»Alle in einem Boot«

Grafing · Karikaturenausstellung über das Verhältnis von Afrika und Europa

Bei der Vernissage der Ausstellung gab es fetzige afrikanische Trommelwirbelmusik 	Foto: oha

Bei der Vernissage der Ausstellung gab es fetzige afrikanische Trommelwirbelmusik Foto: oha

Grafing · Aktueller kann eine Ausstellung wohl kaum sein. In der Grafinger Auferstehungskirche und in der Stadtbücherei ist momentan die Ausstellung »Alle in einem Boot« zu sehen. 28 prominente Karikaturisten aus Deutschland, Österreich, Holland und dem Senegal widmen sich in den ausgestellten Werken mal humorvoll, mal nachdenklich dem Verhältnis zwischen Europäern und Afrikanern.

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Gezeigt werden über 60 Karikaturen, die das Verhältnis der beiden Kontinente kritisch beleuchten. Dabei werden vor allem die hässlichen Seiten der oft ungleichen Beziehungen thematisiert: Flüchtlingselend und wirtschaftliche Abhängigkeit, Waffenexporte und Kinderprostitution, Diskriminierung Schwarzer in Europa und Nahrungsmittelspekulation.

Konzipiert wurde die Ausstellung vom katholischen Hilfswerk Mission und dem Erzbistum Bamberg. Die musikalische Umrahmung der Vernissage übernahm eine 5-köpfige Trommlergruppe aus dem Senegal mit dem Namen „»Booko Gisgis« (das heißt: »Eine Meinung«), Asylbewerber, die seit zwei Jahren in München leben. In ihren farbenprächtigen Gewändern lieferten die jungen Männer eine spektakuläre und mitreißende Trommelwirbelmusik in der Auferstehungskirche.

»Selbst in der größten Katastrophe muss ein Witz erlaubt sein« so Dr. Christian Mazenik von Missio München in seiner Laudatio und legte den Finger in eine offene Wunde in dem er die historische Schuld der europäischen Völker anprangerte: Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents, Ausbeutung von Rohstoffen und Produkten, korrupte Diktaturen von Europäischen Staaten an der Macht gehalten, Steuerhinterziehung, Versklavung der Menschen über Jahrhunderte.

Eine Ausstellung, die weh tut

Noch drastischer formulierte Prof. Dr. Hajo Schneck, Gründer und Vorsitzender der EFI, Ebersberger Förderverein Interplast e.V. (www.efi-ev.org.), ein profunder Kenner Afrikas, seine Einschätzung: Afrika ist ein verlorener Kontinent! über Jahrhunderte hinweg »versaut« worden! Seit dem 16. Jahrhundert wurde der Kontinent massiv von europäischen Kolonialmächten ausgebeutet, Millionen Schwarze als Sklaven nach Amerika und Europa verschleppt. Das Grundproblem ist die Übervölkerung, vor allem der Länder Schwarzafrikas. Seit 1970 hat sich die Bevölkerung verdreifacht, in Europa +12 Prozent. Die Lebenserwartung liegt bei 52 bis 55 Jahren, in Deutschland bei 83 Jahren. Ärztedichte 1:100.000, in Deutschland 1:370, die HIV-Rate 5 bis 27 Prozent, in Deutschland 0,1 Prozent.

Die aktuelle, moderne Ausbeutung ist »land grabbing« im großen Stil durch China, die Golfstaaten, genauso durch Eliten in Libyen, Hedge Fonds in USA und Europa. Es sollen bereits rund 30 Millionen Hektar Land verkauft worden sein, keine Wüsten, nur das beste verfügbare Ackerland. Die Flächen wurden armen Bauern »abgekauft«, darauf dürfen diese jetzt für einen Hungerlohn arbeiten.

Die Profite fließen direkt auf Schweizer Konten. »Es gibt keine Rettung für Afrika« davon ist Hajo Schneck überzeugt, und: »viele Afrikanische Länder sind Kleptokratien, dass heißt Entwicklungsgelder und Profite aus Rohstoffen gehen nicht in das Land, sondern direkt auf Schweizer Konten oder in den Luxus-Konsum der privaten Eliten und damit zurück in die reichen Länder – also zu uns!« Flüchtlingsströme sind mit Geld nicht aufzuhalten. Hajo Schneck fragt: »Wie ist Hilfe möglich?

Für Schwarzafrika sehe ich buchstäblich schwarz, die Lebensgrundlagen sind weitgehend zerstört, irreparabel, ein Ende ist nicht in Sicht und schon gar keine Wiederherstellung. Die Ausbeutung geht weiter, nur mit Hilfe verbesserter technischer Möglichkeiten und Geld, viel schneller, bis der letzte Rest an Ackerland und Bodenschätzen ausgebeutet ist.« Selten hat jemand die wirklichen Probleme Afrikas so deutlich beim Namen genannt. Die Karikaturen dieser Ausstellung sprechen ausnahmslos die gleiche Sprache, nur: sie ringen uns höchstens ein Schmunzeln ab und wir gehen zur Tagesordnung über. Die Ausstellung wird bis zum 27. Januar täglich von 8.00 bis 18.00 Uhr in der evangelischen Auferstehungskirche, dem Gymnasium Grafing sowie in der Stadtbücherei Grafing gezeigt.

Artikel vom 21.01.2016
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