Zeit zum Spielen

München · Spiele-Juror Chris Mewes weiß, was ein Spiel können muss

Spielen ist in. Bei den Karlsfelder Spieletagen am vergangenen Wochenende waren die Spieltische praktisch durchgehend besetzt.	Foto: Spieletreff Karlsfeld

Spielen ist in. Bei den Karlsfelder Spieletagen am vergangenen Wochenende waren die Spieltische praktisch durchgehend besetzt. Foto: Spieletreff Karlsfeld

München · München spielt. Nicht nur zur Spielwiesn Anfang November, nicht nur wenn Weihnachten vor der Tür steht, aber dann eben besonders oft, viel und gerne. Seit »Die Siedler von Catan« hat das klassische Gesellschaftsspiel eine ungeahnte Renaissance erlebt.

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Artikel vom 02.12.2016: Samstagsblatt-Redakteur Carsten Clever-Rott über die heimliche Spielehauptstadt

Das Spiel wurde 1995 zum Spiel des Jahres gewählt, die wahrscheinlich renommierteste Auszeichnung für Spiele in Deutschland – ganz klar ein Kaufkriterium und für Spielekäufer eine Art Qualitätssiegel. Einer, der damals noch nicht an der Entscheidung beteiligt war, ist Chris Mewes aus Aschheim. Er gehört seit 2001 der Jury »Spiel des Jahres« an und hat für alle, die darüber nachdenken, zu Weihnachten ein Spiel zu verschenken, einige hilfreiche Tipps.

»Ein gutes Spiel muss die Spieler hineinziehen und es muss einen hohen Wiederspielwert haben.« So weit, so gut, aber wie kriegt man das raus? Beratung im Fachhandel, Internet – das ist ja gut und schön, aber am meisten erfährt man über ein Spiel, wenn man es selbst schon gespielt hat. Dafür muss man sich die Spiele nicht alle kaufen. In München und Umgebung gibt es gleich mehrere Spieleclubs, bei denen man kostenlos und unverbindlich mitspielen kann.

Vorreiter sind die Spuiratz’n München e.V. Gegründet 1977, spielen die Spuiratz’n seit 1996 alle zwei Wochen freitags ab 18 Uhr im Wirtshaus zum Isartal in Sendling, das nächste Mal am 16. Dezember. Weitere wichtige Adressen für Spielefans sind das Haarer Spiele-Archiv mit seinen Spieleabenden zweimal im Monat, das nächste Mal am Dienstag, 13. Dezember, ab 19 Uhr, im Bürgerhaus Haar. Ebenfalls dienstags kommt der Aschheimer Spieletreff zusammen, abwechselnd zu den Haarer Terminen. Hier ist der nächste Termin am 6. Dezember, um 19.30 Uhr, in der Segenskirche Aschheim.

2005 hat sich im Münchner Norden ein Spieletreff etabliert. Dominik und Andreas Trieb organisieren die Abende alle zwei Wochen im Kulturhaus Milbertshofen, dritter Stock. Gespielt wird freitags, das nächste Mal am 9. Dezember, jeweils von 18 bis 23 Uhr. Etwas »länger im Geschäft« ist der Karlsfelder Spieletreff, der vergangene Woche seine 19. Spieletage, in etwa eine kleine »Spielwiesn«, ausgerichtet hat. Die Karlsfelder treffen sich immer am ersten und dritten Donnerstag eines Monats um 19.30 Uhr im Gemeindehaus der Korneliuskirche. Nächster Termin hier ist der 15. Dezember.

Nicht zuletzt etabliert sich derzeit ein Spieletreff an der TU in Garching. Er findet montags ab 18 Uhr in der MI-Magistrale (Mathematik und Informatik) unter der Leitung von Michael Wang statt. Zu all diesen Terminen darf jeder kostenlos, unverbindlich und ohne Voranmeldung vorbeikommen und mitspielen. In Aschheim kann man den »Spiel des Jahres«-Juror Chris Mewes auch persönlich kennenlernen. Der frühere Projektleiter ist bereits seit Jahrzehnten leidenschaftlicher Gesellschaftsspieler. Dabei hat er eine Erfahrung gemacht, die viele andere sicher auch kennen: »Wenn die Anleitung zu lang ist, ist der Spielspaß dahin.«

Es empfehle sich, wenn sich vor einer Spielrunde einer der Beteiligten schon mit der Anleitung beschäftigt hat und die Regeln in eigenen Worten wiedergeben kann. Mit anderen Worten: Ein Spiel zu verschenken, das man selbst kennt, verringert die Gefahr, dass das Geschenk nicht ankommt. Chris Mewes ist nun einer, der weiß, was ein gutes Spiel ausmacht. Hunderte, wenn nicht tausende Spiele hat er gespielt und getestet. Weil die Auszeichnung »Spiel des Jahres« immer im Juli vergeben wird, ist er als Juror jetzt bereits mit den Spielen für den Preis 2017 beschäftigt, während sich die Verlage jetzt im Weihnachtsgeschäft über die Auszeichnung freuen können, denn die Spiele des Jahres sind in der Regel sträker nachgefragt. In diesem Jahr sind das »Codenames«, »Isle of Skye« (Kennerspiel des Jahres) und »Stone Age Junior« (Kinderspiel des Jahres).

Der Wiederspielwert ist das Kriterium, auf dass die Brett- und Kartenspieler üblicherweise großen Wert legen. Wenn der erste Durchgang Lust auf die nächste Runde macht, haben Autor, Redakteur, Grafiker und Verleger eines Spiel schon vieles richtig gemacht. Dabei sollte die Anleitung einfach und nicht zu komplex sein. »Nach der zweiten Runde muss es laufen«, meint Mewes.

Daran orientieren sich er und seine acht Jury-Kollegen bei der Auswahl zum Spiel des Jahres. Sie verteilen sich über ganz Deutschland, zwei kommen aus Österreich und der Schweiz. »Wir sind gut vernetzt und tauschen uns regelmäßig aus«, gibt der Aschheimer Einblick in die Arbeit der Juroren. Zwischen fünf- und 15-mal spiele er jedes Spiel, immer in verschiedenen Gruppierungen, denn ein Spiel, das mit vier Leuten eine richtig spannende Dynamik entwickeln kann, ist für zwei Spieler nicht automatisch gleich gut geeignet. Mitspieler findet Mewes eher nicht in der eigenen Familie. »Meine Familie hat sich früh ausgeklinkt«, berichtet er. Kann halt nicht jeder so ein Spiele-Freak sein. Ersatzweise dienen die Spieletreffs in Haar und Aschheim, private Spielegruppen und eine Journalisten-Spielerunde als »Mit-Tester«.

Im Laufe der Monate werden die Empfehlungslisten reduziert. Im Mai geht’s dann in Klausur: »Wir schließen uns mehrere Tage in einem Hotel ein und reduzieren die Liste auf jeweils drei Nominierungen.« Die endgültige Wahl findet dann in der Nacht vor der Pressekonferenz statt, bei der die Entscheidung bekanntgegeben wird. Nachdem vor einigen Jahren der Preisträger vorab bekannt wurde, hat sich der Verein Spiel des Jahres auf dieses Verfahren verständigt.

Die Jury hat seit 1979 oft ein Verständnis für gute Spiele bewiesen. So gehören Hase und Igel (1979), Rummikub (1980) und Sagaland (1982) heute zu den Klassikern. Spiele wie Scotland Yard (1983), Café International (1990) und natürlich Die Siedler von Catan erscheinen geradezu zeitlos und werden heute noch so gerne gespielt wie am ersten Tag. Ein Lieblingsspiel hat Chris Mewes nicht. »Fast alle je nominierten Spiele kann ich immer wieder spielen, ich hole allerdings am liebsten Spiele wie Zug um Zug (Spiel des Jahres 2004) oder Splendor (nominiert 2014) auf den Tisch, denn da ist meine Familie auch voll dabei.«

Seit kurzem kommen Spiele auf den Markt, die das Kriterium »Wiederspielwert« nicht erfüllen können, aber dennoch ihre Fans haben. Dabei handelt es sich um Spiele nach dem Legacy-Prinzip. Man kann sie nur einmal spielen und muss im Spielverlauf Rätsel lösen. Es gibt sogar Spiele, in deren Verlauf Teile des Spielmaterials zerstört oder zumindest »verbraucht« werden, sodass man das Spiel nicht mal weitergeben kann. »Pandemic Legacy« gehört dazu, während »Time Stories« immerhin verschiedene Abenteuer mit neuen Rätseln kennt, die man nachkaufen und mit dem Grundspiel neu spielen kann.

Auf genial-einfache Weise hat es der tschechische Spieleautor Vlaada Chvátil geschafft, ein unterhaltsames Spielprinzip in eine kleine Box zu packen. Drauf steht »Code­names«, Spiel des Jahres 2016. »Das trifft genau meinen Spielenerv«, gesteht Chris Mewes. Er schätzt das konstruktiv-kommunikative Element des Spiels. Um zum Erfolg zu kommen, muss man miteinander kommunizieren und kann dabei viel Spaß haben. »Das macht ein gutes Spiel aus!« Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 02.12.2016
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