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München · Das Projekt »EISs auf Rädern« baut Barrieren ab

Denise Schindler (Mitte hinten) setzt sich für das Projekt »EISs« ein.	Foto: Eugen Gebhardt

Denise Schindler (Mitte hinten) setzt sich für das Projekt »EISs« ein. Foto: Eugen Gebhardt

München · »Anders sein ist nichts Schlimmes.« Denise Schindler weiß, wovon sie spricht, denn sie hat gelernt, ihr eigenes Anderssein zu akzeptieren und versteckt es nicht mehr. Denise Schindler hat im Alter von zwei Jahren bei einem Straßenbahnunfall einen Unterschenkel verloren.

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Das Fußgelenk des zweiten Beins ist teilweise versteift. Denise Schindler trägt eine Beinprothese. Und sie ist erfolgreiche Profisportlerin. Höhepunkte ihrer Karriere sind die Silbermedaille bei den Paralympics 2012 in London und der Weltmeistertitel 2011, jeweils im Straßenradrennen.

Denise Schindler hat durch ihre sportlichen Erfolge eine Popularität erlangt, die sie auch in den Dienst der guten Sache stellt. Sie engagiert sich als Botschafterin für »EISs« (Erlebte Integrative Sportschule), ein Projekt des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Bayern (BVS).

EISs kann von allen Sportvereinen in Bayern angeboten werden. Ziel ist es, Kindern mit und ohne Behinderung ein gemeinsames Inklusions-Sportangebot zu machen. Im Juli zählte der BVS bayernweit 19 Vereine, die EISs anbieten, darunter sechs in München und Umgebung. 2009 wurde EISs ins Leben gerufen. Es gab eine Anschubfinanzierung und eine Förderung durch das bayerische Sozialministerium und die Aktion Sternstunden. Die Fördermittel sind jetzt zum Teil ausgelaufen. Damit steht das ganze Projekt auf der Kippe. »Das hat mich geärgert«, sagt Denise Schindler, und es ärgert sie noch. Aber anstatt zu lamentieren, versucht sie finanzielle Unterstützung für das Projekt zu gewinnen. Parallel dazu hat sie 2013 ein eigenes Projekt gegründet: »EISs auf Rädern«.

Ein erstes Ziel hat sie gemeinsam mit Unterstützern erreichen können. EISs auf Rädern hat einen Sportrollstuhl finanziert. Damit ermöglicht das Projekt die aktive Teilnahme von gehbehinderten Kindern am Sport. »Mit einem normalen Alltags-Rollstuhl wäre Sport nicht möglich«, erklärt Schindler. Sie hat beobachtet, dass nicht nur die Kinder mit Behinderung den Rollstuhl benutzen. »Auf diese Weise erfahren Kinder den Begriff ›Behinderung‹. Sie gehen untereinander ganz unbedarft und natürlich miteinander um«, berichtet die Profisportlerin, was sie beim TSV Oberhaching selbst erlebt hat. Damit ermöglichen der BVS und die 29-Jährige, was sie in ihrer Kindheit nicht hatte, nämlich die Gemeinschaft und der Spaß am Sport. »In meiner Jugend habe ich meine Behinderung versteckt. Ich dachte, ich müsste ›möglichst normal‹ sein«, erzählt Denise Schindler. Aus diesem Denkmuster hat sie einen Ausweg gefunden. Sie sagt, sie habe zwar keine Vorbilder gehabt, aber »ganz besondere Menschen haben mir das mitgegeben.« Mit EISs auf Rädern kann Denise Schindler nun selbst ein Vorbild für einen natürlichen Umgang mit behinderten Menschen sein.

So weit wie die Profisportlerin muss man zwar nicht gehen, aber außergewöhnliche Ideen helfen durchaus. So nimmt Schindler Mitte September wieder mit einem Team am Endura Alpentraum teil. Von Landeck/Tirol geht es 146 Kilometer weit nach Sulden im Vinschgau/Italien. Die Strecke zählt 4.315 Höhenmeter und führt praktisch einmal über die Alpen. Wünschenswert wäre ein Sponsoringpartner, der zum Beispiel je Fahrer und gefahrenen Kilometer einen Festbetrag spendet. So weit hat sich noch kein Sponsor an dieses Modell herangetraut. Aber immerhin haben die Freizeitsportler anderweitig Sponsoren gefunden, die von dem Engagement beeindruckt und überzeugt waren. Bike Sport München in der Leopoldstraße und Gessler Obst- und Gemüsegroßhandel haben das Projekt bereits unterstützt.

Fürs Image von EISs (auf Rädern) fährt jetzt auch das Münchner Freizeit-Radsportteam »Sauhaufen«. Auf Umwegen hat Sauhaufen-Radlerin Steffi Sklarzik Denise Schindler kennengelernt und auch aktiv beim Sport erlebt. »Das ist wirklich Wahnsinn, was sie beim Bergfahren körperlich leistet«, erzählt die Münchnerin. Das Team Sauhaufen ist selbst noch auf der Suche nach einem Kilometer-Sponsor. Mit EISs auf Rädern ist jetzt ein Nutznießer der Hobbyradler gefunden. Jetzt suchen die Radsportler gemeinsam nach Geldgebern. Aktuelles Ziel sind 3.000 Euro für eine Sportprothese. ders sein ist nichts Schlimmes. Deswegen ausgeschlossen zu werden, ist schlimm. EISs beweist, wie gut es zusammen geht. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 22.08.2015
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