Thomas Loderer, Erster Bürgermeister

Ottobrunn · Aus dem Rathaus (Ausgabe Dezember 2016 / Januar 2017)

Ottobrunn · Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, vor gut sechs Jahren war der »Rosengarten« hinter dem Wolf-Ferrari-Haus bereits einmal auf der Titelseite von Mein Ottobrunn abgebildet. Allerdings nicht schneebedeckt, sondern in frühlingshafter Blütenpracht.

Damals äußerte ich an dieser Stelle die Vermutung, dass es sich beim Rosengarten wohl um einen Ottobrunner Geheimtipp handele. In der Zwischenzeit hat just an diesem Ort so manches Spektakel stattgefunden, von den Sommerkonzerten der Rosmarie-Theobald-Musikschule über die 60-Jahr-Feier der Gemeinde Ottobrunn bis hin zum Kultur-Sommerfest.

Dieses hätte auch 2016 stattfinden sollen. Im Rosengarten war bereits alles aufgebaut. Der Amoklauf eines 18-Jährigen im Olympia-Einkaufszentrum, der neun Menschen und am Ende auch sich selbst tötete, stellte alle Pläne auf den Kopf. Wie sich bald herausstellte, besuchte einer der getöteten Jugendlichen die Mittelschule Unterhaching. Ich habe damals lange mit mir gerungen, ob das Kultur-Sommerfest stattfinden solle oder nicht. Letztlich habe ich mich für die Absage entschieden – nicht zuletzt deshalb, weil es gerade kein islamistischer Terrorakt war, ausgeübt von Leuten, die uns vorschreiben wollen, wie wir zu leben haben und die insbesondere nicht wollen, dass wir Feste feiern. Ein »jetzt erst recht« war immer weniger angebracht, je mehr über den Täter und die Hintergründe seiner furchtbaren Tat bekannt wurde. Es blieb nur noch Trauer zurück.

Unruhiges Jahr 2016

Das Jahr 2016 war ein unruhiges Jahr mit vielen beunruhigenden Entwicklungen. Die Flüchtlingskrise erregt weiter die Gemüter. Gefahren drohen von zwei Seiten: Kriminelle Flüchtlinge und als Flüchtlinge getarnte Terroristen stellen unsere Polizei und Justiz vor große Herausforderungen. Zugleich wird die Zahl derer immer größer, die sich politisch radikalisieren und die absurdesten »Nachrichten« für bare Münze nehmen und weiter verbreiten, wenn sie nur ins verquere Weltbild passen.

Im Zusammenhang mit der menschenwürdigen Unterbringung zu uns geflüchteter Menschen gab es im abgelaufenen Jahr auch in Ottobrunn viele Diskussionen. Vor einem Jahr kündigte ich an dieser Stelle an, dass am Kathi-Weidner-Weg die Errichtung von Holzhäusern für bis zu 416 geflüchtete Menschen geplant sei. Mir war damals natürlich klar, dass eine solche Ankündigung – verständlicherweise – große Sorgen und Ängste hervorrufen würde. Andererseits: Was war unter dem Eindruck weiterhin hoher Flüchtlingszahlen die Alternative? Erfreulicherweise entspannte sich die Lage einige Zeit danach wieder. Dies hatte zur Folge, dass auch die Zahlen der von den Kommunen aufzunehmenden Flüchtlinge laufend nach unten korrigiert wurden. Für Ottobrunn beträgt diese Zahl aktuell 376; zu Jahresbeginn waren es noch 572. Tatsächlich leben derzeit gerade einmal rund 80 geflüchtete Menschen bei uns in Ottobrunn; darunter befinden sich 16 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in zwei betreuten Wohngruppen leben.

200 Flüchtlinge in der Kathi-Weidner-Siedlung

Am Kathi-Weidner-Weg ist das ganze Jahr über praktisch nichts passiert. Zwar schloss die Gemeinde mit dem Unternehmen Feel Home, das dort Holzhäuser für Flüchtlinge errichten möchte, im März einen Mietvertrag über einen Teil des alten Flughafengeländes ab. Zu einem Vertrag zwischen dem Landratsamt und Feel Home kam es jedoch erst Ende November. Im Zuge dieser Vereinbarung wurde die dort unterzubringende Personenzahl auf 200 festgeschrieben. Auch wenn die Baugenehmigung noch aussteht, gehe ich fest davon aus, dass die Häuser im ersten Halbjahr 2017 errichtet werden. Mittel- und langfristig liegt die mit der Flüchtlingskrise einhergehende Herausforderung jedoch weniger in der Unterbringung, als in der Integration der geflüchteten Menschen in unsere Gesellschaft. Egal wie ihr rechtlicher Status momentan ist und wie er sein wird – die meisten werden auf Dauer hier bleiben.

Daher ist es wichtig, alles dafür zu tun, dass diese Menschen schnellst- und bestmöglich Deutsch lernen, eine Berufsausbildung machen und eine feste Wohnung finden. Dank hervorragender Bildungseinrichtungen wie unserer bestens aufgestellten Volkshochschule SüdOst bieten der Landkreis München und die Gemeinde Ottobrunn Flüchtlingen hervorragende Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Neuanfang. Integration stellt nicht nur Anforderungen an die Flüchtlinge, sondern auch an uns selbst. Damit Integration gelingen kann, bedarf es Menschen, die offen und unvoreingenommen auf die Flüchtlinge zugehen. Und selbstverständlich müssen sich auch die geflüchteten Menschen uns, den Einheimischen, gegenüber offen und interessiert zeigen und bereit sein, sich in unser gesellschaftliches Leben einzufügen und unsere Werte zu achten.

Hervorragendes Engagement

Erfreulicherweise gibt es in unserer Gemeinde und darüber hinaus viele Menschen, die bereit sind, an dieser gesamtgesellschaftlichen Zukunftsaufgabe aktiv mitzuwirken. Diesen danke ich sehr herzlich. Mein besonderer Dank gilt den vielen Frauen und Männern vom Helferkreis Ottobrunn-Hohenbrunn, die sich in bewundernswerter Weise der Not der Flüchtlinge annehmen, diese unterstützen und so deren Vertrauen gewinnen.

In den hitzigen Diskussionen um die »richtige« Größe der Kathi-Weidner-Siedlung wurde immer wieder die Befürchtung vor Ghettobildung und der Entstehung von Parallelgesellschaften laut. Diese Befürchtungen sind grundsätzlich durchaus berechtigt. »Dezentrale Unterbringung« ist jedoch ein zu schlichtes Gegenkonzept. Effektiv vermeiden lassen sich solche unerwünschten Erscheinungen nur durch viele ehrenamtliche Betreuer und Helfer, die sich in ihrem Engagement auf die Strukturarbeit professioneller Kräfte in den Verwaltungen und bei den freien Trägern der Wohlfahrtspflege stützen können. Deshalb ist die Arbeit des Helferkreises so wertvoll.

Auch die Gemeinde leistet vielfältige Unterstützung bei der Flüchtlingsarbeit. Um hier noch schlagkräftiger agieren zu können, hat der Gemeinderat eine Halbtagsstelle für den Aufgabenbereich »Integration und Soziales« geschaffen. Eine der Hauptaufgaben der neuen Mitarbeiterin besteht darin, in enger Zusammenarbeit mit dem Helferkreis Asyl, den Kirchen, den Vereinen und den Schulen, Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Bürgern und geflüchteten Menschen zu schaffen. Gerade bei anerkannten Flüchtlingen oder solchen mit Bleibeperspektive ist es von entscheidender Bedeutung, dass es gelingt, diese in die diversen Aktivitäten, etwa der Vereine vor Ort, einzubeziehen. Sind die ersten Alltagsbarrieren sowie Vorurteile und Ängste abgebaut, dürften sich auch die Probleme der Arbeits- und Wohnungssuche leichter lösen lassen. Hierbei kann jeder mithelfen.

Wohnungsbau ist das Thema der Zukunft

Eines der weiteren großen Themen, die uns noch lange beschäftigen werden, ist die Bekämpfung der Wohnungsnot. Ottobrunn ist bekanntermaßen weitgehend zugebaut. Gleichwohl sind immer noch Baurechtsreserven vorhanden, die zunehmend genutzt werden. Die Folge: Die Ottobrunner Bevölkerung wächst: 21.295 Einwohner verzeichnete Ottobrunn Ende 2015.

Immer wieder werden Klagen an mich herangetragen, dass in Ottobrunn leider alles zugebaut worden sei und werde. Könne damit nicht endlich Schluss sein? Dem kann ich insoweit zustimmen, als aus Sicht des Gemeinderats und auch aus meiner persönlichen Sicht die Wälder und Waldstreifen sowie unsere zahlreichen Grünanlagen und Bolzplätze für eine Bebauung tabu sind. Zugleich bekenne ich mich ausdrücklich – und auch hier spreche ich für die überwiegende Mehrheit des Gemeinderats – zu einer Politik der moderaten, städtebaulich verträglichen Nachverdichtung, also der Schaffung von zusätzlichem Baurecht zur Schaffung von Wohnraum.

Derzeit sind drei Bebauungsplanverfahren anhängig, die die Errichtung von insgesamt 68 Wohnungen zum Ziel haben. In jedem der drei Planvorhaben sichert sich die Gemeinde ein Belegungsrecht für einen Teil der Wohnungen zu einem preisgünstigen Mietzins. Auf diese Weise soll Geringverdienern zu bezahlbarem Wohnraum verholfen werden. Meine Hoffnung ist aber auch, dass ältere Ottobrunner Bürger, deren Kinder aus dem Haus sind, ihre zu groß gewordenen Häuser mit Garten an junge Familien vermieten oder verkaufen und selbst in eine der neu entstehenden Wohnungen ziehen. Wäre das nicht für alle Beteiligten ein Gefühl wie Weihnachten?

Zum Ende eines Jahres gilt es vielen zu danken: den Mitgliedern des Gemeinderats für die gute, am Wohl aller Bürgerinnen und Bürger ausgerichteten Zusammenarbeit; allen, die sich in der Freiwilligen Feuerwehr, den Rettungsdiensten, im Hospizkreis, in der AWO-Nachbarschaftshilfe, in den beiden KlAWOtten, in den Kirchengemeinden und in den Vereinen, insbesondere den Sportvereinen, in vielfältiger Weise für ihre Mitmenschen einsetzen.

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich im Namen des Gemeinderates und der Gemeindeverwaltung, aber auch persönlich ein besinnliches und friedliches Weihnachtsfest und für 2017 alles erdenklich Gute, vor allem Gesundheit und Zufriedenheit!

Ihr Thomas Loderer,
Erster Bürgermeister

Artikel vom 12.12.2016
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