Interview mit Amateur-Spielleiter Arnold Geißler

»Gewonnen ist noch gar nichts«

Sehnt die Winterpause herbei: Arnold Geißler. Foto: A. Wild

Sehnt die Winterpause herbei: Arnold Geißler. Foto: A. Wild

München/Giesing · Es geht bald in die Winterpause für die Amateurkicker des TSV 1860 München im Lokalfußball. Die Münchner Wochenanzeiger baten Herrenspielleiter Arnold Geißler um ein Zwischenfazit.

Ihr segelt auf Aufstiegskurs in die Kreisliga. Zufrieden mit dem bisher Erreichten?

Schon, aber gewonnen ist noch gar nichts. Wie es aussieht, überwintern wir an der Tabellenspitze. Das ist schön, so haben wir uns das nach dem guten Start erhofft. Aber im Frühjahr geht es wieder von vorn los. Alles auf Anfang. Dann muss in jedem Spiel wieder hochkonzentriert gearbeitet werden. Ich bin jetzt erst mal heilfroh, wenn wir in der Winterpause sind. Wir haben aktuell eine lange Liste an verletzten Spielern – darunter zahlreiche Leistungsträger. Das geht an die Substanz.

Woher kommt das?

Ich glaube, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Die Intensität in unseren Spielen ist oft hoch, aber bei nur zweimaligem Training in der Woche ist der Körper darauf nicht ausreichend vorbereitet. Dazu kommt: Training und Spiel auf Kunstrasen sind grundsätzlich belastender als auf natürlichem Untergrund. Und manchmal ist es auch einfach Pech. Aber wir bekommen bald ein neues Kunstrasenfeld an der Grünwalder Straße. Das dürfte dann besser gedämpft sein als das Vorgängermodell und der Rasen von höherer Qualität. Darauf freuen sich alle.

Du hast die hohe Intensität im Spiel angesprochen. Auch als Zuschauer ist man manchmal überrascht, mit welchem Engagement in der Kreisklasse zu Werke gegangen wird.

Unsere Spieler haben lange gebraucht, um mental damit umgehen zu können, dass gegen den TSV 1860 jeder Gegner bis zum Umfallen rennt und es ihm dabei gleichgültig ist, ob die nächsten Ligaspiele verloren werden – Hauptsache, es wurde gegen Sechzig gepunktet. Da hauen die alle Körner raus. Das ist emotional absolut verständlich und ich zieh den Hut vor jedem Gegner. Für unsere Spieler bedeutet das aber eben, dass sie immer noch eine Schippe drauflegen müssen.

Wir hatten in der Vergangenheit gerne mal das Phänomen, dass Spieler neu zu uns kamen, die von ihrem bisherigen sportlichen Werdegang her annahmen, Kreisklasse spiele ich locker, und dann feststellen mussten: aber nicht beim TSV 1860. Obwohl sie subjektiv das Gefühl hatten, es bei uns sogar mit besseren Mitspielern zu tun zu haben, empfanden sie den persönlichen Aufwand für einen Sieg höher als bei ihrem alten Verein. Das ist leicht zu erklären. Jeder Fußballer erzählt lieber am Montag in der Arbeit »am Wochenende hamma Sechzig packt« als »mia ham gegen Namenlos 2 gwunna.« Das musste erst in die Köpfe. Aber langsam sind wir so weit. Bei Sechzig zu spielen, bedeutet mehr leisten zu müssen. Und das ist dann hoffentlich auch im Frühjahr der Fall, wenn es final um die Meisterschaft geht. Ich bin zuversichtlich.

Was sind eure kurz- und mittelfristigen sportlichen Ziele?

Unser Ziel ist es, in der höchsten Stadtliga zu spielen, also der Kreisliga München. Das muss der Mindestanspruch für ein Amateurteam des Vereins sein. Und die Reserve darf nicht mehr als maximal zwei Ligen darunter agieren. Bei uns bekommt kein Spieler Geld, alle sind hier aus Spaß an der Freude und Liebe zum Fußball und zu den Löwen dabei. Wir stellen nur die Sportausrüstung. Weiter oben, also ab der Bezirksliga, würde dieses Modell sicher schwierig. Da müsste man dann erst sehen, ob und wie eine weitere Entwicklung finanzierbar wäre.

Neuzugang Ricardo Bauer, der als Stürmer hoffnungsvoll begann, hat sich zur Halbserie bereits wieder aus Giesing verabschiedet. Was ist passiert?

Das war ein Zeitproblem. Ricardo gelang es leider zu selten, seine beruflichen und privaten Verpflichtungen mit dem Sport in Einklang zu bringen. Das hat er sich selbst auch anders vorgestellt. Ich bedauere das, weil er grundsätzlich ein toller Fußballer ist. Wenn du für Sechzig spielen willst, reicht es aber nicht, ab und an mal bei uns vorbei zu schauen. In einem solchen Fall ist es für beide Seiten besser, der Spieler wechselt zu einem Verein, bei dem das eher möglich ist oder in den Freizeitfußball.

Eine der Entdeckungen der Vorrunde ist Lassana Boubacar.

Lassana ist noch sehr jung und steht am Anfang seiner Entwicklung. Das ist seine erste Saison im Herrenbereich. Er ist sportlich und menschlich ein Gewinn für unsere Mannschaft. Wenn er beharrlich an sich arbeitet, dann kann er in zwei, drei Jahren ein richtig guter Spieler sein. Man darf bei aller Freude über das eine oder andere Tor von ihm nicht vergessen, wir reden hier nur von Kreis- und B-Klasse. Da ein paar Buden zu machen, wenn du körperlich fit bist, ungefähr weißt, wo der Kasten steht und nicht mit völlig Unbegabten zusammen spielst, ist nicht außergewöhnlich – das können viele andere auch. Interessant wird seine weitere sportliche Entwicklung – Lassana hat richtig Potential – und da ist er bei unserem Trainer Antonio De Spirito in besten Händen. Als langjähriger Juniorentrainer bei den Junglöwen weiß er wie man ein Talent fördert.

Für mich ist die Entdeckung der Vorrunde die Mannschaft. Sie hat einen deutlich sichtbaren Entwicklungsschritt gegenüber letzter Saison gemacht. Wir wollten uns verbessern und wir haben uns in allen Bereichen verbessert. Dahinter steckt systematische Trainingsarbeit. Und auch mit der Reserve läuft es ordentlich. Unsere Trainer machen das gut. Darauf bin ich stolz.

Kann man das im Amateurbereich planen?

Planen schon, aber ob der Plan auch aufgeht, steht auf einem anderen Blatt. Der Grundstein dafür wurde im Sommer im Trainingslager gelegt. Da hat man schon gesehen, dass das was werden könnte. Wir wollten einfach nicht mehr so stark von Zufällen abhängig sein und mehr Struktur reinbringen.

Inwiefern?

Zufall wäre beispielsweise, wenn dir ein Stürmer zuläuft, der für die Klasse einfach zu stark ist, verletzungsfrei bleibt und dann 30 oder 40 Kisten macht. So steigst zwar auch auf, hast dich aber als Mannschaft nicht verbessert und bist abhängig von einem einzigen Ausnahmespieler. Das ist wenig sinnvoll. Deshalb war für uns klar das Ziel: wir wollen und müssen unsere gesamte Mannschaft Stück für Stück taktisch und spielerisch auf ein höheres Niveau bringen. Die ersten Früchte dieser Arbeit wurden in der Vorrunde sichtbar. Das freut mich, weil viel Aufwand drin steckt.

Eure Zuschauerzahlen sind stark eingebrochen. Waren es in der ersten Saison noch 180 Besucher im Schnitt, wurden in der vergangenen Runde nur noch 100 gezählt und in dieser Saison sind es trotz starker sportlicher Auftritte und der Tabellenführung weniger als 60 Zuschauer bei den Heimspielen. Wie kommt das?

Ich denke zum einen sind wir nicht mehr der erstaunliche Exot, den alle mal sehen wollen. Die Anfangseuphorie ist abgeklungen. Zum anderen haben wir in der vergangenen Saison unser Publikum einfach zu oft sportlich enttäuscht, auch das wirkt nach. Wir müssen uns die Gunst wieder erspielen. Ich bin sicher, wenn nach der Winterpause die Spannung in der Liga steigt und entscheidende Spiele um den Aufstieg anstehen, dann werden wir auch wieder eine größere Kulisse an der Grünwalder Straße sehen.

Sucht ihr noch Spieler?

Nicht direkt. Wenn aber jemand ein netter Kerl ist, ein Löwenherz besitzt und sportlich das Niveau für die Kreisliga oder im Fall der Reserve für die A-Klasse hat, darf er gerne zur Probe mittrainieren. Viel dringender suchen wir jedoch aktuell ehrenamtliche Helfer, Betreuer und Ordner rund um unsere beiden Mannschaften. Die gehören bei uns genau so zum Team. Wenn da jemand Spaß daran hat, ist er uns herzlich willkommen.

Interview: Alfons Seeler

Artikel vom 15.11.2015
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