Es wird weitergeschraubt

G9 soll an allen bayerischen Gymnasien möglich sein

München · Und jetzt? Weg mit dem G8 und wieder neun Jahre Gymnasium? Die Tendenz geht dahin, zumindest in den westdeutschen Bundesländern, die das G9 staatstragend beerdigt hatten, um auch (west-)deutschen Schülern einen früheren Einstieg in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen – so wie es andere Länder den rückständigen Deutschen vorgemacht haben.

Hierzulande wurde der Lehrplan weniger verschlankt als viel mehr neu aufgeteilt. Mit der Konsequenz, dass die Schülerinnen und Schüler praktisch den gleichen Stoff einpauken mussten, dafür aber ein Jahr weniger Zeit hatten. Dabei ging viel Freizeit drauf, während die gute Miene zum bösen Spiel bei Schülern, Eltern und Lehrern kaum verborgen werden konnte.

Inzwischen ist Zeit ins Land gegangen und in den westdeutschen Bundesländern hat sich fast vollständig das G9 durchgesetzt, während in den Bundesländern auf dem Gebiet der ehemaligen DDR weiter das G8 gilt. Da kam es ja schließlich auch her, hat man seinerzeit im sozialistischen Osten doch die Hochschulreife nach dem zwölften Schuljahr erwerben können.

Wehe dem, der jetzt behauptet, im Westen seien sie wohl zu blöd dafür. Eine ganze Schülergeneration ist an dem Versuch verzweifelt, das Turbo-Abi zu machen. Viele haben es zwar geschafft, aber um welchen Preis? Und nach dem Reifezeugnis haben dann auch viele erst mal ein Jahr Auszeit gebraucht, mit der Konsequenz, dann doch wieder »wie früher« in den Lehrbetrieb oder an die Hochschule zu kommen.

Martin Güll befürchtet, G9 wird in München nicht möglich sein

Mit der Unzufriedenheit wuchs auch die Kritik am G8. Da macht Bayern keine Ausnahme. In einem allerdings dann doch wieder: Eine Rückkehr zum G9 ist nicht vorgesehen. Das war zumindest lange die Linie der Staatsregierung. Stattdessen wurde zum Schuljahr 2015/16 die Mittelstufe plus eingeführt. 47 Gymnasien in Bayern haben daran teilgenommen. Demnach können die Schüler wählen, ob sie eine Mittelstufenzeit von drei Jahren absolvieren möchten (Klassen 7, 8 und 9) oder von vier Jahren (Klassen 7, 8, 9 und 9 plus). Knapp 60 Prozent der Schüler nahmen im vergangenen Schuljahr die Option auf Mittelstufe plus in Anspruch.

Mit anderen Worten: In Bayern existiert neben dem offiziellen G8 noch ein »Quasi-G9«. Seit der Kabinettsklausur vor wenigen Tagen dürfen Gymnasien ab 2018 auch das G9 wieder anbieten, nicht mehr nur die 47 Modellschulen. Das aber bereitet den Schulen Probleme. Mit einer solchen Ausgangssituation ist nämlich nicht gut planen.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Martin Güll, kann sich mit der Entscheidung, künftig in Bayern flächendeckend G9-Züge zuzulassen, grundsätzlich aber am G8 festzuhalten, nicht anfreunden. Früher musste er sich als Schulrektor mit der bayerischen Bildungspolitik auseinandersetzen, heute als Mitglied der Opposition im Landtag. Die bayerischen Landräte hätten nicht ohne Grund vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass die kommunalen Schulträger, die die Räume bereitstellen müssen, Planungssicherheit bräuchten, erinnert der SPD-Politiker. Besonders in den Städten und deren Umland seien die Gymnasien voll. »Deshalb benötigen die Kommunalparlamente jetzt eine klare Ansage, ob sie Platz für ein G8 oder ein G9 bereithalten müssen«, fordert Güll, der auch Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bayerischen Landtag ist. Die CSU-Entscheidung führe dazu, dass Gymnasiasten in München vermutlich nie ein G9 besuchen können, weil die Schulleiter aus Raumgründen das gar nicht anbieten können. Güll: »Es kann doch nicht sein, dass es das G9 nur dann gibt, wenn zufällig Platz ist.«

G9 auf Basis der Mittelstufe plus werde von allen Experten für wenig zukunftsweisend erachtet. »Es gibt eine breite Mehrheit für ein G9«, erklärt der SPD-Bildungsexperte.

Güll geht davon aus, dass die Frage über G8 oder G9 zum Wahlkampfthema wird. Im Herbst 2018 wird in Bayern der Landtag gewählt. Wenn die Staatsregierung nicht klare Kante zeigt und sagt, wo’s langgeht, wird die Opposition Druck machen. cr

12 oder 13 Jahre? Der Weg zum Abitur hat sich gewandelt

Die Dauer zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife hat sich in Deutschland zwar oft verändert, doch im Grunde ging es immer nur um eine Frage: 12 Jahre Schulzeit oder doch 13?

Nach dem ersten Weltkrieg wurde im Deutschen Reich das neunjährige Gymnasium eingeführt. 1936 haben die Nationalsozialisten diese Zeit zum Abitur um ein Jahr verkürzt.

Nach dem zweiten Weltkrieg blieb es in der DDR beim insgesamt zwölfjährigen Weg bis zum Abitur. Die Bundesrepublik kehrte allgemein zum Abitur nach 13 Schuljahren zurück.

Nach der Wiedervereinigung 1990 führten auch die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt das »G9« ein. Thüringen und Sachsen schlossen sich nicht an.

Ab 2003 sollte bundesweit das Abitur nach zwölf Schuljahren möglich sein. Die ersten Jahrgänge machten 2007 (Sachsen-Anhalt), 2008 (Mecklenburg-Vorpommern) und 2009 (Saarland) ihr Abitur. Rheinland-Pfalz führte das G8 nicht pauschal ein, sondern nur als Modellversuch an 19 Ganztagsschulen.

In Schleswig-Holstein wurde inzwischen an 15 Gymnasien die Rückkehr zum G9 ermöglicht, in Bremen gilt das G8 nur an Gymnasien, an Oberschulen gibt es wieder G9, Niedersachsen hat die Rückkehr zum G9 bereits komplett vollzogen, in Hessen gibt es seit dem Schuljahr 2013/14 Wahlfreiheit.

Artikel vom 03.08.2016
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