Ein Sommer ohne Bier?

Früher half Natureis bei der Kühlung im Sommer

Die Natureisgewinnung war eine kräftezehrende  Angelegenheit.	Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

Die Natureisgewinnung war eine kräftezehrende Angelegenheit. Foto: Haus der Bayerischen Geschichte

München · Ein warmer Winter und ein paar Schneeflocken im Januar – früher wäre die aktuelle Wetterlage eine Katastrophe gewesen für Wirtshäuser und Bierfreunde.

Die Brauer hofften auf eisreiche Winter, damit das Bier auch im Sommer kühl blieb, denn sie mussten ihre Bierkeller mit Natureis temperieren. Bis zur Einführung der Kältemaschine durch Carl von Linde im Jahre 1876 war die Kühlung des Gerstensaftes eine schwierige und kräftezehrende Angelegenheit.

Natureishandel und Sommerbier

Das Eis diente jedoch nicht nur zur Kühlung, sondern war auch unerlässlich für die Herstellung untergäriger Biere wie Pils, Lager oder Helles. Da für die Gärung Temperaturen von vier bis neun Grad Celsius benötigt werden, durften die Brauereien bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur in den Wintermonaten Bier produzieren. Erst die Ausweitung des Natureishandels machte es in Bayern möglich, dass das Verbot des Bierbrauens in der Sommerzeit 1865 aufgehoben wurde. Jetzt durfte ganzjährig gebraut werden. Bis dahin konnte Bier nur in der kalten Jahreszeit ohne Qualitätseinschränkung hergestellt werden.

Eisernte und Eisgalgen

Damit das Bier bis zum Sommer genießbar blieb, wurde es in Bierkellern gelagert. Hatten die Bierkeller nicht von Natur aus, wie die überwiegend im fränkischen Raum befindlichen Felsenkeller, eine niedrige Temperatur, musste mit Natureis nachgeholfen werden. Die Brauer gewannen das Eis aus zugefrorenen Seen und Weihern der näheren Umgebung, aus denen sie Eisstücke von bis zu 20 cm Dicke und bis zu 1 qm² Größe heraussägten. Gab es kein geeignetes Gewässer, konnte das Eis an einem sogenannten »Eisgalgen« produziert werden, also an einem Holzgerüst, an dem das herablaufende Wasser zu Eiszapfen gefror. In den unterirdischen Gewölbekellern hielt eine Eisfüllung üblicherweise vom Winter bis in die späten Sommermonate, wobei das Eis nie vollständig schmolz.

Der für die Arbeiter äußerst kräfteraubend und gefährliche Eisabbau war ein Stoßgeschäft, das völlig von den Launen der Natur abhängig war. Frühestens nach etwa acht Tagen Frost konnte mit dem »Eisen« auf den gefrorenen Seen und Flüssen begonnen werden. Wichtig war ein flaches Ufer, um das Eis gut bergen zu können. Jede Eisergruppe hatte einen bestimmten Eisplatz. Das in gleichmäßige Platten ausgesägte Eis wurde mit Zangen und Haken zum »Hafen«, also an das Ufer gezogen und dort zerkleinert. Mit dieser Arbeitsweise schafften die Arbeiter pro Tag circa 20 Fuhren in die Eiskeller. Bis diese vollständig gefüllt waren, brauchte es zwei Wochen. In Oettingen wurde noch bis 1957 geeist.

Mehr über die faszinierende Welt der Natureisgewinnung und der damit verbundenen Winterarbeit der Brauereien gibt es in der Bayerischen Landesausstellung 2016 »Bier in Bayern« im Kloster Aldersbach ab 29. April 2016 zu sehen.

Artikel vom 19.01.2016
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