Einfach muss es sein

Münchner Professor macht das Smartphone altersgerecht

Prof. Rudolf Bayer und sein Entwicklerteam haben die App für das »einfache Smartphone« konzipiert und programmiert.	Foto: privat

Prof. Rudolf Bayer und sein Entwicklerteam haben die App für das »einfache Smartphone« konzipiert und programmiert. Foto: privat

München · Rund 1,5 Millionen Apps werden aktuell im Google Play Store angeboten. Nur etwas weniger sind es im Apple App ­Store. Software – meist kostenlos oder für kleines Geld – die auf dem Smartphone das Leben leichter machen kann. Aber welche Apps braucht man nun wirklich? Und wer blickt da durch?

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Das Smartphone hat die Gesellschaft im Sturm erobert. 2007 kam das erste iPhone auf den Markt, heute gibt es in Deutschland laut dem Statistik-Portal statista 46 Millionen Smartphone-Nutzer – fast 60 Prozent der Bevölkerung. Mit der Idee des Smartphones entstanden immer auch Ideen »drumherum«. Der emeritierte Münchner Informatikprofessor Rudolf Bayer (76) von der TU und sein Team haben sich Gedanken gemacht und eine App entwickelt, die die Funktionen eines Smartphones auf die wichtigsten Bereiche reduziert – ein »Smartphone light« sozusagen. »eezyPhone« heißt die App und ist speziell für ältere Menschen konzipiert, die meist schwerer einen Zugang zu neuen Technologien haben. »Für uns war es wichtig, unserer App eine extrem einfache Bedienung zu geben«, erklärt Bayer. Schließlich soll die App nicht selbst Teil der Hemmschwelle sein.

Die Software vereinfacht die Bedienung durch Reduzierung auf die essenziellen Funktionen, nämlich Kommunikation mit Anruf, Sprach- und Textmeldung, Sprach- und Textnotizen als Gedächtnisstütze, PIN-Speicher und Terminerinnerung. Ebenfalls integriert ist eine Notruffunktion mit Ortung und automatischer Benachrichtigung privater Helfer. Damit soll der praktische Nutzen des Smartphones auch den meist älteren Menschen zugänglich gemacht werden, die vor technischen Innovationen oft eine Scheu haben. Ein halbes Jahr habe die Entwicklung des Prototyps gedauert. Die eigentliche App war nach etwas mehr als einem Jahr einsatzbereit. Zahlreiche Praxistests sollten sicherstellen, dass Funktionsumfang, Bedienung und Lesbarkeit optimal auf die Zielgruppe zugeschnitten sind. Freimütig gesteht der Professor, dass er bei der Zusammenstellung und Ausarbeitung der Funktionen durchaus auf die eigene Lebenserfahrung zurückgreifen konnte, denn mit seinen 76 Jahren steht er mitten in der Zielgruppe, für die ­eezyPhone gedacht ist.

Die praktich serienreife Software hat übrigens noch mal »komplett umgestrickt« werden müssen, weil der Plan, dass über die Notruffunktion die Helfer von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr direkt alarmiert werden, an den entsprechenden Stellen gescheitert ist. Trotz anerkennender Worte hat sich Rudolf Bayer mehr oder weniger blumige Abfuhren eingehandelt. Jetzt informiert die Notruffunktion eingetragene Helfer aus der Familie und dem Freundeskreis der Nutzer.

Die bisherige Resonanz war überwiegend positiv, berichtet der Informatikprofessor. »Ich habe die App einer Reihe von Leuten gezeigt und die intuitive Bedienung erklärt. Sie konnten das gleich nachvollziehen und das Smartphone problemlos selbst bedienen«, erzählt Bayer. Auch Alzheimer-Patienten seien mit der erleichterten Bedienung gut zurecht gekommen, allerdings nur im frühen Stadium. Später, wenn die Symptome der Krankheit stärker werden, ist das nicht mehr möglich. Das Klinikum Rechts der Isar teste die App derzeit in der Benutzung durch Alzheimer-Patienten.

Am Anfang stand die Idee von Rudolf Bayer, die ausgearbeitet und serienreif gemacht wurde. eezyPhone steht jetzt im Google Play Store zum Download. Die Benutzung ist drei Monate kostenlos, danach kostet es zur weiteren Nutzung einmalig 6,99 Euro. Reich werden Rudolf Bayer und sein dreiköpfiges Entwicklerteam damit nicht. Das ist auch nicht das Ziel. »Ich möchte etwas für die Gesellschaft tun und meine Ideen dafür in die Praxis umsetzen«, sagt er. Das kostet auch Geld. Allein für das Entwicklerteam muss Bayer 200.000 Euro im Jahr erwirtschaften. Unterm Strich stehen immerhin zwei feste Arbeitsplätze, die Möglichkeit für Studenten ihr Fachwissen in der Praxis einzusetzen und zu erweitern und nicht zuletzt eben der Nutzen für die Käufer der App. Und was bleibt dann unterm Strich für Rudolf Bayer übrig?

»Nicht viel. Ich mache das eher aus Passion.« Als emeritierter Professor hat er keine Verpflichtung mehr, Studenten zu unterrichten. Zum Aufhören macht ihm die Arbeit, das Konzipieren und Lösen von praktischen Aufgabenstellungen aber einfach noch zu viel Spaß. Einst war Rudolf Bayer der jüngste Professor an der TU, jetzt bringt er mit seinen Ideen junge Menschen zum Nachdenken, Tüfteln, Probieren, Entwickeln. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 30.10.2015
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