So starben Ruhm und Ehre

München · Aktionskünstler »korrigieren« Kriegerdenkmal erneut

So sah das Kriegerdenkmal in der Dachauer Straße nach dem letzten Eingriff der Künstler Wolfram Kastner und Hans-Peter Berndl aus. Das war am vergangenen Sonntag, anlässlich der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag.	Foto: privat

So sah das Kriegerdenkmal in der Dachauer Straße nach dem letzten Eingriff der Künstler Wolfram Kastner und Hans-Peter Berndl aus. Das war am vergangenen Sonntag, anlässlich der Kranzniederlegung zum Volkstrauertag. Foto: privat

München · Wolfram P. Kastner provoziert. Der Münchner Aktionskünstler zürnt nicht einfach über Missstände. Er handelt.

Das bringt ihm einige Publicity ein und auch einigen Ärger. So hat er sich mit den Behörden angelegt, weil er als Papst verkleidet mit einem Hitler-Darsteller mehrfach in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Dahinter steckt die mehr als plakative Kritik am Reichskonkordat von 1933, einem Vertrag zwischen der katholischen Kirche in Rom und der nationalsozialistischen Regierung des Deutschen Reichs, der vom Rechtsnachfolger Bundesrepublik Deutschland nach wie vor anerkannt wird und Gültigkeit hat.

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In der jüngeren Vergangenheit macht Kastner zusammen mit Hans-Peter Berndl Stimmung gegen eine seiner Ansicht nach kriegsverherrlichende Inschrift am Kriegerdenkmal in der Dachauer Straße. So heißt es dort im Zusammenhang mit den Kriegsopfern aus der bayerischen Eisenbahntruppe des Ersten Weltkriegs: »Sie starben für Deutschlands Ruhm und Ehre«. Zunächst hatten die beiden Aktionskünstler einzelne Buchstaben der Inschrift entfernt und damit den Sinn verändert. Später haben sie einen ergänzenden Kommentar zu der wiederhergestellten ursprünglichen Inschrift angebracht.

Sterben Menschen für Ruhm und Ehre ihres Vaterlandes?

Anlässlich des Volkstrauertages haben sie den Satz verändert in: »So starben Deutschlands Ruhm und Ehre«. Kastner und Berndl wollen damit klarstellen, dass sie weiter gegen überholten Militarismus angehen – trotz möglicher strafrechtlicher Konsequenzen. So hätten sie eigenen Angaben zufolge Strafbefehle vom Amtsgericht München über insgesamt 6.300 Euro erhalten – wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe. »Eine Störung der Totenruhe kommt selbstverständlich überhaupt nicht in Betracht, da die Reste der für die Unehre Deutschlands getöteten Menschen auf den Schlachtfeldern in Frankreich und Belgien liegen und nicht an der Dachauer Straße in München auf dem Bundeswehrgelände«, kritisiert Kastner. Und er legt nach: »Es ist ein unsäglicher Skandal, dass alljährlich von der Bundeswehr zum Volkstrauertag dort protzige Kränze abgelegt werden, die aus Steuergeldern finanziert werden und die militaristische Floskel ›Ruhm und Ehre‹ attestieren. Wer heute behauptet und bestätigt, dass die Soldaten des Ersten Weltkriegs für Ruhm und Ehre getötet wurden, verdreht die Wahrheit oder lügt – bewusst und gewollt.«

Kastner kündigt an, die Strafbefehle nicht zu akzeptieren und ihnen zu widersprechen. Es handele sich nicht um Sachbeschädigung, sondern um »zwei Kunstaktionen, die den provokativen Skandal dieses Kriegerdenkmals konterkarieren«.

Mit der Aktion vom vergangenen Sonntag sind es jetzt drei Kunstaktionen. Für diese bislang letzte Aktion hat es keinen Strafbefehl gegeben. Noch nicht. cr

Artikel vom 18.11.2015
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