Versteckte Schätze

München · Manchmal steckt ein wenig Kunst in ganz viel Krempel

Franziska Dessauer sieht zum ersten Mal Bilder des Münchner Malers Peter van Hamme. Um deren Werte zu taxieren, ist auch die Bekanntheit des Malers maßgeblich.	Foto: cr

Franziska Dessauer sieht zum ersten Mal Bilder des Münchner Malers Peter van Hamme. Um deren Werte zu taxieren, ist auch die Bekanntheit des Malers maßgeblich. Foto: cr

München · »Ist das Kunst oder kann das weg?« – Was hier so launig-flapsig formuliert ist, stellt so manchen Eigentümer eines Bildes, einer Vase, eines Schmuckstücks oder eines Möbelstücks vor eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Wie viele Erbstücke wurden schon gering oder gar nicht geschätzt und sind dann als Zufallsfund auf dem Flohmarkt wieder aufgetaucht?

Sehr zur Freude der Finder, die auch schon mal für »zweifuffzich« einen kleinen Schatz erwerben. Wie aber soll der in der Regel unbedarfte Besitzer nun feststellen, ob er ein wirklich wertvolles Objekt in den Händen hält? Die Antwort ist einfach, besonders in einer Kunststadt wie München. Es gibt hier rund 80 Auktionshäuser für Kunst und Antiquitäten, die sich um die schönen Stücke reißen – und die eben auch »Kunst« von »Krempel« unterscheiden können. Und das machen sie kostenlos. Eine der Experten ist Franziska Dessauer. Die vereidigte Sachverständige ist dem Fernsehpublikum aus eben jener Sendung »Kunst und Krempel« bekannt. Wortgewandt und sachkundig kann sie die Besitzer altehrwürdiger Sachwerte bisweilen mit einer hohen Schätzung überraschen. Oft aber muss sie die Menschen auch auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Dennoch rät die Expertin: »Schauen Sie sich zuhause um!« Nicht selten finden sich in Nachlässen schöne und auch wertvolle Stücke. Möbel, Gemälde, Teppiche. Kleinere Objekte wie Schmuck oder Bilder warten in Kisten schlummernd manchmal jahrzehntelang darauf wiederentdeckt zu werden. »Man muss die Kisten immer bis auf den Boden auspacken«, mahnt die sonst gerne fröhliche Franziska Dessauer in ernstem Ton. So wurden vor einiger Zeit zwei zunächst unscheinbare Federgemälde entdeckt. Das Münchner Auktionshaus Scheublein in der Waltherstraße hat den Wert auf jeweils rund 2.000 Euro taxiert – an sich schon stattlich. Bei der Auktion am 25. Juni kamen die Bilder dort unter den Hammer. Für 44.000 Euro – das Elffache des Schätzwertes – wechselten sie den Besitzer. Ganz klar ein Liebhaberpreis, mit dem nicht zu rechnen war. Dennoch: Wer nicht das Urteil der Fachleute zu Rate zieht, verkauft die Kunst vielleicht für kleines Geld auf dem Flohmarkt.

Das sind die ganz großen Geschichten, aber sie sind selten. Noch größere gehen durch die Medien, wenn das teuerste Bild der Welt bei Christie’s in New York, »Les femmes d’Alger« von Pablo Picasso, für umgerechnet über 160 Millionen Euro versteigert wird. Die Auktionshäuser in München erzählen endlos viele kleine Geschichten. Zwar gehören Gegenstände aus dem 19. Jahrhundert »für uns eher zu den neueren Objekten«, wie Kunstauktionatorin Nikola Scheublein sagt, aber gerade bei Designobjekten aus dem 20. Jahrhundert ist das kein Ausschlusskriterium – und die gibt es in den Auktionshäusern zahlreich, auch bei Scheublein. »Es ist eine Art von Secondhand«, beschreibt die Auktionatorin den Handel mit alten Vollholzmöbeln, die alle ihre eigene Geschichte haben. Und die nicht selten günstiger zu bekommen seien als neue. Manche Objekte aus den verschiedensten Bereichen liegen sogar noch im zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Euro-Bereich. Weit weg von Christie’s. Die Auktionen sind offen für alle, laufen genau so ab, wie man sich das vorstellt und sind einfach spannend. »Das allergrößte Vergnügen liegt im Sammeln«, meint Franziska Dessauer. Den größten Adrenalinausstoß erlebt man aber beim Zuschlag – da kann das Internet einpacken. Die Auktionshäuser sind mehr als reine Agenten für Objekte mit Geschichte. Hier findet auch kunsthistorische Recherche statt. Wer einen Peter van Hamme zuhause hat, sollte jetzt aufmerksam werden. Der Münchner Maler (1880 –1936) hat im Glaspalast ausgestellt, ist aber heute nahezu vollständig in Vergessenheit geraten. Für Scheublein recherchiert Ute Strimmer nach dem Maler. Nicht auszuschließen, dass der Wert des Genremalers und seiner Werke ansteigt – untalentiert war er nicht und auch im Kunstmarkt gilt: Angebot und Nachfrage regulieren den Preis. An den Picasso wird er nicht rankommen, aber vielleicht hat schon jetzt irgendwo in München ein unbedarfter Kunstfreund ein Bild von steigendem Wert im Besitz.

Artikel vom 17.07.2015
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