Sturm über Zorneding

Der Rücktritt des Ortspfarrers erschüttert die Gemeinde

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiede übernahm im Sommer 2012 die Seelsorge in Zorneding.	Foto: privat

Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiede übernahm im Sommer 2012 die Seelsorge in Zorneding. Foto: privat

Zorneding · »Ein drecks Nazikaff!« »Dorf voller Rassisten«. »Braunes Nest«. »Zorneding das Freital oder Clausnitz von Bayern.« Solche Aussagen und Schmähungen waren dieser Tage auf unserer regionalen Ortsseite von Zorneding auf Facebook zu lesen.

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Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen? Auslöser des »Shitstorms« ist der am Sonntag beim Gottesdienst angekündigte Rücktritt des aus Kongo stammenden Pfarrers Olivier Ndjimbi-Tshiede wegen rassistischer Anfeindungen und Morddrohungen. Die Drohbriefe und Postkarten enthielten widerliche Zeilen wie »Ab mit dir nach Auschwitz«, und »nach der Vorabendmesse bist du fällig!« Insgesamt soll es sich um fünf konkrete Morddrohungen handeln, berichten die Medien. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung gegen unbekannt. Ob die rechtsextremen Hetzer aus der Gemeinde selbst stammen, ist noch unklar. Die Entscheidung des 66-jährigen Seelsorgers sorgt deutschlandweit für Empörung und Entsetzen bis in die höchste politische Ebene. Bereits am Montag erhielt der scheidende Seelsorger eine Solidaritätsbekundung vom Landrat Robert Niedergesäß (CSU) mit Unterschriften aller 21 Bürgermeister aus dem Landkreis: »Wer andere mit dem Tod bedroht, handelt kriminell. Das hat mit Politik nichts zu tun. Das ist blinder Rassismus. Ich hoffe sehr, dass möglichst bald aufgeklärt wird, wer dahinter steckt. Der Schaden, der hier angerichtet worden ist, ist groß. Mein ­Mitgefühl gilt Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende für das, was er erleben musste«, erklärte Niedergesäß Anfang der ­Woche. »Auch die Zornedinger Kirchengemeinde trifft das alles schwer, sie verliert einen angesehenen und beliebten Seelsorger.« Zweifellos leidet die Gemeinde Zorneding derzeit unter einem gewaltigen Imageproblem und kommt einfach nicht aus den negativen Schlagzeilen raus.

Angefangen hatte die Negativserie bereits im letzten Herbst, als die damalige CSU-Ortsvorsitzende Sylvia Boher im »Zorn­eding Report« von einer »Invasion« von Flüchtlingen sprach, die mit einer groben Vernachlässigung »der eigenen Bürger« einher gehe. Ndjimbi-Tshiede übte daraufhin deutliche Kritik an diesen Aussagen, worauf ihn Bohers damaliger Stellvertreter Johann Haindl (»Der muss aufpassen, dass ihm der Brem (Altpfarrer von Zorneding) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger«) eine unmissverständliche Warnung aussprach. Der Skandal war perfekt. Nach dem Rücktritt von Boeher und Haindl aufgrund der öffentlichen Drucks und aus der CSU-Parteispitze in München kehrte zunächst Ruhe in die idyllische 9.000 Einwohner Gemeinde ein. Eben bis zum großen Knall Anfang dieser Woche. Viele Zornedinger sehen ihre Gemeinde allerdings zu unrecht an den Pranger gestellt. Schließlich funktioniere die Integration im Ort vorbildlich und ohne größere Zwischenfälle. Ein engagierter Helferkreis mit insgesamt 150 Aktiven kümmert sich um das Wohl der 50 afrikanischen Flüchtlinge an der Bahnhofsstraße. Alles ohne größere Zwischenfälle. Zorn­eding hat damit »den größten Asylhelferkreis im ganzen Landkreis«, betont Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU) mit Stolz. Von einem »Nazi-Kaff« oder einem »oberbayerischen Clausnitz« kann also mitnichten die Rede sein. Besonders am Mittwochabend zeigten die Zornedinger bei einer großen Solidaritätskundgebung im Rathauspark eindrucksvoll, dass man geschlossen hinter »seinem« Pfarrer und gegen jedliche Formen von Rassismus steht.

Auch eine von einer Zornedinger Bürgerin initiierte Online-Petition zum Verbleib des Pfarrers folgten alleine bis Donnerstag über 70.000 Unterstützer. Olivier Ndjimbi-Tshiende indes hatte die Gemeinde bereits zum Anfang der Woche verlassen. In die Pfarrei wird er nicht mehr zurückkehren. Die Gottesdienste werden bis auf Weiteres durch Vertretungspriester wahrgenommen. Ndjimbi-Tshiende lies über das Erzbistum mitteilen, dass er sich erleichtert fühle, nachdem er seine Entscheidung zum Weggang getroffen habe. Die Situation war für ihn sehr belastend. Allerdings blickt er ohne Verbitterung auf seine Zeit in Zorneding zurück. Auch die Aussöhnung mit Sylvia Boher sei mittlerweile erfolgt. Der gebürtige Afrikaner hatte die Pfarrei im Sommer 2012 mit großem Idealismus von Markus Zurl übernommen. Bei seinem Amtsantritt sagte er unserer Zeitung: »Wenn wir im Namen Gottes so miteinander leben, egal welcher Konfession wir angehören, dann schaffen wir ein kleines Paradies. Das ist mein Traum«. Dieser Traum ging zumindest in Zorneding nicht in Erfüllung. Von Stefan Dohl

Artikel vom 10.03.2016
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