Leben bis zuletzt

Bogenhausen · Christophorus Hospiz Verein feiert diesen Sommer sein 30-jähriges Bestehen

Was verbirgt sich hinter dem Haus an der Effnerstraße 93?	Foto: hgb

Was verbirgt sich hinter dem Haus an der Effnerstraße 93? Foto: hgb

Bogenhausen · »Den Tagen mehr Leben geben, nicht dem Leben mehr Tage.« So lautet das Leitmotiv des Christophorus Hospiz Vereins (CHV) , der in diesem Sommer 30 Jahre besteht.

Seit Anfang 2006 hat die Organisation, die 2350 Mitglieder zählt – fast 40 Prozent davon sind zwischen 70 und 79 Jahre alt – ihren Sitz in einem modern umgebauten Verwaltungstrakt an der Effnerstraße 93. Vielen Menschen im 13. Stadtbezirk ist die Einrichtung kaum bekannt. Unzählige Autofahrer brausen täglich stadteinwärts an dem mit einer orangefarbenen und einer weißen Fahne beflaggten Eingang vorbei. Einige sehen zwar das Gebäude, sie wissen oft aber nicht, was sich dahinter verbirgt. Was ist das, das Christophorus Hospiz? Das Haus vereinigt ambulante und stationäre Angebote für Schwerkranke und Sterbende sowie ihre Angehörigen unter einem Dach.

Ausgangspunkt der Hospiz-Bewegung war 1971 ein britischer Fernsehbeitrag, in dem die Betreuungsarbeit der Krankenschwester Cicely Saunders (1918 bis 2005) im Londoner St. Christopher’s dargestellt worden war. Dadurch angeregt schlossen sich einige engagierte Personen zusammen, um die Begleitung und Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen auch in der bayerischen Metropole zu ermöglichen.

1985 wurde dann der Christophorus Hospiz Verein in München gegründet. »Rein ehrenamtlich Tätige, und zwar überwiegend Frauen«, erläutert CHV-Geschäftsführer Leonhard Wagner, betreuten zunächst die Kranken in ihren Wohnungen und in Kliniken. Die Aufgaben nahmen rapide zu, ausgebildete und erfahrene Fachkräfte im Versorgungssektor von Sterbenden wurden gesucht und gefunden. Zehn Jahre später kam’s nach intensiven Verhandlungen mit der Stadt zu einem Kooperationsvertrag mit dem Krankenhaus Harlaching. Die heute dort noch bestehende Palliativstation – palliativ war seinerzeit ein weitgehend unbekannter Begriff – wurde aufgebaut.

Die Gründung einer Akademie für Palliativmedizin und Hospizarbeit sowie ein Akademie-Trakt am Klinikum Großhadern (ab 2004) schlossen sich an. Das CHV mit acht Betten befand sich zunächst in einem Bau an der Lindwurmstraße, ehe dank einer großen Erbschaft der Umbau und der Einzug ins stationäre Haus an der Effnerstraße auf die Beine gestellt werden konnte. Alle Dienste waren somit unter einem Dach vereint. »Der Verein hat Wurzeln bekommen«, kommentierte das Hospizhelferin Ruth Albrecht. Ein weiterer Sieben-Meilen-Schritt war dann 2013 die Einrichtung eines Hospiz- und Palliativberatungsdienstes für Menschen mit Behinderung. Kurzum: »Der CHV ist eine der Keimzellen in Deutschland für die Hospizarbeit und -verwaltung«, resümierte jetzt Wagner.

Das Haus mit einem großen rückwärtig gelegenen, penibel gepflegten Innengarten samt einem gewundenen »Bachlauf«, dem so genannten »Fluss der Steine« – jeder der schön geformten Isarsteine ist bunt mit einem Vornamen und dem Sterbedatum beschriftet, einige sind mit Widmungen und mit Blumen verziert – hat 16 Bewohnerzimmer. Im CHV, erste Vorsitzende ist Renate Salzmann-Zöbeley, engagieren sich 200 Ehrenamtliche, sind mehr als fünf Dutzend Hauptamtliche tätig.

„Die Nachfrage und der Bedarf an Betreuung steigen stetig. Dem stellen wir uns. Wir haben drei bis vier Mal so viele Anfragen, wie wir Personen aufnehmen können. Deshalb gibt’s eine Warteliste. Wir müssen auch stationäre Aufnahmen ablehnen, haben aber ein Netzwerk von Helfern, um den Menschen zu Hause helfen zu können«, beschreiben gemeinsam Wagner und Cornelia Kurth, Assistentin der Geschäftsführung und Öffentlichkeitsarbeiterin, die Situation. Und, so Wagner: »Wir platzen räumlich, auch in der Verwaltung, aus allen Nähten. Zum Teil sind wir zu dritt in einem Büro.« Letztendlich alles eine Frage der Finanzen.

Ein Blick ins Zahlenwerk weist für 2014 aus: 923 Anfragen für ambulante Dienste bei durchgeführten 743 Begleitungen. Im stationären Hospiz gab’s fast 1.000 Anfragen. 218 Menschen wurden begleitet, wobei im Durchschnitt jede Person vier Wochen im Haus verbrachte.

In einer Abhandlung schildert Wagners Vorgängerin in der Geschäftsführung, Sozial-Gerontologin Angelika Westrich, Trägerin der Medaille »München leuchtet«: »30 Jahre CHV heißt auch 30 Jahre Anträge für Fördergelder auszuarbeiten, Verhandlungen mit Kostenträgern wie Krankenkassen, Kommune oder den Kirchen zu führen – und leider immer wieder erleben zu müssen, dass Fördergelder nicht in dem Maße fließen wie wir sie gebraucht hätten.«

Um einem erfüllten Leben »ein würdevolles Sterben« anschließen zu können, braucht’s Geld, viel Geld. »Jede Spende hilft« heißt es denn auch beim Punkt »Unterstützung«.

So sind in der CHV-Bilanz 2014 exakt 338.000 Euro Spenden aufgeführt. Dazu kommen 147.000 Euro Mitgliedsbeiträge, 1,055 Millionen Euro Erbschaften und Vermächtnisse sowie 1,171 Millionen Euro von den Krankenkassen und 519.000 Euro von der Stadt, den Kirchen und privaten Stiftungen. Auf der Ausgabenseite stehen Personalkosten mit 1,881 Millionen Euro an erster Stelle.

Ein zweiter Standort für den CHV wäre, schon allein aus Platzgründen, sinnvoll. Doch angesichts der Einnahmen und Ausgaben müssen die Fakten beachtet werden. Wagner konstatiert so denn auch bei seinem Ausblick: »Wir wollen das Erreichte bewahren und die Weichen für die Zukunft stellen.« Helmut G. Blessing

Artikel vom 25.08.2015
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