Wenn Sterben dauert...

Aus dem Alltag der Hospizgruppe »Wegwarte« Unterschleißheim

Sie hören zu und haben immer ein liebes Wort, vor allem in der schwersten Stunde: die Mitglieder der Hospizgruppe »Wegwarte« Unterschleißheim.	Foto: ch

Sie hören zu und haben immer ein liebes Wort, vor allem in der schwersten Stunde: die Mitglieder der Hospizgruppe »Wegwarte« Unterschleißheim. Foto: ch

Unterschleißheim · Ein paar Gedanken vorab: Die Vorweihnachtszeit bedeutet für viele Menschen unheimlich Stress. Da müssen Geschenke besorgt und sich Gedanken um den Festtagsbraten gemacht werden. Zeit, die Uhr mal anzuhalten und sich auf das Wesentliche zu besinnen...

»Den, der zu sterben wünscht, läßt der Tod niemals im Stich«, sagte einst der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca.
Doch das Sterben kann dauern, Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre, wenn Menschen alt oder unheilbar krank sind. In der letzten Phase ihres Lebens brauchen sie Pflege und Fürsorge und ihre Angehörigen oft mal einen guten Rat oder ein offenes Ohr.

Die Mitglieder der Hospizgruppe »Wegwarte« Unterschleißheim – eine Regionalgruppe der Internationalen Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand (IGSL-Hospiz e.V.) mit Sitz in Bingen – haben sich die Sterbe- und Trauerbegleitung zur Aufgabe gemacht. Ehrenamtlich. Sie besuchen Schwerstkranke oder Sterbende im örtlichen Seniorenheim und zu Hause. Die ausgebildeten Hospizbegleiterinnen und -begleiter wollen die professionelle Pflege und Versorgung ergänzen und arbeiten dabei eng mit Haus- und Fachärzten sowie mit Pflegediensten und Seelsorgern zusammen. Auf Wunsch vermitteln sie palliative Beratung.

Hospize früher und heute

Hospize waren früher Unterkünfte für Reisende, Bedürftige, Kranke und Sterbende. Im Mittelalter wurden Pilger und Sterbende gemeinsam untergebracht, denn Leben und Sterben sind unzertrennlich. Nach den Kriegen wollte dann niemand mehr etwas von Tod und Sterben hören. So wurden Kranke und Sterbende den Ärzten und Pflegenden überlassen und man grenzte sie damit aus. Sie wurden in sogenannte »Sterbezimmer« verdrängt. »Ein sozialer Tod bevor der körperliche folgte«, heißt es. Die Ärztin Cicely Saunders erlebte dies in ihrem klinischen Alltag selbst und versuchte in der Gesellschaft zu etablieren, dass mit Kranken und Sterbenden würdevoll umgegangen werden sollte – die Erneuerung der Kultur des Sterbens. Auf diese Weise wurde das Hospizkonzept neu belebt.

Die Hospizgruppe »Wegwarte« wurde im Jahr 2000 in Unterschleißheim gegründet. Die drei engagierten Frauen Dorit Huber (die noch heute in der Gruppe aktiv ist), Hanna Dornhöfer-Takenaka und Brigitte Scholle hatten sich bei der Ausbildung zur Hospizhelferin in Freising kennengelernt und den Entschluss gefasst, eine Hospizgruppe in Unterschleißheim zu gründen. In den Räumen der Nachbarschaftshilfe Unterschleißheim an der Alexander-Pachmann-Straße 40 ist die Gruppe seit seiner Gründung beheimatet. Im Jahr 2004 trat die Gruppe der Arbeitsgemeinschaft Hospiz des Landkreises München bei.

Hildegard Gresser leitete die Gruppe von 2003 bis 2015. Seitdem hat Pina Lang die Leitung inne, Diethart Zimmermann ist ihr Stellvertreter, Gaby Wolf die Schriftführerin und Schatzmeisterin und Lissy Meyer die Einsatzleitung.

Aktuell zählt die Hospizgruppe »Wegwarte« 64 Mitglieder, davon sind ein Hospizbegleiter und 18 Hospizbegleiterinnen aktiv. Die Hospizbegleiterinnen und -begleiter haben eine viermonatige Ausbildung und ein zehnstündiges Praktikum absolviert. Im vergangenen Jahr hatte die Gruppe 26 Begleitungen. Die Einsatzdauer schwanke sehr stark, von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Doch wie läuft eine solche Begleitung ab? Die Anfrage wird entweder vom Pflegeheim oder von privat gestellt. Wenn diese eintrifft, wird zunächst von der Einsatzleitung mit dem Betroffenen und/oder den Familienangehörigen und eventuell auch der Wohnbereichsleitung abgesprochen, welche Hilfe gewünscht oder benötigt wird, berichtet Pina Lang. Dann entscheide die Einsatzleitung, welcher Hospizbegleiter zur Verfügung steht und für den individuellen Fall geeignet ist. Im Anschluss daran erfolge die gemeinsame Vorstellung beim Betroffenen. »Wenn alle Voraussetzungen passen, beginnt die Begleitung.«

Alle Besuche werden dokumentiert. Bei Bedarf steht dem Hospizbegleiter die Einsatzleitung mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus findet einmal im Monat ein Gruppenabend zur Aussprache statt, bei dem die Mitglieder ihren Gedanken freien Lauf lassen können. Außerdem gibt es drei- bis viermal im Jahr eine professionelle Supervision, eine Form der Beratung für Mitarbeiter. Im Sterbefall wird der Hospizbegleiter informiert. Auf Wunsch können Hinterbliebene weiter begleitet werden, wie im Trauercafé »Animus« in Unterschleißheim. Was man mitbringen sollte, um Hospizbegleiter zu werden? »Zeit und Geduld«, sagt Lang. Die Hospizbegleiter kamen mit ganz unterschiedlichen Motiven zur Gruppe, viele haben selbst Schicksale in ihren Familien und wollen nun anderen helfen. Ihr Lohn: die Dankbarkeit der Sterbenden und seiner Angehörigen. »Man bekommt so viel zurück. Ich habe es nie bereut«, resümiert Lang.

Ende 2015 wurde das neue Hospiz- und Palliativgesetz verabschiedet, welches beinhaltet, den Ausbau der ambulanten Hospiz- und Palliativarbeit zu fördern. Demzufolge könne jeder Patient am Lebensende ambulante Sterbebegleitung in Anspruch nehmen. Für die Bewältigung dieser Aufgaben bedarf es künftig einer Koordinatorin. »Die Gründung eines Netzwerkes ›Hospiz- und Palliativversorgung in Unterschleißheim‹ ist unseres Erachtens für die Zukunft erstrebenswert«, heißt es abschließend von der Gruppe.

Wer sich ebenfalls für eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Hospizgruppe interessiert oder mehr darüber erfahren möchte, findet unter www.hospizgruppe-unterschleissheim.de nähere Details. Christine Henze

Artikel vom 30.11.2016
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