Einmal um die halbe Welt

Warum Hans Stoiber von München nach New York läuft

Ein letzter Blick von oben auf sein München: Hans Stoiber auf dem Alten Peter, wenige Tage bevor er nach Wien aufbrach.	Foto: cr

Ein letzter Blick von oben auf sein München: Hans Stoiber auf dem Alten Peter, wenige Tage bevor er nach Wien aufbrach. Foto: cr

München · Von München nach New York braucht man im Normalfall etwa neuneinhalb Stunden. Abflug FJS, Landung JFK, nichts Außergewöhnliches, ja, geradezu langweilig. Hans Stoiber macht das anders: Er geht zu Fuß nach New York.

Heute bricht er auf, in zwei Jahren möchte er ankommen. Sein Weg führt über den Balkan, durch die Türkei, Iran, China, Sibirien, Alaska, Kanada bis an die Ostküste der Vereinigten Staaten – über 20.000 Kilometer.

Warum macht jemand sowas?

»Ich hatte den Plan schon seit letztem Jahr«, erzählt der 61-Jährige. Sportlich-drahtig ist seine Erscheinung. Ein Mann, dem man diese Extremtour durchaus zutraut. Stoiber möchte das machen, was die Menschen vor über 10.000 Jahren geschafft haben, als sie von Nordasien kommend auf der Landbrücke den amerikanischen Kontinent betreten haben. »Mit der heutigen Technik wäre das ganz leicht, aber diese Technik hatten die Menschen damals nicht.«

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Stoiber ist kein Forscher. Er ist ein Abenteurer, ein Weltenbummler, einer, der bis an seine Grenzen geht. Er hat in seinem Leben schon über 80 Länder bereist, oft zu Fuß. Seine Wurzeln liegen in München. Sein Name scheint das zu verraten, aber tatsächlich ist Hans Stoiber in Chile geboren. In den USA hat er studiert, doch München ist für ihn ein Stück Heimat, wenn er denn eine benennen sollte. Sein Vater war gebürtiger Münchner, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika ging. In Chile hatte Stoibers Vater seine spätere Frau kennengelernt. Im Kindesalter kam der kleine Hans erstmals nach München, seitdem immer wieder mal. Und es ist immer ein bisschen wie »nach Hause kommen«.

Jetzt wird Stoiber die Stadt für lange Zeit nicht mehr sehen. Praktisch ohne Geld in der Tasche ist der Abenteurer im November in Köln aufgebrochen. Die Etappe nach München war sozusagen der Prolog für seine Weltreise. Die Erfahrungen sollten in die Entscheidung einfließen, ob die weiteren 20.000 Kilometer folgen sollen. Sie sollen.

»Der Regen war für mich das Schwierigste«, erzählt er von seinem Weg nach München. Stoiber übernachtet im Freien. Die Kälte? Kein Problem. Die langen Tagesmärsche? Kein Problem. Der Regen? Furchtbar anstrengend.

In München hat Stoiber ein paar Tage gearbeitet, um sich bessere Wanderschuhe leisten zu können. Alles, was er braucht, trägt er bei sich. Auch etwas Geld, aber nicht viel. »Ich bin in Köln mit zwei Euro in der Tasche aufgebrochen, und das auch nur, weil das Geld zufällig in meiner Tasche war. Ich habe es erst unterwegs entdeckt.« Ansonsten hätte der Extremwanderer überhaupt kein Geld bei sich. »Es ist weniger interessant, wenn man das mit viel Geld macht«, meint er.

Worauf er aber nicht verzichten kann, ist sein Smartphone. Das zeigt ihm den richtigen Weg durch unbekannte Gegenden, schließlich kann er nicht auf der Autobahn spazieren. Gleichzeitig macht er damit Fotos und kurze Videos, die er auf seine Internetseite hochlädt.

Unter www.moscowtonewyork.xyz (komplett auf Englisch) kann man die Reise des Kosmopoliten verfolgen. Moskau ist übrigens – entgegen der Vermutung beim Blick auf die Internetadresse – kein Zwischenstopp auf dem Weg. Die Adresse war bereits für Hans Stoiber freigeschaltet, als er seine Pläne umwarf. Er wollte einfach nicht so lange nur durch ein Land, nämlich Russland, laufen. Stoiber möchte viele Menschen treffen, sich mit ihnen unterhalten. Die Mentalitäten machen es aus. Hans Stoiber will die Welt kennenlernen. Ob das seine Bestimmung ist, weiß er nicht. »Ich weiß nicht, ob ich damit glücklich werde, aber ich weiß, dass ich unglücklich bin, wenn ich es nicht mache.«

Viel braucht er unterwegs nicht. »Ich frage nur nach Wasser für mich und Strom für mein Handy«, erzählt er. Dabei kommt er mit den Leuten ins Gespräch. Sie wollen dann alles Mögliche wissen. Schließlich zeigen sich viele freigiebig, bieten dem Wanderer was zum Essen an oder möchten auf andere Art helfen.

Auf der »Vor-Etappe« von Köln aus hat Hans Stoiber zweimal das Angebot bekommen, ein paar Kilometer im Auto mitzufahren. Beide Male hat er das angenommen und beide Male hat er sich gefragt, ob das richtig war. Dann ist er zu einer Entscheidung gekommen: »Ich will laufen! Die ganze Strecke!«

Groß waren die Glücksgefühle, als er am 24. November das Ortseingangsschild von München passierte. So wird das jetzt an jedem Etappenziel sein. Im Moment ist der 61-Jährige mit Sack und Pack unterwegs nach Wien. Das Schlimmste, was ihm in unseren Breiten passieren kann, ist der Regen, vielleicht noch eine anstrengende Strecke.

Der Fußmarsch über den Balkan schreckt Stoiber nicht. Einmal quer durch die Türkei sollte kein Problem sein. Syrien, Irak und auch Afghanistan liegen nicht direkt auf seiner Strecke, aber er nähert sich den Ländern durchaus. Angst? Hat er nicht.

»Angst ist oft nicht begründet«, berichtet Stoiber aus seiner eigenen Erfahrung. »Wenn man Angst sucht, findet man immer etwas, das Angst macht«, meint er. Natürlich darf er nicht allzu blauäugig durch die Welt gehen. Aufmerksam ist er unterwegs. Aber Angst vor dem, was kommt, hat er nicht. Natürlich, so meint er, kann man vor vielem Angst haben. Niemand wisse, was morgen kommt. Das gilt besonders für Menschen, die schwerkrank sind, zum Beispiel Kinder, die an Krebs leiden. »Das sind die wahren Helden«, betont Stoiber, nicht das, was er nun angefangen habe.

Mit seiner halben Weltumrundung möchte er kranken Kindern helfen. Die Aktion soll aufmerksam machen, doch die Aufmerksamkeit soll sich dann auf das von Hans Stoiber unterstützte Projekt richten, nämlich die Initiative krebskranke Kinder München e.V. mit Sitz in Schwabing. Auf seiner Internetseite stellt Hans Stoiber die Initiative vor und bittet um Spenden, nicht für sich, sondern eben für die Arbeit des Vereins.

Als Hans Stoiber seine Idee dem Verein vorgestellt hat, waren die Verantwortlichen schnell überzeugt. Sie glauben an den Weltenbummler und daran, dass er es schaffen wird. Dass er in zwei Jahren in New York ankommt. Dass man genau das auf seiner Internetseite lesen kann. Wie es danach weitergeht, weiß Hans Stoiber jetzt natürlich noch nicht. »Ich glaube nicht, dass ich in New York bleibe«, sagt er. Kann aber auch alles ganz anders kommen. Schließlich weiß niemand, was morgen ist. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 16.12.2016
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