Anfangen mit Aufhören

Mit den Anonymen Alkoholikern ein neues Leben beginnen

Wer mit dem Aufhören anfangen will, ist bei den Anonymen Alkoholikern genau richtig. »Hier findet man Gleichgesinnte, die einem beim wieder »Trockenwerden« helfen.	Foto: hw

Wer mit dem Aufhören anfangen will, ist bei den Anonymen Alkoholikern genau richtig. »Hier findet man Gleichgesinnte, die einem beim wieder »Trockenwerden« helfen. Foto: hw

München/Landkreis · »Ich bin seit sechs Jahren, acht Monaten und 16 Tagen trocken«, erklärt Florian, 30 Jahre. An diesem ganz speziellen Tag hat er zum ersten Mal ein Meeting der Anonymen Alkoholiker besucht. Dieser Besuch war für den damaligen Studenten die Initialzündung in ein neues Leben.

Nach einer durchzechten Nacht, in der er das Gefühl nicht los wurde, mit dem Trinken einfach nicht aufhören zu können, fasste er den Beschluss, dass sich etwas ändern muss. »Mein Vater hat auch getrunken – als Kind fand ich das schrecklich. Als ich dann 15 oder 16 Jahre alt wurde, ging das mit den Partys los und ich habe angefangen zu trinken«, erinnert sich Florian. Mit Alkohol habe er sich mutiger gefühlt, konnte leichter mit Gleichaltrigen in Kontakt treten, erklärt er. Nichts Ungewöhnliches, eigentlich. »Im Gegensatz zu anderen habe ich aber schnell festgestellt, dass ich nicht nur ein oder zwei Bier trinken kann, das geht bei mir einfach nicht«, berichtete Florian weiter. Unter der Woche besuchte er wie seine Freunde die Schule, schaffte auch das Abitur, aber das Wochenende gehörte dem Trinken. »Ich habe mir meine Aktivitäten danach ausgesucht, wo ich möglichst ohne aufzufallen trinken konnte«, erinnert er sich.

Gelegenheiten dazu gab es auf Festen, Festivals oder in Clubs reichlich. »Mit etwa 17 Jahren haben mir meine Schwestern ins Gewissen geredet, dass das so nicht weiter gehen kann und ich habe mich tatsächlich auch gefragt, ob da etwas nicht stimmt«, bekennt er. Im Internet habe er sich schlau gemacht, sich aber die Antworten immer so hingedreht, wie er sie gebraucht habe, um das Thema Sucht von sich wegschieben zu können. »Ich habe dann auch mal eine Pause eingelegt und drei Monate gar nichts getrunken, um mir zu beweisen, dass ich nicht süchtig bin«, erinnert er sich. Nach dem Abitur folgte der Zivildienst und dann das Studium. »Ich habe meinen Alltag noch einigermaßen geregelt bekommen, habe meine Trinkgelage so gelegt, dass ich am nächsten Tag meinen Rausch ausschlafen konnte«, berichtet er weiter. Allerdings wurden die Tage, an denen er gar nichts trinken konnte und wollte immer weniger, die Exzesse immer schlimmer.

»Irgendwann wurde ich von Freunden nicht mehr zu Festen eingeladen«, bekennt der junge Mann. Geschämt habe er sich und manchmal auch vor sich selbst geekelt. Um die Scham zu vergessen, habe er dann wieder getrunken: ein Teufelskreis. Dann kam es zu der Nacht kurz vor einer wichtigen Prüfung an der Uni, in der er wieder einfach nicht aufhören konnte zu trinken. »Als ich am nächsten Tag daheim aufgewacht bin, war diese Angst da, dass das nun immer so weiter geht und auch ein tiefes Gefühl von Einsamkeit«, erklärt er. Noch angetrunken habe er sich im Internet auf die Suche nach den Anonymen Alkoholikern gemacht und sei auf ein Treffen in der Nähe gestoßen. »Mit dem Taxi bin ich hingefahren, immer noch betrunken, unsicher, was mich dort erwarten würde«, und weiter: »Ich habe vor dem Meeting-Raum einige Leute stehen sehen, die sich unterhalten und eine Zigarette geraucht haben. Die habe ich ganz verschämt gefragt, ob hier ein Meeting stattfindet. Ich muss fürchterlich ausgesehen haben, trotzdem wurde ich freundlich empfangen und in ihre Mitte aufgenommen. Nach dem Abend habe ich das Gefühl gehabt, dass jetzt ein neues Leben beginnen könnte«, erinnert sich Florian.

Zu Fuß sei er nach dem Treffen nach Hause gegangen, es war eine schöne Frühlingsnacht und Florian war seit ziemlich langer Zeit wieder einmal glücklich. »Seit diesem Tag habe ich keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt«. Die AA-Meetings sind ein fester Bestandteil von Florians Leben geworden. Hier findet er die Hilfe, die er braucht, um trocken zu bleiben. »Es werden keine Beiträge erhoben, keine Unterlagen geführt oder Listen ausgelegt. Wir kennen uns alle nur beim Vornamen, wissen voneinander nicht, wie alt wir sind, welchen Beruf wir ausüben oder Ähnliches, wenn wir es uns nicht weitererzählen wollen«, erklärt er.

Der Grund für die Anonymität liegt auf der Hand, denn die Gesellschaft fördere zwar das Trinken, wolle von Trinkern aber nichts wissen. Das gemeinsame Gespräch habe ihm geholfen bis heute trocken zu bleiben. Kein leichtes Unterfangen, denn Alkohol sei im Alltag geradezu eine Selbstverständlichkeit.

Es bedarf einigen Einfallsreichtums, um im Alltag gefährliche Klippen zu umschiffen. Hier haben die Anonymen Alkoholiker eine Reihe von Ratgebern herausgegeben, die praxisnah von solchen Möglichkeiten berichten, um weiterhin trocken zu bleiben.

Ein Selbstläufer sei das nämlich auch nach langjährigen Erfolgen nicht, manche trockenen Alkoholiker würde es geben, die nach 20 Jahren einen Rückfall erlebten. »Das wichtigste ist immer weiterhin die Treffen zu besuchen«, betont er. Die Selbsthilfegruppe lebt vom gegenseitigen Austausch, sie weist nicht in Kliniken ein oder rät zu einer Therapie. »Dafür gibt es andere Stellen. Viele wenden sich, wenn sie medizinische Hilfe beim Entzug brauchen an ihren Hausarzt, der sie dann weiter empfehlen kann«, so Florian.

Ganz ohne Leitfaden steht die Gemeinschaft allerdings nicht da. Seit 64 Jahren treffen sich in Deutschland Anonyme Alkoholiker zu »Meetings«, um sich gegenseitig dabei zu helfen, nüchtern zu bleiben und für Menschen da zu sein, die ihr Alkoholproblem allein nicht lösen können. Zur Gemeinschaft gehört, wer zu einem AA-Meeting kommt und sich die zwölf Grundsätze beziehungsweise Schritte auf den Weg in ein trockenes Leben zu eigen machen will. Der erste Schritt auf diesem Weg beinhaltet das Bekenntnis, süchtig zu sein. Nur mit dieser Einsicht und diesem offenen Bekenntnis sind die Folgeschritte, die nötig sind, überhaupt möglich, sind sich die AA-Mitglieder sicher. Der Weg zur Genesung ist auch ein spiritueller, auch wenn keine Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft nötig ist, um mitzumachen.

Der zwölfte Punkt auf der Liste lautet: »Nachdem wir durch diese Schritte ein spirituelles Erwachen erlebt hatten, versuchen wir, diese Botschaft an Alkoholiker weiterzugeben und unser tägliches Leben nach diesen Grundsätzen auszurichten«.

Füreinander da zu sein, sich in der Not beizustehen, ist eines der wichtigsten Grundsätze der Gemeinschaft. Kein Wunder, dass Florian dort seine wichtigsten und tiefsten Freundschaften geknüpft hat, denn vollkommene Offenheit ist dort Bedingung.

In München und dem Landkreis werden rund 80 Treffen angeboten. Eine genaue Auflistung findet man unter www.anonyme-alkoholiker.de oder unter der Nummer der Anonymen Alkoholiker: Tel. 55 56 85. »Niemand wird wegen seiner Sucht verurteilt, hier bei uns findet man Menschen, die einen verstehen und zuhören«, betont Florian. hw/dm

Das nächste Treffen finden in der Umgebung statt:

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Münchner Zentrum

Elisabethenzimmer der Pfarrei St. Martin: Jeden Donnerstag von 19.30 bis 21 Uhr können sich die Anonymen Alkoholiker austauschen, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Jeden ersten Donnerstag in der Woche ist das Meeting auch für Angehörige und Interessierte offen.

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Bogenhausener Anzeiger

• Jeden Dienstag um 19 Uhr im Alten- und Service Zentrum Riem, Platz der Menschenrechte 10, Verkehrsverbindungen: U2 Messestadt-West.

• Jeden ersten Freitag im Monat offenes Meeting in der Dreieinigkeitskirche, Wehrlestraße 8, Clubraum. Verkehrsverbindungen: Tram 16 Bundesfinanzhof, Bus 54 Wehrlestraße. Die Alateen-Gruppe (für Angehörige von Alkoholikern) trifft sich jeden dritten Freitag im Monat.

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Haidhausener Anzeiger

• am ersten Montag des Monats um 19.30 Uhr im Nachbarschaftstreff Maikäfersiedlung (Bad-Schachener-Straße 69)

• am ersten Dienstag des Monats um 14 Uhr im Alten- und Service-Zentrum Haidhausen (Wolfgangstraße 15)

• am ersten Dienstag des Monats um 19.30 Uhr im Evangelischen Pfarrheim Giesing (Martin-Luther-Straße 3)

• am ersten Donnerstag des Monats um 19.30 Uhr im Alten- und Service-Zentrum Ramersdorf (Rupertigaustraße 61 a)

• am ersten Freitag des Monats um 19 Uhr im Städtischen Klinikum Harlaching (Sanatoriumsplatz 2)

In München und dem Landkreis werden rund 80 offene Treffen der Anonymen Alkoholiker angeboten. Eine genaue Auflistung findet man unter www.anonyme-alkoholiker.de oder unter der Nummer der Anonymen Alkoholiker, Tel. 55 56 85.

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Südost-Kurier

Am Dienstag um 19.00 Uhr im Alten- und Service Zentrum Riem (Platz der Menschenrechte 10).

Montag um 20.00 Uhr trifft sich die Selbsthilfegruppe Haar I des Blauen Kreuz München e.V. in der Pfarrgemeinde St. Bonifatius (Jagdfeldring 13b).

In Berg am Laim trifft sich die Selbsthilfegruppe München-Ost I beim Blauen Kreuz Diakoniewerk Außenstelle Ost (Berg-am-Laim-Straße 131) dienstags um 19.00 Uhr.

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Kurier Ebersberg

Kirchseeon: Kath. Pfarrheim, Fritz-Litzlfelder-Straße, offenes Meeting jeden 1. Montag im Monat um 19.30 Uhr.

Markt Schwaben: Ev. Gemeinde, Martin-Luther-Straße 22, offenes Meeting jeden letzten Dienstag im Monat um 19.30 Uhr.

Die nächsten Treffen im Gebiet vom Harlachinger Rundschau

Mittwochs: 19.30 Uhr in Höhenkirchen-Siegertsbrunn im Pfarrzentrum Mariä Geburt in der Schulstraße 11 im Clubraum (rollstuhlgerecht) offenes Meeting jeden 2. Mittwoch im Monat;

ebenfalls immer mittwochs findet das Treffen in Ottobrunn um 19.30 Uhr im Kindergarten in der Hermann-Löns-Straße 31 statt (offenes Meeting jeden 1. Mittwoch im Monat).

Immer dienstags findet das Treffen in Grünwald im Ev. Gemeindezentrum in der Wörnbrunner Straße 1 statt (offenes Meeting jeden 1. Dienstag im Monat).

Ebenfalls dienstags finden die Treffen in Giesing im Ev. Pfarrheim in der Martin-Luther-Straße 3, Eingang in der Weinbauerstraße 9 - 11 statt (offenes Meeting jeden 1. Dienstag im Monat).

Freitags gibt es um 19 Uhr ein Treffen in Harlaching im Städt. Klinikum Harlaching, Sanatoriumsplatz, Haus B, Raum E 105 (schräg gegenüber von der Cafeteria – offenes Meeting jeden 1. Freitag im Monat).

Auch am Freitag findet um 19.30 Uhr ein Treffen in St. Philipp-Neri in der Kafkastraße 17 im Kellerstüberl statt (offenes Meeting immer am 1. Freitag im Monat. hw

Artikel vom 04.04.2018
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