Wer trägt die laufenden Kosten? Bücherschränke vor ungewisser Zukunft

Stadt will nicht unterstützen

Etwa 100 Bücher werden am Bücherschrank am Nordbad täglich ausgetauscht.	Foto links: Die ehrenamtlichen Paten kümmern sich fast täglich um den Bücherschrank am Nordbad.	Fotos: Verein

Etwa 100 Bücher werden am Bücherschrank am Nordbad täglich ausgetauscht. Foto links: Die ehrenamtlichen Paten kümmern sich fast täglich um den Bücherschrank am Nordbad. Fotos: Verein

Schwabing-Maxvorstadt-Isarvorstadt · Die zwei öffentlichen Bücherschränke in Schwabing sind beliebt, täglich etwa 100 Bücher werden allein am Nordbad auf diesem Wege getauscht. Doch die Zukunft des Bürgerprojekts steht auf dem Spiel: Wer trägt die Kosten für Reparaturen und Versicherung?

Der 2013 aufgestellte Schrank am Nordbad, der erste in München, kommt in die Jahre und immer mehr Reparaturen fallen an. »Wenn man das an sich sehr schöne Projekt erhalten will, dann muss 2018 eine Dauerlösung für die laufenden Kosten gefunden werden«, sagt Doris Niemann vom Verein »Offene Bücherschränke Schwabing-West«.

Der Verein hatte den ersten öffentlichen Bücherschrank Münchens initiiert, die Idee dafür hatte Niemann aus Wien mitgebracht, wo es viele solcher kostenlosen Freiluftbibliotheken gibt. Seit Juli 2017 gibt es einen zweiten Bücherschrank (auf privatem Grund) in der Petra-Kelly-Straße am Ackermannbogen. Um beide kümmert sich der Verein. Und der Funke ist schnell auch auf andere Stadtteile übergesprungen: in vielen stehen mittlerweile solche Bücherschränke oder sind geplant. Der Trägerverein berät als erfolgreicher Pionier andere Bezirksausschüsse und Kommunen bei der Aufsstellung eigener Schränke und braucht deshalb dringend neue Mitglieder.

»Öffentliche Plätze beleben und die Liebe zum Quartier wecken«, das sei die Idee der Bücherschränke, so Niemann, bei dem jeder rund um die Uhr ein Buch ausleihen kann. Man kann es behalten, wieder zurückbringen oder auch selbst Bücher hineinstellen. Der Schrank besteht aus wetterfestem Material, ist stabil und weitgehend vandalismussicher. Probleme mit Müll oder Beschädigungen habe es trotz anfänglicher Bedenken der Stadt bisher nicht gegeben, so Niemann.

Allerdings sorgen Patinnen und Paten oft sogar täglich für Ordnung und saubere Scheiben und entfernen stark beschädigte und verschmutzte Bücher. Auch Zeitschriften, Prospekte, DVDs, Kassetten, Landkarten sowie Bücher mit extremistischem bzw. jugendgefährdendem Inhalt haben hier nichts zu suchen. Viele Schwabinger lieben und schätzen diese unkomplizierte Form des Büchertauschs. Doch der Weg dahin ist mühselig und ziemlich aufwendig. 500 Euro pro Jahr nennt Niemann als nötigen Grundstock für anfallende Reparaturen, Haftpflichtversicherung und Gebühren für Internetseite.

Nach drei Jahren laufe zudem die Gewährleistung für die speziellen und vom Bezirksausschuss finanzierten Schränke ab. Für Verwaltungskosten, laufende Instandhaltung und die Organisation von Veranstaltungen sei der Verein bisher überwiegend auf Spenden angewiesen. Deshalb wünscht er sich auch dringend noch mehr zahlende Fördermitglieder.

Bis so ein Bücherschrank aufgestellt werden kann, dauert es etwa ein Jahr – von Standortsuche über Finanzierung bis zur »Zustimmung von 23 Stellen«, so Niemann. Da braucht man einen langen Atem, aber der Bedarf der Bürger scheint so groß, dass es mittlerweile fast in jedem Münchner Stadtteil einen Bücherschrank gibt. Auch Bürger der Maxvorstadt wollen das seit 2011, »aber letztendlich ist uns die Luft ausgegangen«, erzählt Ka­rin Hiersemenzel, »Bücher­schrank­beauftragte« des Bezirksausschusses Maxvorstadt (BA 3). Erst gestaltete sich die Standortfrage schwierig, da die lokalen Buchhandlungen und Antiquariate Sturm liefen. Zudem hätte man einen Verein finden oder gründen müssen. Denn um einen Bücherschrank aufzustellen, braucht es einen Verein, der für dessen Wartung, Pflege und Bestückung die Verantwortung übernimmt. Und das ist bislang nicht passiert.

Der Vorschlag aus dem Bezirksausschuss Isarvorstadt (wo am Roecklplatz ein Bücherschrank geplant ist), die Stadt solle Eigentümerin werden, um Reparaturen zu finanzieren (formuliert in einem Antrag an die Stadt am 21. Dezember 2017), wurde von der Stadtverwaltung abgelehnt. Darin wird die Stadt München aufgefordert, das Projekt öffentliche Bücherschränke so zu organisieren, wie es in Frankfurt erfolgreiche Tradition sei: Dort sind die Schränke Eigentum der Stadt, das dortige Baureferat sorgt für Instandhaltung und Reparatur von Schäden. Der Rest läuft dann wie in München: Die Finanzierung erfolgt aus dem Etat der dortigen Bezirksausschüsse, die auch den Standort festlegen. Die Betreuung wird von ehrenamtlichen Paten übernommen.

Die Stadt erteilte aber in seiner Antwort vom 23. Januar 2018 den Wünschen eine Abfuhr. Die Bücherschränke hätten eine Sondernutzungserlaubnis befristet auf fünf Jahre für jeweils einen offenen Bücherschrank pro Stadtteil und die Betreuung sei ausnahmslos durch Eigeninitiative und Bürgerengagement sinnvoll, so die Stadtverwaltung. Eine Organisation oder Finanzierung durch das Kulturreferat oder Baureferat sei nicht möglich. »Letztendlich steht es allen Bezirksausschüssen frei, sich an der Finanzierung der Bücherschränke zu beteiligen«, schreibt die Stadt.

Eine Ab­sage hat die Mehrheit des Stadtrats auch dem Antrag erteilt, dass die Satzung der Be­zirksausschüsse so ab­geändert wird, dass diese der Träger sein könnten. »Wir hängen in der Luft«, findet Niemann. Zudem sei das Projekt von der Stadt bis 2020 befristet. Und dann? Deshalb plant der Verein ein Gespräch mit dem Kulturreferat, um das Problem einer zuverlässigen Finanzierung der laufenden Kosten zu lösen.

Da könnte einiges an Überzeugungsarbeit auf die Schwabinger zukommen: »Durch Budgetausweitungen haben sich für die Bezirksausschüsse auch die Möglichkeiten der Förderung verbessert«, erklärt Jenny Becker, Sprecherin des Kulturreferats, auf die Frage unserer Zeitung zu den Möglichkeiten der Finanzierung durch die Landeshauptstadt. »Es habe sich gut bewährt, dass die Bücherschränke in den Stadtvierteln als lokale Aktionen initiiert und von den jeweiligen Bezirksausschüssen unterstützt werden«, so Becker weiter. »Die Trägerschaft, der Aufstellort und alle weiteren Fragen, die eng mit der jeweiligen Situation im Stadtbezirk in Verbindung stehen, sind am besten lokal zu klären.«

Die Bürger der Isarvorstadt schreckt das nicht: Die Planungen für den Bücherschrank am Roecklplatz gehen weiter. Bürgerinnen und Bürger können gern mitmachen. Am 22. März fand ein Infotreffen statt für alle Interessierten, die das Projekt unterstützen wollen, weitere Infos bei Beate Bidjanbeg vom Bezirksausschuss Isarvorstadt, Tel. 0 89/2 01 63 22 oder E-Mail bbidjanbeg@yahoo.de mil

Artikel vom 11.04.2018
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