Wie stark strahlt München?

München · Aktuell wird Hochfrequenzstrahlung in der Stadt gemessen

Dr. Christian Bornkessel mit dem Spektrum-Analysator  auf einem der »bestrahltesten« Plätze Münchens, dem  Marienplatz.	Foto: cr

Dr. Christian Bornkessel mit dem Spektrum-Analysator auf einem der »bestrahltesten« Plätze Münchens, dem Marienplatz. Foto: cr

München · Angst ist irrational. Sie ist schwer erklärbar, sie ist nicht zuverlässig messbar, aber sie ist da. Vielfach.

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Groß war die Angst vor einigen Jahren vor den Mobilfunkmasten, die in München auf Dächern aufgestellt wurden. Und jetzt? Die Münchner haben sich weitestgehend damit arrangiert, ausgenommen einige Streitbare, die dem Frieden nicht trauen. Dabei sind die Masten gar nicht das Problem, weiß Dr. Christian Bornkessel von der TU Ilmenau (Thüringen). Die Handys selbst verursachten eine viel stärkere Strahlung, sagt er. Er muss es wissen, denn er misst derzeit in München mit einem Spektrum-Analysator an verschiedenen Plätzen die Feldstärke von Hochfrequenzstrahlung. Dazu gehören neben allen Arten von Mobilfunk auch UKW-Strahlung, W-LAN-Funksignale, DVB-T-Signale, DAB-Signale und sogar Mikrowellenstrahlung und natürlich die Mobilfunkmasten, Basisstationen im Fachjargon. Der Auftrag: Wie hoch ist der Grad der Grenzwertausschöpfung?

Der Grenzwert für die Strahlenbelastung liegt bei 38 bis 61 Volt pro Meter. »Es würde mich überraschen, wenn wir an irgendeiner Stelle in München an diesen Grenzbereich herankommen oder ihn überschreiten würden«, erklärt Bornkessel. Das sagt er aus seiner Erfahrung als Wissenschaftler. Man darf ihm glauben, wenngleich der Auftraggeber der Studie das IZMF, das Informationszentrum Mobilfunk, ist. Der Verein mit Sitz in Berlin hat nur wenige Mitglieder, aber was für welche: die Deutsche Telekom Technik GmbH, die E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG, die Telefónica Germany GmbH & Co. OHG und die DFMG Deutsche Funkturm GmbH.

Die Unternehmen werden nicht riskieren, dass Bornkessel kritische Werte ermitteln müsste. Um den Ergebnissen die notwendige Glaubwürdigkeit zu verleihen, hat der Verein den Studienauftrag vergeben und führt die Messungen nicht selbst durch. Bornkessels Ergebnisse werden im Anschluss an die Messung ausgewertet und im Herbst veröffentlicht. Aber um was geht es eigentlich genau? Es geht um das, was landläufig als »Elektro­smog« bezeichnet wird: die Gesamtbelastung durch Hochfrequenzstrahlung. Die Wirkung dieser Strahlung sei die gleiche wie von Mikrowellenstrahlung. In der Mikrowelle werden durch Hochfrequenzstrahlung Moleküle in Bewegung versetzt und dadurch Essen erwärmt. Auf den menschlichen Körper wirke die Strahlung genauso: Er erwärmt sich, erklärt Christian Bornkessel. Dabei gehe es um Werte im Zehntelgradbereich, die längst nicht allein durch die Basisstationen hervorgerufen würden. Wir setzen uns heute vielerlei Hochfrequenzstrahlung aus, immer dann, wenn wir uns in der Nähe von Geräten aufhalten, die per Funk kommunizieren: Schnurlostelefone, W-LAN-Anlagen und alle Geräte innerhalb eines Funknetzwerks und an allererster Stelle sei das eigene Handy zu nennen. Sich das sendende Gerät ans Ohr zu halten, erzeuge den größten Anteil an der Gesamtstrahlung, erklärt Bornkessel.

Problematisch werde es mit den modernen Smartphones, die praktisch permanent Daten senden und empfangen, zum Beispiel um E-Mails abzurufen. Doch auch deren Benutzung ergebe noch keine bedenkliche Feldstärke. Und im gleichen Zusammenhang räumt er mit einem populären Irrtum auf: Je näher man sich einer Basisstation befinde, desto höher sei die Strahlenbelastung? Nachdem der Hauptteil der Strahlung vom Handy ausgehe, sei eben gerade eine große Entfernung zur Basisstation problematisch, weil das Handy dann seine Sendeleistung erhöhe.

Sollte, was Christian Bornkessel schon im Vorfeld der Messungen stark bezweifelte, ein Messwert im kritischen Bereich ermittelt werden, würde er diesen Missstand öffentlich machen. Der Maßstab dafür ist übrigens die von der ICNIRP (Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung) ausgesprochene Empfehlung zur Ansetzung der Grenzwerte. Die Politik, die die Richtwerte verabschiedet, folgt in der Regel den Empfehlungen der Wissenschaftler.

Wer Angst vor der Strahlung hat, sollte als Erstes prüfen, welche Strahlung er selbst abstellen kann. Dennoch bewegen wir uns täglich innerhalb eines Strahlungsfeldes, das laut Aussage des Thüringer Wissenschaftlers unbedenklich ist. Das soll er nun mit fundierten Zahlen untermauern. München ist dabei ein zufällig ausgewählter Bereich. Die Ergebnisse seien mit allen dichtbesiedelten Gebieten in Deutschland vergleichbar. Aber die Münchner bekommen die Zahlen so wenigstens konkret. Ist ja auch kein Nachteil. Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 05.06.2015
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