München im Spielfieber

Spieletreffs, Spieletage, Spielemesse liegen ganz im Trend

Bei den Spieletagen in Karlsfeld sind freie Plätze schnell belegt, wie auch bei der Spielwiesn. Die Lust am Spielen ist hierzulande groß.	Foto: Spieletreff Karlsfeld

Bei den Spieletagen in Karlsfeld sind freie Plätze schnell belegt, wie auch bei der Spielwiesn. Die Lust am Spielen ist hierzulande groß. Foto: Spieletreff Karlsfeld

München · »Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« Hat Schiller mal gesagt. Heute nehmen sich das immer mehr Menschen zu Herzen und spielen Gesellschaftsspiele. Der Mensch will spielen und der Münchner bildet da keine Ausnahme.

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Allein im S-Bahn-Bereich gibt es mindestens 24 Spieletreffs, die sich in der überwiegenden Mehrzahl mit klassischen Gesellschaftsspielen beschäftigen.

Solche kann man auch bei der Spielwiesn vom 17. bis 19. November im MOC ausprobieren. Die Spielemesse mit Verlagsständen, großem Spieleflohmarkt und einem Bereich, in dem man Gesellschaftsspiele ausleihen und ausprobieren kann, zieht seit der Erstauflage im Jahr 1991 immer mehr Menschen an. Über 50.000 sind es nach Veranstalterangaben im vergangenen Jahr gewesen. Fast genauso lange wie die Spielwiesn gibt es die deutlich kleineren Spie­le­tage »Karlsfeld spielt«, jedes Jahr am ersten Advent. Am 2. und 3. Dezember findet diese kleine, aber feine Veranstaltung, zu der wenige hundert Besucher erwartet werden, zum 20. Mal statt. Anlässlich dieses Jubiläums ist die Spielausleihe verlängert worden. So findet am 2. Dezember von 14 bis 24 Uhr »Die lange Nacht der Spiele« statt. Am 3. Dezember kann jeder, der Lust hat, von 12 bis 20 Uhr im Gemeindehaus der Korneliuskirche (Adalbert-Stifter-Straße 3) mitspielen. Egal, ob allein oder mit der ganzen Familie – wer möchte, findet hier schnell Anschluss und gleichgesinnte Mitspieler. Der Eintritt ist frei, Spiele kann man an der Spieletheke ebenso kostenlos ausleihen, sich beraten und die Spielregeln erklären lassen.

Gestemmt wird die Veranstaltung vom Karlsfelder Kornelius Spiele-Treff. Kein Verein, sondern ein unverbindlicher Zusammenschluss Spieleinteressierter aus dem weiteren Umkreis von Karlsfeld. Es war 1998, als eine Handvoll Spielefans die Idee umsetzten, die Spielwiesn in kleinerer Form zu veranstalten. Seit dem ersten Tag dabei ist Marco Brandstetter: »Angefangen hat das bei uns in der Tennisgruppe. Wir wollten uns mal zum Spieleabend zuhause treffen. Dann haben wir das wiederholt, die Gruppe ist größer geworden und hat sich bald ganz geöffnet.« Kurz darauf kam der Kontakt zu Tom Werneck zustande. Werneck ist in Münchner »Spielerkreisen« ein echter Wegbereiter. Früher gehörte er zur Jury »Spiel des Jahres«, er hat Bücher geschrieben und selbst Spiele entwickelt, das Bayerische Spiele-Archiv in Haar aufgebaut und den dortigen regelmäßigen Spieleabend ins Leben gerufen. Kurz: genau der richtige Mann, um das Projekt in Karlsfeld mit seiner Erfahrung zu unterstützen.

Die Spieletreffs, egal ob in Karlsfeld, im Großraum München oder in ganz Deutschland, sind im stetigen Wandel und gleichen damit dem wachsenden Spieleangebot. Dabei hatte sich das Gesellschaftsspiel lange keinen festen Platz erobern können. Einzelne Spiele sorgten zeitweise für Begeisterung, darunter die Klassiker Monopoly und Risiko. Das änderte sich ab 1979 mit der Einführung des Jurypreises »Spiel des Jahres«, den Tom Werneck mit aus der Taufe gehoben hatte.

Die nächste große Welle schwappte 1995 mit »Die Siedler von Catan« durchs Land, die die erwachsenen Taktierer in großer Zahl an die Spieltische lockte. Über 22 Millionen Mal wurde das Spiel bis heute verkauft. Es war der Beginn eines Spiele-Booms, der bis zum heutigen Tag anhält. »Deutschland ist heute ein Spiele-Mekka«, berichtet Brand­stetter. Der Markt ist riesengroß und inzwischen voll durchprofessionalisiert.

Miteinander spielen heißt miteinander zu kommunizieren

Die Spieletreffs in München sind von Markt und Marketing weit entfernt. Ihnen geht es ums Spiel selbst. Weil sie ihren Besuchern ein bisschen was bieten müssen, halten sie in der Regel Kontakt zu Spieleverlagen im ganzen deutschsprachigen Raum und besuchen auch die entsprechenden Messen. Nicht selten stellen die Verlage Exemplare ihrer Neuerscheinungen zum Testen und Spielen zur Verfügung. Die Spieletreffs sind für die Verlage wertvolle Multiplikatoren. Umgekehrt ermöglichen sie den Spieletreffs den Aufbau einer Spielesammlung, denn weil es sich bei den Treffs in der Regel um lose Zusammenschlüsse ohne finanzielle Einnahmen handelt, wäre der Erwerb der Spiele für sie kaum zu stemmen.

Die Spieletreffs erfüllen – so ganz nebenbei – eine interessante gesellschaftliche Aufgabe: Sie bringen die Menschen zusammen. »Das war mir dabei auch immer wichtig«, erklärt Marco Brandstetter, der in der kirchlichen Jugendarbeit gute Erfahrungen mit dem Spielen gemacht hat: »Miteinander spielen heißt auch miteinander zu kommunizieren, und zwar zusammen am selben Tisch. Es geht darum, sich aktiv selbst zu beschäftigen anstatt sich beschäftigen zu lassen. Das hat großen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung.« Und das nicht nur bei Kindern und bei Jugendlichen. Ein Ende des Spiele-Booms ist nicht in Sicht. Ganz offensichtlich ist es den Menschen ein Bedürfnis zusammenzukommen und miteinander zu spielen. Bei den Spieletreffs, bei der Spielwiesn und bei »Karlsfeld spielt«.

Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 10.11.2017
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