Formulierungen und Umsetzung sollen auf den Prüfstand

Grundsatzdebatte über die Zukunft der 50+1-Regel

Klare Haltung: die Fans des TSV 1860 München. Foto: Anne Wild

Klare Haltung: die Fans des TSV 1860 München. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Hannover 96-Präsident und Investor Martin Kind hat seinen Antrag zur Übernahme des niedersächsischen Klubs bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zurückgezogen, nachdem ihm vom Ligaverband eine Ablehnung der gewünschten Alleinherrschaft signalisiert worden sein soll. Auch in Giesing und Abu Dhabi dürfte man die aktuelle Entwicklung aufmerksam verfolgen.

Der 73-jährige Hörgeräte-Fabrikant hatte im Herbst 2017 einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei der DFL eingereicht, der ihm das alleinige Sagen bei Hannover 96 ermöglichen sollte. Sein Vorstoß basiert auf einem Zugeständnis, das der Verband auf Kinds Betreiben hin bereits im Jahr 2011 formuliert hat. Demnach soll es Vereinen möglich sein, eng verbundenen Investoren, Mäzenen oder Unternehmen nach 20 Jahren ununterbrochener und maßgeblicher Förderung, entgegen der sonst üblichen 50+1-Regelung, die Stimmenmehrheit an ausgegliederten Kapitalgesellschaften zu übertragen.

In der Bundesliga ist das bislang bei Bayer 04 Leverkusen, einem Werksverein des gleichnamigen Chemiekonzerns, bei VW in Wolfsburg und bei Dietmar Hopp von der TSG 1899 Hoffenheim der Fall. Kind soll Medienberichten zufolge in den vergangenen 20 Jahren jedoch gar nicht genügend Geld in den Klub gesteckt haben, um in den Genuss der Ausnahmegenehmigung kommen zu können.

Die DFL schreibt in einer Mitteilung, der Antrag von Hannover 96 und Kind ruhe nach der Rücknahme durch den Antragsteller. Bis auf Weiteres sei deshalb keine Entscheidung des DFL-Präsidiums in der Frage erforderlich. Die Mehrheitsverhältnisse bei Hannover 96 bleiben demnach unverändert. Das DFL-Präsidium glaubt jedoch, »die Notwendigkeit einer ergebnisoffenen Grundsatzdebatte innerhalb des DFL e.V. und seiner Gremien« erkannt zu haben.

Es erscheine aus Verbandssicht »zweckmäßig, in den kommenden Monaten die Formulierung und Umsetzung der 50+1-Regel zu überprüfen und dabei zu erörtern, wie wichtige Prinzipien der gelebten Fußball-Kultur in Deutschland zukunftssicher verankert werden können und ob gleichzeitig neue Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen sind«. Beschlüsse auf Satzungsänderung obliegen der Mitgliederversammlung der 36 Klubs der Ersten Bundesliga und Zweiten Bundesliga. Mindestens 24 von ihnen müssten einer Novellierung zustimmen.

DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hatte im Januar in einer Rede beim Neujahrsempfang der Bundesliga ein stärkeres Bekenntnis der Klubs zur Akkumulation von Kapital gefordert. »Die Debatte um den Profifußball muss ehrlich geführt werden. Ja, es geht um Geld, und es muss irgendwie erwirtschaftet werden. Der Profifußball hat großen wirtschaftlichen Erfolg und er muss aufhören, sich dafür zu rechtfertigen.« Die angeblich bedrohte internationale Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga gilt dem Marketing-Spezialisten als allerhöchstes Gut. Auch der Glaube, der wirtschaftlich dominierende FC Bayern würde durch frisches Investorengeld für andere Klubs wieder mehr sportliche Konkurrenz verspüren, befeuert die Debatte.

In Hannover haben die Pläne Kinds über Jahre hinweg zu einem schweren Zerwürfnis zwischen den Funktionären des Klubs und den Mitgliedern und Fans des Vereins geführt. Mit juristischen Klagen und mit einem Stimmungsboykott im Stadion waren die Initiative »Pro Verein 1896« und Fans aus der Ultraszene gegen die Machtfülle Kinds vorgegangen.

Beim TSV 1860 München versucht indessen Investor Hasan Ismaik als Mehrheitsgesellschafter der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA offensiv seinen Einfluss auszuweiten. Ob eine beim Bundeskartellamt anhängige Beschwerde des Jordaniers aus dem Sommer 2017 gegen die 50+1-Regelung Erfolg haben könnte, ist jedoch höchst ungewiss. Zuletzt erklärte die Behörde, man führe kein Verfahren und habe noch nicht einmal entschieden, ob und gegebenenfalls in welcher Form, es überhaupt zu einer weiterführenden Prüfung von Ismaiks Begehren komme.

(as)

Artikel vom 06.02.2018
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