Integrative Plätzchen

Erding · So macht Weihnachtskultur minderjährigen Flüchtlingen Freude

Ganz dürfen die jungen Flüchtlinge nicht ins Bild und so war das Auge der Kamera wie die Augen der Plätzchenbäcker ganz auf die Arbeitsfläche gerichtet.	Foto: kw

Ganz dürfen die jungen Flüchtlinge nicht ins Bild und so war das Auge der Kamera wie die Augen der Plätzchenbäcker ganz auf die Arbeitsfläche gerichtet. Foto: kw

Erding · Weihnachtskultur ohne Alltagsstress, aber mit leckeren Butterplatzln, für eine Gruppe unter den Flüchtlingen in Deutschland, die besondere Aufmerksamkeit nötig haben: unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

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Nicht jammern, nicht hetzen, sondern anpacken – Praktikantin Eva-Maria Sontag im Jugendzentrum »Sonic« in Erding geht an die Integrationsarbeit. Sie kommt von der Fachoberschule und sollte im Rahmen ihres Praktikums ein eigenes Projekt planen und durchführen. Sie wollte mit eben dieser Gruppe von Jugendlichen Weihnachtsgebäck machen.

Ein pädagogisches Ziel war schnell formuliert, eben die Vermittlung deutscher Kultur zu Weihnachten. Dann ging es an die Planung, die mit der Erstellung der Zutatenliste ihren Abschluss fand: 1,5 Kilo Mehl, sechs Eier, Butter und was man sonst noch so braucht. Die Gruppe von Jugendlichen ist öfter im Sonic. Man kennt sich also schon ein wenig. Einrichtungsleiter Ulrich Hofstaller brauchte nicht viel Unterstützungsarbeit zu leisten.

Der Rest war Spaß pur: Teig zubereiten, kneten, die Formen aussuchen, ausstechen und dann natürlich backen. Das ging alles auch ohne große Sprachkenntnisse. Vormachen, ein aufmunternder Blick und siehe da: Die Jungs – und es waren tatsächlich nur Jungs – machten mit. Als die heißen Bleche aus dem Ofen kamen, wurde es etwas chaotisch, denn so viel Platz gibt es in der Jugendhaus-Küche nicht, dass alle Bleche abkühlen konnten. Aber irgendwie haben die fleißigen Bäcker das auch hinbekommen. Das Verzieren mit buntem ­Zuckerguss und Schokolade war natürlich große Klasse, das macht auch Jugendlichen noch Spaß. Und auch, als es hernach ans Aufräumen und Saubermachen ging, war kein Einziger da, der auf die dieser Gruppe von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan immer wieder nachgesagte Macho-Rolle verfiel. Hofstaller kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: »Das ist hier sauberer als sonst«, stellte er fest.

Was blieb, war die gewaltige Freude über die ersten selbst gebackenen Plätzchen, die natürlich in gemütlicher Runde ausgiebig probiert werden mussten. Aber die sieben Jugendlichen waren enorm produktiv. So viele, wie sie gebacken haben, konnten sie unmöglich auf einmal essen. So blieb auch etwas für das Team vom Sonic übrig, auch nachdem alle Jugendlichen eine Tüte mit ihrem Gebäck in Empfang genommen haben, für daheim, wo sie in einer WG zusammen wohnen und betreut werden, unter anderem von Jan Verhülsdonk, der in der Flüchtlingsarbeit ein freiwilliges soziales Jahr macht und die Projektleiterin unterstützt hat. Für Eva-Maria Sontag kommt die Arbeit jetzt erst noch, denn für die Schule muss sie ihr Projekt natürlich umfassend dokumentieren. Und der Lernerfolg für die jungen Flüchtlinge? Gefragt, ob er jetzt selbst Platzl backen könne, strahlte Hassan aus Syrien über das ganze Gesicht: »Sure, yes!« – ja, sicher. Er würde gerne schon auf Deutsch antworten, aber nach so kurzer Zeit, fehlen einfach noch die Sprachkenntnisse. Auf Englisch konnte er sich aber gut ausdrücken, sodass die Sprachbarriere kein unüberwindbares Hindernis blieb.

Zweifel, ob das einmalige Backen künftig für die gekonnte Selbstproduktion schon reicht, lachte der fröhliche junge Mann einfach weg. Integration in kleinen Schritten: Es kann so einfach sein. kw

Artikel vom 18.12.2015
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