München liegt in Europa

Immer mehr Menschen demonstrieren mit »Pulse of Europe«

Vor vier Wochen waren es rund 400 Teilnehmer. Inzwischen mobilisiert »Pulse of Europe« jeden Sonntag rund 2.500 Menschen allein in München.	Foto: Benjamin Fannrich

Vor vier Wochen waren es rund 400 Teilnehmer. Inzwischen mobilisiert »Pulse of Europe« jeden Sonntag rund 2.500 Menschen allein in München. Foto: Benjamin Fannrich

München · Aus der Mitte, in die Mitte. Längst hat der »Pulse of Europe« auch München erfasst, liegt sein Ursprung doch relativ nahe, wenn man auf Europa blickt. In Frankfurt, unweit des geographischen Mittelpunkts der EU, ging es im vergangenen Jahr los.

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Artikel vom 24.03.2017: Samstagsblatt-Redakteur Carsten Clever-Rott über den Frieden

Der Brexit war das Alarmsignal für eine zunehmende Nationalisierung der Völker Europas. Zumindest betrachtet eine Gruppe von Menschen dieses Votum als Alarmsignal. Diese Gruppe wird immer größer. Seit Februar gehen in München Anhänger eines vereinten Europas auf die Straße. Jeden Sonntag von 14 bis 15 Uhr demonstrieren sie auf dem Max-Joseph-Platz. Die Veranstaltung richtet sich an Bürger jedes Alters, unabhängig von Konfession oder politischer Ausrichtung, die sich öffentlich sichtbar und hörbar für den Fortbestand eines demokratischen und friedlichen Europas einsetzen möchten. Neben kurzen Redebeiträgen der Veranstalter, einem »offenen Mikrofon«, einer Malstation und einer Postkartenaktion bildet die Menschenkette aller Anwesenden rund um den Max-Joseph Platz den Abschluss der Veranstaltung.

Ein lautstarkes »Blijft bij ons« war am 12. März an die Niederländer gerichtet, die drei Tage später ein neues Parlament gewählt haben. Dass das Votum auch ein Ergebnis der »Pulse of Europe«-Bewegung ist, wäre eine gewagte These. Tatsache ist aber, dass diese Pro-Europa-Bewegung auch in Amsterdam angekommen ist. Inzwischen demonstrieren europaweit, vor allem in Deutschland und Frankreich, Woche für Woche rund 100.000 Menschen für Europa. Dr. Georg Fichtner ist einer davon. Der Politologe ist einer der Mitorganisatoren der Demonstrationen auf dem Max-Joseph-Platz.

Wie es dazu kam, ist beispielhaft für die Idee des »Pulse of Europe«. Fichtner erzählt: »Alle aus dem heutigen Organisationsteam hatten sich individuell in Frankfurt gemeldet mit dem Ziel ›Pulse of Europe‹ auch in München auf die Beine zu stellen. Wir wurden vernetzt und haben uns dann beim Italiener getroffen. Neben uns saß eine Gruppe Spanier, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind.« Am Ende des Abends war die Völkerverständigung perfekt und alle sangen zusammen mit den italienischen Restaurantbetreibern die Europahymne.

Dieser Moment war das komplette Gegenteil vom 24. Juni 2016, dem Morgen nach dem Brexit-Votum. Damals, so berichtet Fichtner, habe er gedacht: »Um Gottes Willen!«. Er spricht von Angst um die Europäische Union, die er empfunden habe. Denn die EU und ihre Werte seien zerbrechlicher als wir denken. »Wir müssen uns für diese Union einsetzen«, appelliert er.

Die Erleichterung nach der Parlamentswahl in den Niederlanden, bei denen die Rechtspopulisten anders als befürchtet, nicht als Sieger hervorgegangen waren, war groß. Die Wahl hat aber noch mehr gezeigt: »Die schweigende Mehrheit ist für Europa«, ist Fichtner überzeugt. Doch die Menschen haben zu lange geschwiegen, dem Treiben zu lange zugeschaut. Jetzt setzen sie dem Lärm von Rechtspopulisten etwas entgegen. Sie haben klare Ziele, für das sie sich einsetzen, nämlich den Zusammenhalt Europas und die Achtung der Werte der EU. »Pulse of Europe« setzt sich ein für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und die Achtung der Menschenwürde. Anders als diejenigen, die dadurch auffallen, weil sie gegen etwas sind, ist »Pulse of Europe« für etwas: für Europa und seine Werte.

Angefangen hat »Pulse of Europe« in München mit etwa 400 Teilnehmern. Das war am 26. Februar. Seitdem ist der Zuspruch Woche für Woche gestiegen. Höhepunkt war am 12. März kurz vor der Wahl in den Niederlanden. 2.500 Münchner wollten an diesem Tag einen weiteren Riss in Europa verhindern. Am 19. März waren »nur« noch etwa 2.000 Menschen am Max-Joseph-Platz. Aber es geht weiter. Bis zur Stichwahl ums französische Präsidentenamt am 7. Mai will »Pulse of Europe München« an jedem Sonntag um 14 Uhr demonstrieren. Auch am Ostersonntag. Frankreich droht nach rechts zu rutschen, mit Marine Le Pen könnte eine Politikerin des rechtsextremen Front National in die Stichwahl kommen. Ihre Ziele sind klar: Frankreich raus aus der EU und raus aus dem Euro – genau das, was »Pulse of Europe« verhindern will.

70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird die Zahl der Menschen, die Krieg in Europa selbst erlebt haben immer kleiner. Für die Nachkriegsgenerationen ist der Frieden zu etwas Selbstverständlichem geworden. Dr. Georg Fichtner hat mit seinen 35 Jahren keinen anderen Zustand erlebt. Doch der Politikwissenschaftler weiß, dass Errungenschaften wie diese den Menschen nicht in den Schoß fallen. Dafür lohnt es sich aufzustehen und seine Stimme zu erheben und dazu fordern er und seine Mitorganisatoren von »Pulse of Europe« die Münchner auf. 26. März, 14 Uhr, Max-Joseph-Platz.

Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 24.03.2017
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