Was wenn man nicht mehr selbst entscheidet?

Betreuungsstelle für Verfügungen und Vollmachten im Landratsamt Ebersberg

Leiterin der Betreuungsstelle Ebersberg, Elfi Melbert.

Leiterin der Betreuungsstelle Ebersberg, Elfi Melbert.

Ebersberg · Wer trifft Entscheidungen in meinem Sinne, wenn ich dazu wegen Krankheit, Unfall oder Alter vorübergehend oder dauerhaft nicht mehr in der Lage bin?

Da der Gesetzgeber in Fällen wie diesen die Verantwortung nicht automatisch den Angehörigen übergibt, stellen sich diese Frage offensichtlich immer mehr Menschen. Elfi Melbert, Leiterin der Betreuungsstelle im Landratsamt, verzeichnet jedenfalls ein steigendes Interesse an Beratungen zu rechtlicher Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung. »Der klassische Betreuungsfall ist ein alter Mensch, der zunehmend dementielle Ausfälle hat, keine Betreuungsverfügung verfasst hat oder einfach niemand hat, den er als Betreuungsbevollmächtigten einsetzen kann«, so Elfi Melbert. Oft würden die Nachbarn aufmerksam, weil die Menschen im Zuge ihrer Demenzerkrankung auffälliger im Verhalten würden oder sich nicht mehr ausreichend um ihre Grundversorgung kümmern könnten. Manchmal seien es die Betroffenen selbst, oft jedoch Bekannte oder Verwandte, die dann eine so genannte Anregung auf Betreuung stellen würden. Nach einer Einschätzung der Betreuungsstelle entscheidet dann das Betreuungsgericht, ob es das Verfahren weiterverfolgt. In dessen Verlauf prüft das Gericht sorgfältig, ob der Betroffene der Hilfe eines gesetzlichen Vertreters bedarf.

Diesem muss er zustimmen. Steht kein ehrenamtlicher Betreuer aus dem Verwandten- oder Freundeskreis zur Verfügung, bestellt das Gericht einen berufsmäßigen Betreuer. Dieser ist dann für einige oder alle Angelegenheiten, also Aufgabenkreise wie Gesundheits- oder Vermögensregelungen, zuständig und wird vom Gericht auch beaufsichtigt. Rund 700 neue Betreuungsfälle verzeichnet die Ebersberger Betreuungsstelle jährlich. »Die über 60-Jährigen machen den größten Anteil aus«, sagt Melbert. Häufige Ursachen seien Demenzerkrankungen und Schlaganfälle. Wer sicherstellen möchte, dass kein fremder Mensch diese Dinge regelt, sondern eine vertraute Person, lässt sich von den Mitarbeiterinnen in der Betreuungsstelle über die grundlegenden Inhalte und Unterschiede von Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und auch Patientenverfügung beraten. In den ein- bis anderthalbstündigen Gesprächen betonen die Beraterinnen ausdrücklich, wie hoch das Vertrauen in einen als rechtlichen Vertreter eingesetzten Menschen sein müsse. »Eine Vorsorgevollmacht wird in guten Zeiten nur zum eigenen Wohl und nach den eigenen Wünschen eingerichtet und erst wirksam, wenn der Betroffene nicht mehr selber handlungsfähig ist«, erklärt Elfi Melbert. »Es muss auch dem als Vertreter Eingesetzten bewusst sein, wie schnell man sich in ein anderes Leben einmischt und meint, zu wissen, was gut für den Anderen ist«, warnt sie.

Im Gegensatz zu einem betreuungsgerichtlich bestellten Betreuer unterliege der in einer Vorsorgevollmacht eingesetzte Vertraute keiner staatlichen Kontrolle. Ihr für – jede der schriftlichen Vorsorgen – geltender Rat lautet daher, sich ausführlich mit den eigenen Wünschen auseinanderzusetzen, miteinander zu reden, um sich schließlich »klar und sicher« zu sein. Dies ist auch eine wichtige Voraussetzung für das Verfassen einer Patientenverfügung. »Zu fast einhundert Prozent entscheiden sich die Verfasser einer Vorsorgevollmacht auch für eine Patientenverfügung«, weiß Melbert. »Natürlich schieben viele diese Themen vor sich her, aber alle sind glücklich, wenn sie es gemacht haben«, so ihre Erfahrung. Die Sozialpädagogin und Verwaltungsfachwirtin, die bis Ende 2013 Familienbeauftragte des Landkreises war, nennt abschließend eine Betreuungsverfügung »eine schöne Zwischenlösung«. Anders als die Vorsorgevollmacht wird hier dann die Ausübung der Betreuung vom Betreuungsgericht kontrolliert. In einer Betreuungsverfügung benennt der Verfasser einen Betreuer. »Erst das Betreuungsgericht bestimmt nach ausführlichen Prüfungen, ob der Betreuungsfall schon eingetreten und der Vertreter schon handlungsbefugt ist«, sagt Elfi Melbert. Sie erlebt durchaus, dass es nach den Beratungen bei ihren Gesprächspartnern zu Umorientierungen kommt, sich zum Beispiel Ehepaare gegenseitig eine Vorsorgevollmacht attestieren, ihre Kinder aber in den Betreuungsverfügungen einsetzen. Neben der Betreuungsstelle, so Melbert, beraten auch zwei Betreuungsvereine im Landkreis: der Betreuungsverein Ebersberg / Erding in Markt Schwaben (Tel. 0 81 21 / 43 91-30, www.btv-ebe.de) und der Betreuungsverein »Brücke Ebersberg« in Ebersberg (Tel. 0 80 92 / 8 60 11 11, www.bruecke-ebersberg.de).

ib

Artikel vom 02.01.2017
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