Der Kindergarten Flohkiste startet neues Projekt: »Ich und die anderen«

Sinneshöhle und Kontakte

Maxvorstadt · Wer wünscht sich das nicht manchmal: Eine Höhle, in die man sich gemütlich »einigeln« kann, mit vielen weichen Kissen, gedämpftem Licht und leiser, meditativer Musik.

Im Rotkreuz-Kindergarten Flohkiste in der Heßstraße gibt es seit neuestem eine solche Höhle. Sie soll einen Gegenpol zum Alltagsstress bilden, wie Leiterin Barbara Siebler erklärt. »Die Kinder sollen sich hier eine Auszeit nehmen können und zur Ruhe kommen.«

Viele der Kinder wohnen in kleinen Wohnungen, in denen es nicht viel Bewegungsfreiheit gibt. Die meisten sind Einzelkinder, einige kommen aus zerbrochenen Familien. Daher brauchen gerade sie das Gefühl von Freiraum und zugleich Geborgenheit, so glauben die Erzieherinnen.

Der große Anklang der sogenannten »Sinneshöhle« bei den Kindern gibt ihnen Recht. »Oft entstehen große Diskussionen, wer zuerst rein darf und für wie lange«, erzählen sie. »Wir mussten sogar einen Belegplan ausarbeiten, um niemanden zu benachteiligen.«

Die kuschelige Höhle konnte Dank einer Spende des Landesinnungsverbandes Karosseriebau eingerichtet werden. Sie ist Teil des Projekts »Ich und die anderen« geworden, das die Flohkiste vor kurzem gestartet hat. Ziel ist, dass die Kinder ihre Lebenssituation möglichst selbständig zu meistern lernen. Sie sollen Probleme gemeinsam lösen, Konflikte aushalten und sich in der Erwachsenen-Welt zurechtfinden.

»Wir üben mit den Kindern den Alltag ein«, sagt Erzieherin Andrea Grüneis. Dazu gehören auch praktische Dinge wie Einkaufen, Bezahlen oder Kochen. Einmal pro Woche gibt es in der Flohkiste eine »Kochorgie«. Dabei wollen die Erzieherinnen das Bewusstsein dafür schärfen, dass jedes Land eine andere Küche hat. »Das ist sehr wichtig, weil wir hier Kinder mit vielen verschiedenen Nationalitäten haben«, erklärt Andrea Grüneis.

Ein weiteres wichtiges Anliegen des Flohkisten-Teams: Die Kinder sollen lernen, ihre Ansichten und Gefühle sprachlich zu artikulieren. Denn, so finden die Erzieherinnen: Ängste lassen sich am Besten abbauen, indem man sie ausspricht. Besonders deutlich hat sich das nach dem 11. September gezeigt. »Die Kinder waren völlig verschreckt«, erzählt Andrea Grüneis.

»Deshalb haben wir lange mit ihnen über die Ereignisse gesprochen und Bilder angeschaut.« Zum Schluss erklärten die Kinder: »Wenn wir den Bin Laden zu fassen kriegen, dann muss er auf den ´Auszeit-Stuhl´«. – Dieser Stuhl ist eigentlich dafür vorgesehen, kleine Streithähne und Zappelphilippe zur Ruhe zu bringen. (rme)

Artikel vom 06.12.2001
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...