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München · Leserbrief: Diese Häme hat sie nicht verdient

München · In unserer Ausgabe vom 19. Dezember haben wir ein Abstimmungsergebnis veröffentlicht, wonach eine klare Mehrheit von 76 Prozent die (erstmalige) Kür von Angela Merkel zur Person des Jahres durch das »Time Magazine« schlecht finden. Unser Leser Wilhelm Wagner übt dazu Kritik. Nicht am Time Magazine, nicht an der Wahl, sondern an uns. Zur Erläuterung: Die Fragestellung in unserer Online-Abstimmung lautete »Angela Merkel ist Person des Jahres. Was sagen Sie?« Als Antwortmöglichkeiten haben wir vorgegeben: finde ich gut, finde ich schlecht, ist mir egal.

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Sie nehmen für sich in Anspruch, für Ihre in hoher Auflage erscheinenden Zeitung den alten journalistischen Spruch: »Only bad news are good news« anzuwenden. Das sind Sie in guter Gesellschaft. Denn wenn es stimmt, dass auch IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi und der Amerikaner Donald Trump für diese Auszeichnung vorgeschlagen wurden, so ist dies ein weiterer Beweis für die Richtigkeit dieser Presse-Maxime. In gleicher Weise wird im Herbst jeden Jahres berichtet, wer für die Nobel-Preise, besonders für Literatur und Frieden, vorgeschlagen ist. Vorschlagen kann jeder, auch jeder Verrückte.

Angela Merkel ist seit zehn Jahren Bundeskanzlerin. Sie hat diese Auszeichnung eines erfahrenen US-amerikanischen Magazins zum dritten Male erhalten. Das Magazin »Time« wird mit unseren Zeitschriften »Spiegel« und »Fokus« gleichgesetzt. Frau Merkel ist eine Politikerin ohne Skandale. Ihr Arbeitspensum ist riesengroß, mit Hilfe guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meistert sie ihre Aufgaben. Keiner unter den europäischen Verantwortlichen hätte gesagt: »Wir schaffen das!« Und als sie z. B. mit den Mächtigen des Ukraine-Konflikts in Minsk schließlich einen Waffenstillstand der Kontrahenten zustande brachte, hatte sie fast drei Tage nicht geschlafen. Eine solche Politikerin sollte in einer demokratischen Gesellschaft, bei aller Meinungs- und Pressefreiheit, nicht mit derartiger Häme behandelt werden. Ich war bei Kriegsende 13 Jahre alt, Vater in Russland vermisst, und habe das, was Hitler als Diktator angerichtet hat, noch bewusst erlebt. Gilt denn der 2000 Jahre alte lateinische Spruch nicht mehr: »Arbor honoretur, cuius nos umbra tuetur«?

Was die von Ihnen vorgenommene Meinungsbefragung betrifft, so wiese ich auf die Fragwürdigkeit solcher Äußerungen hin. Sie haben Ihre Leserinnen und Leser befragt. Waren es tatsächlich über 2.000 Teilnehmer, die nach der Wahrscheinlichkeitsberechnung bis auf 0,2 Prozent an das wahre Ergebnis herankamen? Und die Fragestellung? War da nicht die negative Antwort bereits vorprogrammiert? Selbst die Meinungsbefragungen der großen Institute wie Forsa oder das der inzwischen verstorbenen Sibylle vom Bodensee (Allensbach) leiden unter dieser Fragestellung im letzten Satz.

Wilhelm Wagner
80935 München

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Artikel vom 30.12.2015
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