Die Nähe Gottes

Isarvorstadt · Gedanken zu Weihnachten von Pater Stefan Maria Huppertz

Pater Stefan Maria Huppertz leitet den Pfarrverbandes Isarvorstadt (St. Anton und St. Andreas). 	Fotos: Claudia Göpperl

Pater Stefan Maria Huppertz leitet den Pfarrverbandes Isarvorstadt (St. Anton und St. Andreas). Fotos: Claudia Göpperl

Isarvorstadt · Pater Stefan Maria Huppertz, Leiter des Pfarrverbandes Isarvorstadt, teilt seine Gedanken zu Weihnachten.

»... als auf dem ganzen Erdkreis Friede war«, so bezeichnet das feierliche Weihnachtsmartyrologium, die Einstimmung auf die Christmette, den konkreten Zeitpunkt der Weltgeschichte, an dem Gott in Jesus Christus Mensch wurde.

Das Weihnachtsfest führt uns also an die Schnittstelle von Zeit und Ewigkeit, von Gott und Mensch, von Himmel und Erde. Im 30-jährigen Krieg, in den Wirren des 1. Weltkriegs und in den Bombennächten des 2. Weltkriegs muss diese Ankündigung sehr fremd geklungen haben. Viele Münchner haben Weihnachten 1945 in stark zerstörten Kirchen und Häusern gefeiert. Und auch Ende 2015 spüren wir drastisch, wie weit unsere Welt von diesem Frieden entfernt ist; auch wenn in unserem Land seit 70 Jahren Frieden ist – Gott und dem europäischem Gedanken sei Dank! Vor vier Wochen hat Papst Franziskus davor gewarnt, angesichts von Flüchtlingsdramatik und Terrorangst in Europa, an Weihnachten einen »Affenzirkus« zu veranstalten. Die direkte Art des Papstes wird ja weithin geschätzt.

Auch in friedlichen Zeiten ist Weihnachten in manchen Familien schon zirkusreif. Überhöhte Erwartungen an die Atmosphäre und an die gemeinsamen Tage führen mancherorts zu spannungsgeladenen Stunden unter dem Christbaum. Meistens ist es jedoch auch schön, weil sich alle Mühe geben. Gott wird in Jesus Christus Mensch. Im Stall von Betlehem. In wenig festlichem Ambiente. Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, nimmt vom ersten Augenblick seiner irdischen Existenz unsere menschliche Verfasstheit an und er nimmt ernst, was alles zu unserer Welt und zu unserem Leben gehört.

Er kennt uns Menschen, unsere Fragen und Sorgen, unsere Wünsche und Spannungen zuinnerst. Im Kind von Betlehem, das als Erwachsener vom Reich Gottes sprechen, am Kreuz sterben und aus dem Grab auferstehen wird, erfährt der Mensch gewordene Gott das Glück von Freundschaft und Familie, erlebt die Geborgenheit liebevoller Menschen und die Möglichkeiten zur Entwicklung seiner Fähigkeiten. Gleichzeitig erlebt er Ablehnung und Scheitern, Missverständnis und Verrat, Trauer und Schmerz. Alles, was zu unserem Menschsein gehört, hat Gott in Jesus am eigenen Leib, im eigenen Herzen erfahren und erlebt. Weihnachten, das Fest der Menschwerdung Gottes, spricht also von einer Gleichzeitigkeit der Emotionen. Krieg und Friede, Hoffnung und Angst, Erfolg und Überforderung sind einige der Gleichzeitigkeiten, die unser Leben ausmachen.

Ein unaufdringliches Weihnachtsangebot von Gott

Sogar die zerreißende Gleichzeitigkeit von Terror und Weihnachten, von Flucht und idyllischer Familienfeier. Geht das? Wird man da nicht verrückt? Stimmt da irgendwas nicht? Alles nur Zirkus? Maria und Josef sind an der Krippe genauso ratlos, hilflos, orientierungslos. Angesichts der Rahmenbedingungen wird den beiden nicht nach »stille Nacht, heilige Nacht« zumute gewesen sein. Gleichzeitig schöpfen sie Hoffnung und Zuversicht, weil sie Gott in ihrer Mitte, in ihrem Leben, auf ihrem Weg wissen. Davon spricht Weihnachten! Weihnachten, liebe Leserinnen und Leser, spricht nicht vom romantischen Rundum-Sorglos-Paket, von Wunscherfüllung und Kerzenschein. Weihnachten spricht davon, dass in der Mitte der Nacht, »mitten im kalten Winter«, mitten in unsere völlig individuellen Lebensthemen hinein, Gott den absoluten Schulterschluss mit uns Menschen sucht und anbietet. Er streckt uns seine Hand entgegen, an der er uns durch unser Leben begleiten will. Er bietet Orientierung, Maßstab und Wegbegleitung an. Das unaufdringlichste Weihnachts-Angebot aller Zeiten! Greifen Sie zu! Es lohnt sich! Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und für das Jahr 2016 ein gutes Gespür für die Nähe und angebotene Wegbegleitung Gottes!

Ihr P. Stefan Maria Huppertz OFMCap

Pater Stefan Maria Huppertz ist Kapuziner und leitet als Pfarrer von St. Anton und St. Andreas seit 2011 den Münchner Pfarrverband Isarvorstadt. www.pfarrverband-isarvorstadt.de

Artikel vom 23.12.2015
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