Eine Herzensangelegenheit

Grünwalder Stadion: Rückkehr der Löwen-Profis längst nicht vom Tisch

Löwen-Geschäftsführer Markus Rejek kann sich eine Rückkehr in die alte Heimat auf Giesings Höhen gut vorstellen (re. neben Rejek lauscht BA-Chef Clemens Baumgärtner den Worten des Löwen). 	Foto: HH

Löwen-Geschäftsführer Markus Rejek kann sich eine Rückkehr in die alte Heimat auf Giesings Höhen gut vorstellen (re. neben Rejek lauscht BA-Chef Clemens Baumgärtner den Worten des Löwen). Foto: HH

München/Giesing · Der erste Blick ins durchaus weite, aber an diesem Abend schlecht besuchte Rund der Säbener Halle überraschte: Gleich neben dem großen FC Bayern sollte am letzten Donnerstag zwischen Anwohnern, örtlicher Politik, Stadt- und Vereinsvertretern des TSV 1860 und des FC Bayern bei einer Einwohnerversammlung diskutiert werden über die Belastungen für die Anwohner bei den Spielen im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße.

Insgeheim übernahm aber ein zweiter Tagesordnungspunkt die eigentliche Hauptrolle neben den zahlreichen Anwohner-Klagen über Gewalt, Lärm und Schmutz besonders während der Regionalliga-Derby-Partien von Blauen und Roten auf Giesings Höhen: Können sich die Sechziger eine Rückkehr der Profimannschaft ins »Sechzger-Stadion« vorstellen? Lautete eine zentrale Frage des Abends. 1860-Geschäftsführer Markus Rejek machte eine klare Ansage. »Übergangsweise und zwei bis drei Spielzeiten« könne man sich seitens des Vereins »eine Rückkehr der Profis nach Giesing durchaus vorstellen«, so Rejek.

Der Löwen-Macher brachte dabei eine mögliche Interimsphase ins Spiel – Wenn die Löwen nämlich ein eigenes Stadion bauen und vorab bereits aus der Allianz-Arena ausziehen könnten. Dann wäre die Renaissance auf Giesings Höhen offenbar für einen Zwischenzeitraum durchaus denkbar. Rejek unterstrich auch eine zweite Präferenz des Vereins. »Im Falle eines Abstiegs in die Dritte Liga hätten wir heuer für eine Rückkehr der ersten Mannschaft ins Grünwalder Stadion gekämpft.« Der »worst case« für die Sechziger konnte bekanntlich durch die Relegation verhindert werden. Doch die Gedanken von und an die angestammte, jahrzehntelange Spielheimat sind längst nicht vom Tisch.

Rejek und Günter Schwarz vom Referat für Bildung und Sport der Stadt mochten entsprechende Hintergrundgespräche gar nicht erst negieren. Es gebe »durchaus Überlegungen« die Kapazität des Grünwalder Stadions von der heutigen Drittliga-Beschränkung mit einem Fassungsvermögen von nur 12.500 Zusehern auf 20.000 Plätze Kapazität zu erhöhen. 60-Geschäftsführer Rejek brachte die Wieder-Nutzung der Ostkurve als Gästetribüne ins Spiel. Darüber sei man sich mit der Stadt sogar einig. Allerdings, noch gibt es keine konkreten Vereinbarungen. Dafür aber Überzeugungen: Ein Stadion-Neubau sei »Herzenssache« im Verein, verriet Rejek eigentlich nichts Neues. Schließlich hält sich der Bereich Riem in den Diskussionen recht hartnäckig.

Allerdings: Konkrete (Interims-)Rückkehr-Meldungen gab es bei der Einwohnerversammlung nicht. Dafür aber aber reichlich Beschwerden. Vor allem auf die beiden Liga-Derbypartien der Sechziger und der Bayern fokussierte sich dabei der Ärger eines Teils der rund fünfzig Anwesenden. Besonders echauffierten sich Bewohner der Martin-Luther- Straße. Anlässlich von Fan-Ausschreitungen beim letzten kleinen Derby vor allem rund um den sogenannten Grünspitz seien Anwohner »stundenlang« am Betreten und Verlassen ihrer Häuser gehindert worden. Alte Leute hätten nicht mal nach dem Kirchgang in ihre Wohnungen zurück gekonnt, vermeldete ein Bürger. Bei der Polizeiführung wollte man diese Aussage nicht allzu hoch hängen. Es habe zwar »13 Festnahmen« gegeben, bestätigte Michael Dibowski als Leiter der örtlichen Polizeiinspektion 23.

Doch die Anwohner und Fußgänger hätten passieren können. »Völlig inakzeptabel« freilich sei allerdings der mögliche Ausspruch eines Kollegen an die Adresse eines Anwohners, er möge doch »einfach wegziehen«. IN Sachen Sicherheit werde ohnehin nachgebessert. Gleich mehrere Millionen Euro investieren die Behörden in eine verbesserte Sicherheitstechnik in und um das Stadion. Die sonst gut zu händelnde Fantrennung sei freilich bei den Derbies mitunter schwierig – wenn Sechziger- und Bayern-Fans schon mal im gleichen Wohnhaus lebten. Insgesamt allerdings mochte Polizeichef Dibowski in einen Problem-Gesang nicht einstimmen. Abseits der beiden Derbies, deren Problematik bei den letzten Partien abgenommen habe, gebe es um das Stadion bei herkömmlichen Regionalligapartien oder bei den Spielen der Bundesliga-Damen des FC Bayern kaum Probleme.

Über vermüllte Straßen, wildes Urinieren in Vorgärten, Graffiti-Schmierereien und viele Aufkleber beschwerten sich aber doch reichlich Anwohner. Auch Wildparken von PkW und Bussen im Einzugsbereich des Stadions und insbesondere im Bereich der Tegernseer Landstraße waren Thema. Ein Giesinger Anrainer beschwerte sich gar über den aus seiner Sicht viel zu lauten Trommelwirbel auf den Tribünen. Von anderer Seite kam Kritik am Kritiker. Als besonderes Lebensgefühl beschrieb Klaus Hahnzog, einst Kreisverwaltungsreferent und Dritter Bürgermeister Münchens, seine 50jährige Wohnnähe zum Stadion. »Früher waren die Leute stolz, dass in Giesing Fußball stattfindet. Die Menschen fühlten sich als Sechziger«, brach er von viel Applaus begleitet eine Lanze für Giesing und sein Stadion. Mit Kindern und Enkeln sei er regelmäßiger Stadiongast. Nicht gelten lassen wollte Hahnzog die Einschätzung eines Giesingers, der an Spieltagen »die Kinder nicht auf die Straße« lasse.

Ausdrücklich positiv bewertete auch eine Giesingerin das Stadion als ein Bollwerk für das ohnehin im Wandel befindliche Arbeiterviertel. »Man stelle sich nur vor, das Stadion wäre nicht da – wir wären längst nur noch von Großverdienern eingekastelt oder gar nicht mehr da«, befürchtete die Dame die Folgen des Zeitenwandels auch rund um den Giesinger Berg. Die Meinungen waren widerstreitend an diesem Abend: die einen sorgten sich wegen künftig vermehrter und verstärkter Fanaufläufe – die anderen hoffen auf Fußball in seiner Giesinger Stammheimat.

Derzeit scheinen die Dinge in der Schwebe und auch mögliche Rückkehrpläne der Löwen-Profis noch kaum ausgegoren zu sein: Auch so ist der eher überschaubare »Anstrum« bei der Versammlung in der Säbener Halle wohl zu erklären. Harald Hettich

Artikel vom 22.10.2015
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