Mit Ecken und Kanten

Erding · Landrat Martin Bayerstorfer wird 50

Er ist ein eloquenter Redner, aber er kann auch zuhören: Martin Bayerstorfer am 27. April bei der Bürgerversammlung in Steinkirchen im Holzland. 	Foto: kw

Er ist ein eloquenter Redner, aber er kann auch zuhören: Martin Bayerstorfer am 27. April bei der Bürgerversammlung in Steinkirchen im Holzland. Foto: kw

Erding · Er repräsentiert diesen Landkreis wie kaum ein anderer: Er ist jung, dynamisch, gut gebildet, fleißig.

Mit gerade mal 50 Jahren einer der profiliertesten Landräte des Freistaates zu sein, das will was heißen. Wer jetzt beim Lesen kurz ins Stocken geraten ist: Ja, Martin Bayerstorfer ist 50 Jahre alt. Seit heute. Er macht Politik. Und er eckt an. Das ist bekannt. Wer viel aneckt, dessen Ecken und Kanten werden irgendwann rund geschliffen. Aber Martin Bayerstorfer, so scheint es, sucht die Auseinandersetzung. Und er bekommt sie. In der Frage des richtigen Umgangs mit den Flüchtlingsströmen läuft er immer wieder zu großer Form auf.

Die bisher stärkste Szene: Bundesinnenminister Thomas de Maizière besucht den – inzwischen wieder vorläufig aufgehobenen – Warteraum Asyl auf dem Fliegerhorstgelände. Die Messer, in die der Bundespolitiker da lief, die waren lang. Bayerns Innenminister Joachim Hermann hat sie gesehen, den Bundesminister aber nicht vorgewarnt, stand nur grinsend daneben, wie der frühere Bundesverteidigungsminister in die Falle tappte.

Was ist mit den Tausenden, die völlig unregistriert durch das Lager geschleust werden, um dann irgendwo zu verschwinden? Was ist mit den unbegleiteten Minderjährigen? Ist das hier alles baurechtlich überhaupt zulässig? Das wollte Martin Bayerstorfer wissen. Seine Fragen? Blieben zum Teil bis heute unbeantwortet und brachten den Erdinger Landrat schlagartig in die Talkshows.

Er kommt aus dem hintersten Zipfel des Landkreises, einem kleinen Dorf im Holzland: Hohenpolding. Dort wurde er 1990, mit 24 Jahren, einer der jüngsten Bürgermeister des Landkreises, machte sich einen Namen, brachte »seine« Holzlandgemeinde voran, jene Gemeinde, die jetzt auch wieder hoffend zu »ihrem« Martin Bayerstorfer ins Landratsamt schaut, wenn es um die aus ihrer Sicht drohende B15neu geht.

Das Erdinger Holzland liebt er. Seine Familie lebt auch heute noch dort. Zusammen mit seiner Frau hat er drei Kinder. Bayerstorfer ist Landwirtschaftsmeister und steht nicht im Telefonbuch. Da steht noch der Betrieb seiner Eltern. Betriebsleiter aber ist der Herr Landrat. »Der schafft alles an«, erzählte sein Vater heimlich der Redaktion des »Kurier Erding«. Bei einem Betrieb von knapp 600 Tagwerk heißt das was. Aber dann wird vom Bulldog in den Dienstwagen mit Fahrer gewechselt, wenn er »amtlich« werden muss.

Seine »Grußworte« bei Bürgerversammlungen sind bei Medienvertretern inzwischen berüchtigt, denn Bayerstorfer schafft es immer wieder, den jeweiligen Bürgermeister zu schlagen, was den Zeitbedarf angeht. Dann weiß man: Er ist mal wieder angeeckt, muss sich erklären. Und das macht er dann und macht es ausführlich. So wie zuletzt wieder bei der Flüchtlingspolitik.

Jetzt hat er eine Bezahlkarte eingeführt, um Geldströme ins Ausland einzudämmen, die Sicherheit zu verbessern, und die Helferkreise stehen kopf. Dabei ist die Flüchtlingspolitik aber auch das Feld, auf dem er am meisten hat einstecken müssen, wo er am häufigsten hat zurückrudern müssen. Es gab die Zeit, da hat er keine Ehrenamtlichen in die Unterkünfte lassen wollen. Diese Zeiten sind gründlich vorbei. Heute vergeht keins dieser leistungsgesteigerten Grußworte, ohne dass er ein freundliches Wort zu eben diesen Ehrenamtlichen findet. Er hat seine harte Linie verlassen müssen und doch konnte er das Image das Hardliners beibehalten. Er ist enorm lernfähig, schafft es immer wieder, in solchen politischen Sackgassen zu wenden, ohne Schaden zu nehmen. Dann gibt er wieder Vollgas, um prompt wieder irgendwo kräftig anzuecken. Stichwort: Geldkarte.

Aber er weiß auch, wann es diplomatisch besser ist, sich zurückzunehmen: Wer politisch vorn dran steht, der hat auch Widersacher.

Der profilierteste unter ihnen: Rainer Mehringer, Kreisvorsitzender der Freien Wähler und als Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung mit einer gewaltigen Hausmacht ausgestattet. Der Versuch, Mehringer aus dem Amt zu drängen, scheiterte kläglich, und Bayerstorfer, nebenbei auch noch Kreisvorsitzender der CSU, musste die Wahlen, aus denen Mehringer gestärkt hervorging, leiten. Er konnte das, ohne dass man ihm irgendetwas anmerkte. Politische wie menschliche Größe erkennt man eben auch daran. kw

Artikel vom 27.05.2016
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