Es geht nicht mehr ohne?

Experte äußert sich zu den Folgen der Smartphonenutzung

Uwe Buermann spricht über die Folgen der Smartphonenutzung bei Kindern und Jugendlichen.	Fotos: CC0/VA

Uwe Buermann spricht über die Folgen der Smartphonenutzung bei Kindern und Jugendlichen. Fotos: CC0/VA

Ebersberg · Hand aufs Herz. Wie oft haben Sie in der letzten Stunde auf Ihr Smartphone geschaut? Wahrscheinlich drei bis vier mal. Denn statistisch gesehen wird alle 18 Minuten eine Tätigkeit unterbrochen um auf den Display zu schauen. Das heißt rund 88 mal am Tag.

Das der digitale Dauerstress nicht ohne Folgen bleibt ist hinlänglich bekannt.
Doch was sind die vielfältigen Folgen der Smartphonenutzung und was macht das mit unseren Kindern?

Dieser Frage geht Uwe Buermann nach, der am Donnerstag, 26. April, um 19.30 Uhr einen Vortrag zu dieser Thematik in der Ebersberger vhs an der Dr. Wintrich Straße hält.

Die Verantwortung liegt vor allem bei den Eltern

Buermann arbeitet als pädagogisch-therapeutischer Medienberater an der FWS Mittelrhein und als Gastdozent an verschiedenen Seminaren. Der Vater dreier Kinder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei IPSUM (Institut für Pädagogik, Sinnes- und Medienökologie) und Autor zahlreicher Fachartikel und Bücher. Wir haben uns mit ihm unterhalten.

Kurier Ebersberg: Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Thematik Smartphonenutzung bei Kindern?

Uwe Buermann: Ich arbeite seit nunmehr 22 Jahren als pädagogisch, therapeutischer Medienberater. In sofern habe ich mich von Anfang an, als vor 11 Jahren das Iphone 1 erschien, mit der Thematik auseinandergesetzt. Allerdings damals nur prophylaktisch, da sich ja keiner vorstellen konnte, dass Kinder derartige Geräte zur freien Verfügung bekommen würden.

Wo sehen Sie (bei täglich intensiver Smartphonenutzung) die größten Risiken für Kinder?

Buermann: Die WHO hat nicht ohne Grund Internet- und Smartphonesucht Anfang Februar zur offiziellen Suchtkrankheit erhoben. Je früher die Kinder mit diesen Geräten ausgestattet werden, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits als Jugendliche eine Suchtstruktur aufweisen. Besonders verhängnisvoll ist es, wenn die Geräte nachts im Zimmer verbleiben dürfen. Bereits bei 5. und 6. Klässlern kann man den Chatprotokollen entnehmen, dass sie bis nach Mitternacht kommunizieren, und das jeden Tag! Die Folge sind eine Vielzahl von Problemen, Schlafmangel, Konzentrationsstörungen, Reduktion der Merkfähigkeit. Auffallend ist auch, das immer mehr Jugendliche Probleme haben reale Gespräche zu führen und sich anders als medial zu Beschäftigen.

Gibt es ein richtiges »Einstiegsalter« um als Eltern seinen Kindern ein Smartphone zu schenken?

Buermann: Eigentlich sollten vor 16 Jahren keine eigenen Geräte ausgegeben werden, wie es der Gesetzgeber ja eigentlich auch vorsieht, denn eine eigene Simkarte kann man erst ab 16 Jahren bekommen. Vorher liegt die volle Verantwortung bei den Eltern, sowohl was die genutzten Apps, als auch was die kommunizierten Inhalte angeht. Leider nehmen so gut wie keine Eltern diese digitale Fürsorgepflicht war, sei es aus Unkenntnis, oder wegen ihrer eigenen Medienaffinität bis Abhängigkeit.

Alle reden von Medienkompetenzerziehung, aber wenn wir ehrlich sind, ist kaum einer der Erwachsenen wirklich Medienkompetent was die Nutzung von Smartphones und dem Internet betrifft. Das zeigt ja auch der aktuelle Facebook Skandal.
Cambridge Analytica ist ja nur die Spitze des Eisberges. Auch wenn viele Erwachsene sich nicht mit eine Facebook-Account bei anderen Apps anmelden, viele Kinder tun es, den bei vielen Spielen bekommt man dadurch einen Bonus. Der Trick ist ganz einfach, bei der Anmeldung stimmt man zu, das die eigenen öffentlichen Daten, das eigene Adressbuch und die Daten der Freunde und deren Freunde übertragen werden. Wenn die Kinder mit den Eltern befreundet sind heißt das, das die Firmen auch die Daten der Eltern und deren Kolleginnen und Kollegen und anderen Kontakte erhalten.

Was meinen Sie, wie viele Daten eine App wie Clash of Clans auf diesem Wege erhalten hat? Das wird ein Vielfaches sein zu den Daten bei Cambridge Analytika.

Wir müssen begreifen, dass Smartphones kein Spielzeug sind und das der Umgang mit dem Internet ein hohes Maß an Bewusstsein und vorausschauendem Denken erfordert, was Kinder und Jugendliche rein entwicklungspsychologisch noch nicht besitzen können.

Wie können Eltern überhaupt intervenieren bei diesem sensiblen Thema?

Buermann: Wichtig ist, das die Eltern von vorneherein klare Regeln aufstellen. Das Gerät ist eine Leihgabe, kein Geschenk, denn die Eltern haften und sie haben den Vertrag unterschrieben!
Nachts müssen die Geräte ausgeschaltet in ein anderes Zimmer! Die Eltern kennen das Passwort, müssen bei jeder neuen App zustimmen und kontrollieren von Zeit zu Zeit die Inhalte im Sinne einer pädagogischen Begleitung.

Schreib im Internet nur, was wir auch sehen dürfen, Geheimnisse haben bei Whatsapp und Co. nichts zu suchen! Wichtig ist natürlich bei alledem die Vorbildfunktion der Eltern. Wenn wir Erwachsene sinnvoll und maßvoll mit dieser Technik umgehen, werden wir es auch unseren Kindern vermitteln können. Solange sie sich selber nicht wirklich kompetent fühlen, überfordern sie nicht ihre Kindern, sondern machen sie sich selbst erst einmal kompetent.

Hand aufs Herz. Wie oft nutzen Sie selbst das Smartphone am Tag?

Buermann: Ich habe kein Smartphone, sondern immer noch mein altes Nokia, einen Terminkalender aus Papier und ein Adressbuch aus Papier. Ich habe ein Pad auf dem ein paar wenige Apps installiert sind und das ich für Emails nutze und um mir Apps und Spiele anschauen zu können, damit ich weiß, wovon ich rede, aber auf dem Pad sind keine Kontaktdaten gespeichert, ich nutzen den Kalender nicht, habe die Cloud deaktiviert und mache selbstverständlich keine Fotos oder Videos damit, dafür habe ich eine gute Kamera, für den bewussten Umgang.

Der Vortrag von Uwe Buermann findet am Donnerstag, 26. April, um 19.30 Uhr in der Ebersberger vhs statt. Karten zu 12 Euro gibt’s unter Telefon 0 80 92 / 81 95-0.

Von Stefan Dohl

Artikel vom 12.04.2018
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