»Erschreckende Zähne«

Zahnärztinnen aus München reisen für Hilfseinsatz in die Mongolei

Dr. Tina Killian (l.) und Hanne Kälbli behandelten hier viele Patienten. Kleines Foto: Dr. Cordula Albers hatte ebenfalls viele Patienten auf dem Behandlungsstuhl. 	Foto: Privat

Dr. Tina Killian (l.) und Hanne Kälbli behandelten hier viele Patienten. Kleines Foto: Dr. Cordula Albers hatte ebenfalls viele Patienten auf dem Behandlungsstuhl. Foto: Privat

Unterschleißheim/Harlaching · Imposante Naturlandschaften und dünn besiedelte Gebiete: Im Rahmen eines zahnärztlichen Hilfseinsatzes reisten kürzlich für drei Wochen die Zahnärztinnen Dr. Tina Killian (36 Jahre, Unterschleißheim) und Dr. Cordula Albers (36 Jahre, Harlaching) sowie die zahnmedizinische Fachangestellte Hanne Kälbli (40 Jahre, Unterschleißheim) in das ferne Land.

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Ziel ihrer Reise sei es gewesen, einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Zahngesundheit zu leisten, berichten die Zahnärztinnen. Für alle drei war es der erste Einsatz im Ausland. »Die Mongolei ist viermal so groß wie Deutschland und hat 3 Millionen Einwohner. Insgesamt hat die Mongolei nur 1.000 Zahnärzte, 800 davon in der Hauptstadt Ulaanbaatar«, ergänzen sie. Aufgrund der dünn besiedelten Regionen sei die zahnärztliche Versorgung speziell für die Landbevölkerung nicht vorhanden und bedürfe Unterstützung.

Die Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen (DWLF – Dentists without limits foundation) ermöglicht seit 2008 jährlich Hilfseinsätze in verschiedenen Ländern der Erde.

So begann ihr Abenteuer in Bayajargalan, einem kleinen abgelegenen Sum (1.200 Einwohner), südlich der Hauptstadt – ohne fließendes Wasser mit zahlreichen Stromausfällen, Übernachten in einer Jurte (traditionelles Zelt), Supermärkten, in denen es außer Süßigkeiten und Limonade fast nichts zu kaufen gab und reichlich Hammel- und Schafsfleisch zu essen. »Was die Arbeitsmaterialien betraf, waren wir im Vorfeld großzügig auf Spendenbasis ausgestattet worden.

Der Verein Apotheker Helfen e.V. unterstützte uns mit 1.000 Tabletten Antibiotikum und die Danteapotheke in der Waisenhausstraße in München überließ uns eine ausreichende Menge an Schmerzmitteln.« Die DWLF stellte den Zahnärztinnen drei tragbare Behandlungsstühle sowie zwei mobile Einheiten zur zahnärztlichen Behandlung u. a. mit zahlreichen zahnärztlichen Instrumenten zur Verfügung. »Alles weitere, was wir für die zahnärztliche Behandlung benötigten, haben wir aus unseren Praxen mitgebracht«, so Killian, Albers und Kälbli. Es konnte also losgehen: Schon nach einem kurzen Blick in die Münder ihrer Patienten sei klar gewesen, dass vor allem bei den kleinen Patienten nur selten ein einziger gesunder Milchzahn zu finden ist. »Der Zustand der Kindergebisse war erschreckend.« Nicht selten mussten die Zahnärztinnen bei dreijährigen Patienten die völlig zerstörten Oberkieferfrontzähne extrahieren (die Entfernung eines Zahnes ohne operativen Eingriff), um Schäden an den bleibenden 1ern und 2ern (Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer) zu verhindern. Viele acht- bis neunjährige Patienten hatten bereits irreparabel zerstörte 6er (in der Regel bleibender Backenzahn).

Die Zahl der zu extrahierenden Zähne sei enorm gewesen, sagen die Expertinnen und ergänzen: »Aber auch von schon vorangegangenen sehr früh nötigen Extraktionen konnten wir die Folgen beobachten: u. a. massiver Engstand und Malokklusionen (komplizierte, funktionell bedingte Zahn-, Kiefergelenk- und Muskelerkrankungen) waren bei fast jedem jungen Erwachsenen auffällig«. Weder bei den mongolischen Erwachsenen in diesen ländlichen Bereichen noch bei den Kindern sei das Bewusstsein für Mundhygiene, Prophylaxe und zahnschonende Ernährung verankert. »So zogen wir beispielsweise bei mehreren Kindern vormittags einige Milchzähne und trafen dann dieselben Kinder abends im Dorf: mit einem dicken Lutscher im Mund.«

Den Münchnerinnen sei binnen kürzester Zeit klar gewesen, wie wichtig die zahnmedizinische Hilfe für die Bevölkerung dieses Landes ist. Viel wichtiger sei jedoch die Entwicklung eines zukunftsträchtigen Gesundheitsprogramms und die ­Intensivierung der Mundhygiene- und Ernährungsaufklärung, sind sich die Bayerinnen einig.

Das Problem: Die mongolische Landbevölkerung habe größtenteils kein fließendes Wasser. Dadurch seien die Hygienevorstellungen, die man beispielsweise in Deutschland gewohnt ist, unrealistisch. »Was uns sehr stark beeindruckt hat, war die immense Herzlichkeit, die uns überall entgegengebracht wurde und die für uns ungewohnte Gastfreundschaft von einer Bevölkerung, die selbst fast nichts besitzt. Die Mongolen scheuten keine Kosten und Mühen, um uns ihr Land und ihre Traditionen nahe zu bringen.« So bauten sie extra für die drei Helferinnen eine Jurte auf, in der sie übernachteten, organisierten Ausflüge zu Viehzüchtern, wo die Gruppe auf Kamelen und Pferden reitete, brachten sie an einen Fluss, an dem zwei Ziegen auf mongolische Art zum Verzehr zubereitetet worden, und zeigten ihr traditionelles Naadam-Fest. »Nur die Hammelinnereien konnten sie uns auch nach mehreren Versuchen nicht schmackhaft machen«, berichtet Dr. Tina Killian, die mit Dr. Cordula Albers gemeinsam die Schule in Oberhaching besucht hatte. Zusammen mit einer mongolischen Kollegin, einer Assistenzzahnärztin aus Wien, einem Dolmetscher und Hanne Kälbli behandelten die beiden Zahnärztinnen während dieser Zeit etwa 1.000 Patienten. »Wir zogen etwa 800 Zähne und legten ca. 500 Füllungen. Eine sehr arbeitsreiche Zeit, in der wir immer wieder an unsere Grenzen stießen, liegt also hinter uns. Aber nicht nur Arbeit, sondern auch unendlich viele spannende und unvergessliche Momente und Eindrücke durften wir in der Mongolei erleben.«

Wer Interesse hat, selbst einmal an einem solchen Einsatz teilzunehmen, kann sich dazu informieren unter www.dwlf.org

Artikel vom 27.09.2015
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