Handwerk in Sorge

München · »Blaue Plakette« würde viele Existenzen bedrohen

Über die Konjunktur kann sich das Handwerk derzeit nicht beschweren. In  Sachen Dieselfahrzeuge vergeht aber vielen das Lachen. 	Foto: P.H.

Über die Konjunktur kann sich das Handwerk derzeit nicht beschweren. In Sachen Dieselfahrzeuge vergeht aber vielen das Lachen. Foto: P.H.

München · Gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt: »Die oberbayerische Handwerkskonjunktur hat weiter an Fahrt aufgenommen«, verkündete Handwerkskammervizepräsident Franz Xaver Peteranderl soeben, die gute Stimmung der Verbraucher, die maßgeblich von der stabilen Arbeitsmarktsituation und steigenden Löhnen getragen wird, halte an und sorge auch bei den Betrieben für gute Laune.

Mehr noch: »Trotz der Brexit-Unsicherheit gehen wir davon aus, dass die starke Binnenkonjunktur das Handwerk in Verbindung mit steigenden staatlichen Ausgaben durch das gesamte Jahr tragen wird«, so Peteranderl weiter, »wir erwarten ein nominales Umsatzwachstum von mindestens 2,5 Prozent. Bei der Beschäftigung rechnen wir mit einem Plus von 0,9 Prozent, die Investitionen dürften um drei Prozent zulegen.«

Das sind jede Menge ganz hervorragender Nachrichten also und damit alles in Butter beim Handwerk und mit der gesamten Konjunktur? Leider nicht ganz. Laut einer aktuellen Sonderumfrage der Handwerkskammer sehen sich 31 Prozent der oberbayerischen Handwerksbetriebe in ihrer Existenz bedroht. Der Grund ist die im Raum stehende Einführung einer so genannten »Blauen Plakette«. Sie besagt, dass auf mittlere Sicht nur noch gering emittierenden Benzin-, Elektro- und Hybridfahrzeugen sowie Dieselfahrzeugen mit geringfügigen Emissionen die Einfahrt in belastete Gebiete gestattet werden. Und damit also auch in die Landeshauptstadt München.

»Das ist starker Tobak für unsere Betriebe«, kommentiert Franz Xaver Peteranderl die Sorgen des Münchner und oberbayerischen Handwerks. Denn eine blaue Plakette würde laut ADAC rund 13 Millionen Dieselfahrzeuge aus den Innenstädten aussperren und damit rund 90 Prozent des gesamten Bestands.

»Nicht auf dem Schirm scheinen Umweltverbände und Politik zu haben, dass dem Handwerk nach wie vor keine praxistauglichen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zu Benzin oder Diesel zur Verfügung stehen, die die Kriterien eines geeigneten Handwerkerfahrzeugs in der Gewichtsklasse zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen erfüllen«, kritisiert der Vizepräsident weiter.

Dieselfahrzeuge spielen für 79 Prozent der Handwerker eine ganz zentrale Rolle im betrieblichen Alltag. Entweder fahren sie selbst damit oder ihre Kunden bzw. Lieferanten sind zwingend darauf angewiesen. Im Bauhaupt- und im Ausbaugewerbe erreicht die Quote der Dieselfahrzeuge sogar 90 Prozent und mehr.

Gerade der Landeshauptstadt München kommt bei der Leistungserbringung der oberbayerischen Handwerksbetriebe eine besondere Bedeutung zu.

Daher träfe eine Verschärfung der Einfahrverbote drei von vier oberbayerische Betriebe unmittelbar, weil sie in die Umweltzonen Waren und Dienstleistungen liefern beziehungsweise von dort beziehen. Ganz zu schweigen, von weiteren Unternehmen wie etwa Umzugsfirmen.

Somit überrascht es nicht nur, dass sich besagte 31 Prozent der befragten Handwerksbetriebe bei Einführung eines sofortigen Diesel-Einfahrverbotes in die Münchner Umweltzone in ihrer Existenz bedroht sehen. Weitere 31 Prozent müssten zumindest deutliche Umsatzeinbußen verkraften, die, je nach Betrieb, auch mit Entlassungen des Personals kompensiert werden müssten. Besonders dramatisch stellt sich die Situation für die direkt in München beschäftigten Handwerker dar: In der Bayerischen Landeshauptstadt stünde jeder zweite Betrieb vor dem Aus!

Auch nach ihrer Einschätzung zu Übergangsfristen vor der Einführung eines Diesel-Einfahrverbotes wurden die Betroffenen befragt. Zwei von drei Betrieben gaben dabei an, eine Modernisierung ihres Fuhrparks sei innerhalb von zwei Jahren gar nicht finanzierbar. Ein Drittel der Betriebe glaubt auch gar nicht daran, dass die Industrie überhaupt so schnell saubere Fahrzeuge oder Nachrüstungen zur Verfügung stellen kann, wie gefordert.

Gerade für mittlere Unternehmen mit fünf bis neun tätigen Personen würde eine schnelle Umstellung zum Problem: in dieser Größenklasse wird die Fuhrparkmodernisierung für 80 Prozent der Betriebe nicht finanzierbar sein. Die gerne propagierten Lastenfahrräder dürften hier jedenfalls keine Lösung sein, zumal bei schlechten Wetterverhältnissen. »Bis zur Schaffung annehmbarer Alternativlösungen sind weitreichende Ausnahmeregelungen für unsere Betriebe erforderlich, um auch weiterhin innerstädtisches Leben zu ermöglichen«, fordert Franz Xaver Peteranderl deshalb. Vielleicht wäre hier eines der beliebtesten Mottos der Landeshauptstadt München gefragt: »Maß halten.«

Artikel vom 09.08.2016
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