Urteil des Bundesverfassungsgerichts empört Tierschützer

Tierschutz ins Grundgesetz

München · Das deutsche Tierschutzgesetz untersagt das betäubungslose Schlachten, das »Schächten«, bei dem die Halsschlagader sowie Luft- und Speiseröhre durchgetrennt werden, um ein vollständiges Ausbluten sicherzustellen.

Eine Ausnahmeregelung darf nur erteilt werden, wenn »zwingende Vorschriften« einer Religionsgemeinschaft dies verlangen. Ob im Islam eine solche Regelung gilt, ist umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 1995 den Moslems das Schächten untersagt, weil es nach ihren Glaubensregeln nicht zwingend vorgeschrieben ist. Mit Urteil vom 15. Januar 2002 hat nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einem klageführenden türkischen Metzger Recht gegeben, der eine Ausnahmeregelung durchsetzen wollte.

Für den Tierschutzbund Bayern und seine über 100.000 Mitglieder stellt Präsidiumsmitglied Berthold Merkel, zugleich Vorsitzender des Tierschutzverein München e.V., fest.

»Dieses Urteil des höchsten deutschen Gerichts ist mehr als bedauerlich. Es war aber zu erwarten, dass wieder einmal ein Grundrecht (der freien Religionsausübung) einem einfachen Gesetz (dem Tierschutzgesetz) gegenüber steht.

Damit ist dieses Urteil zugleich der klare Auftrag an den Bundesgesetzgeber, endlich den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern. Nur dann kann eine saubere Güterabwägung zwischen dem Schutz der Tiere einerseits und den grundsätzlich verankerten Freiheiten wie die Freiheit von Forschung und Lehre (Versuchstiere), der Freiheit der Berufsausübung (Schlachttiertransporte, Tierhaltung in Tierschauen und kleinen Wanderzirkussen) und der Freiheit von Kunst und Religionsausübung erfolgen.

Für das »Schächten« hatte der Deutsche Tierschutzbund bereits vor mehr als einem Jahrzehnt ein Gutachten von der Universität Kairo eingeholt, das besagt, dass eine Betäubung der Schlachttiere durch einen Elektroschock vor dem Schnitt durch die Halsschlagader dem islamischen Recht entspricht und dem Tier unnötige Schmerzen erspart. Solche Diskussionen werden aber erst dann wirksam eingeführt werden können, wenn sich Tiernutzer und Tierschützer auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen und zu einer Verständigung kommen müssen.

»Die Tiere sind jetzt wieder die Leidtragenden. Kommerzielles Handeln wird ebenso über den Schutz der Tiere gestellt wie angebliche Fragen der Religionsausübung oder der Wissenschaft, ohne dass es auch nur eine Möglichkeit gibt, dies kritisch zu hinterfragen. Das Argument, dass »Schächten« jetzt wieder kontrolliert werden könne, während es vorher in den Bereich der Illegalität abgedrängt war, ist kein wirklicher Trost,« so Merkel.

Der Tierschutzbund Bayern startet mit der vollen Unterstützung des Tierschutzvereins München – jetzt eine breit angelegte Kampagne mit Unterschriftenlisten, Postkartenaktionen, Informationsständen und weiteren Aktionen, um die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz auf die parlamentarische Tagesordnung des Bundestages, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen muss, zu bringen. Dass dies gelingt, dafür müssen wir in Bayern die Voraussetzungen schaffen und Überzeugungsarbeit leisten.«

Vor zwei Jahren, am 13. April 2002, war der Vorstoß, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern, im Bundestag an nur etwa 20 fehlenden Stimmen der CDU/ CSU Fraktion gescheitert. Der Schutz der Tiere ist seit dem 8. Februar 1998 bereits in der Bayerischen Verfassung verankert. Der Bayerische Landtag hatte sich im Jahr 2000 einstimmig für die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz ausgesprochen.

Artikel vom 23.01.2002
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