkehrstote-Strategie« ausgerufen.

In der Kriminalitätsstatistik rühmt sich München Jahr für Jahr, die sicherste deutsche Großstadt zu sein. Im Straßenverkehr gilt das nicht. München zählte 2017 etwa 1,4 Verkehrstote pro 100.000 Einwohner. Hamburg (1,54) und Stuttgart (1,64) haben 2017 einen schlechteren Mittelwert errechnet, Köln (1,3) und Frankfurt/M. (1,22) stehen etwas besser da. In Dortmund (0,85/fünf Verkehrstote) und Essen (0,69/vier Todesopfer) sind die Zahlen außergewöhnlich niedrig. Es sind Momentaufnahmen, aber die Tendenz in München zeigt schon jetzt nach unten. Ob die geplanten Maßnahmen hilfreich sind, wird sich erst in einigen Jahren beurteilen lassen.

Von Carsten Clever-Rott

Hintergrundinfo:
Die Zahl der Verkehrstoten in München ist großen Schwankungen unterworfen. Weil die absolute Zahl vergleichsweise gering ist, kann schon ein größerer Unfall mit mehreren Todesopfern die Werte deutlich nach oben drücken. Ein Blick auf den Fünfjahresschnitt der letzten 15 Jahre zeigt, wie deutlich die Zahl der Verkehrstoten in München tatsächlich zurückgeht. Seit 2002 hat sich die Zahl von 43,8 auf aktuell 23,6 fast halbiert. Damit folgt München dem bundesweiten Trend. Hier ging die Zahl von 6.842 im Jahr 2002 sogar um 53,6 Prozent auf 3.177 im Jahr 2017 zurück.

Artikel vom 04.05.2018
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...