Wohin mit der Angst?

Selbsthilfegruppe für Herzpatienten mit Angststörungen

München · Nach einem Herzinfarkt oder einer Herzoperation leidet jeder dritte Herzpatient unter Ängsten, Sorgen und Depressionen. Die wenigsten reden darüber, denn keiner will als schwach gelten.

Dabei können seelische Belastungen einen (weiteren) Herzinfarkt auslösen. Nach einer Bypass-Operation stellte der Münchner Heilpraktiker Helmut Bundschuh fest, dass er plötzlich unter Zukunftsängsten litt, die er früher nicht kannte und immer öfter fühlte er sich niedergeschlagen und kraftlos. Er fragte sich: Beginnt so eine Depression? Bald stellte er fest, dass es vielen Herzkranken so ging, denn depressive Reaktionen werden in internistischen Kliniken selten erkannt und die Patienten bleiben mit ihren Ängsten allein. Jetzt hat Bundschuh in München die erste Selbsthilfegruppe für herzkranke Patienten gegründet, die unter seelischen Belastungen leiden. Interessierte können mit einsteigen.

»Psychokardiologie« ist ein Thema, das in der Therapie bisher stiefmütterlich behandelt wurde. Aber immer mehr Ärzte interessieren sich dafür, denn inzwischen leidet fast jeder zweite Deutsche unter einer Koronaren Herzkrankheit oder Bluthochdruck.

Eigentlich ist die Versorgung nach einem Herzinfarkt hierzulande vorbildlich, im besten Fall beginnen Notfallärzte schon nach 15 Minuten mit der Erstversorgung, denn jede Minute zählt. Heute überleben zwei von drei einen schweren Herzinfarkt, das war vor zwanzig Jahren noch ganz anders. Die chirurgische Medizin und die Gerätediagnostik sind weltweit auf höchstem Niveau. Ebenso die klinische Versorgung im Krankenhaus und die Versorgung in der Reha.

Für die Zeit nach der Reha gibt es in Deutschland ein dichtes Netz von Kardiologen, die psychologische Betreuung bleibt jedoch auf der Strecke. Und niemand fühlt sich für die herrschende Versorgungslücke verantwortlich.

Helmut Bundschuh, psychologische Heilpraktiker, wunderte sich, warum viele Herzpatienten auf Reha am Tag der Entlassung in Panik gerieten. »Nach dem Schock eines Herzinfarkts ist man in der Klinik erst mal gut aufgehoben. Die Ärzte und Pfleger geben ein Gefühl der Sicherheit. In der Reha-Klinik findet der Patient einen strukturierten Tagesablauf vor, das ist wichtig um herauszufinden, was der Körper noch kann. Wer psychische Probleme hat, findet dort die richtigen Ansprechpartner. Nach der REHA gibt es das alles nicht mehr. Hier herrscht eine klaffende Lücke. Weder Ärzte noch Psychotherapeuten sind darauf vorbereitet.«

Aus eigener Erfahrung weiß Bundschuh, dass man sich schnell dem »Takt des kranken Herzens« unterordnet. Die Folgen sind oft Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit und Lustlosigkeit, dazu kommen bei vielen Zukunftsängste und die Sorge, ob man den Anforderungen am Arbeitsplatz noch gewachsen ist. »40 Prozent aller Todesfälle sind Herz-Kreislauf-Patienten. Ist die Angst erst mal da, ist es schwer sie wieder weg zu kriegen. Man muss seinen Lebensstil neu erfinden, denn der alte mündete ja direkt in die Krankheit.«

Psychokardiologie wird noch wenig beachtet

Helmut Bundschuh gibt der Versorgungslücke nach der Reha die Schuld, dass es zu vielen Folgeerkrankungen kommt, die vermeidbar wären. Nachsorge ist die beste Vorsorge, noch bevor Angst und Depression zur seelischen Qual werden und ein belastender Lebensstil zum nächsten Infarkt führt. Deshalb hat er die Selbsthilfegruppe »Herzkrank – Wohin mit den Ängsten und Sorgen?« gegründet. Damit will er Herzkranke sensibilisieren, einen Weg aus der Krise zu finden, bevor sie wieder ein Fall für den Arzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass manchmal schon das Gespräch mit anderen hilft. Zuzuhören, wie andere mit den Problemen fertig werden und welche Erfahrungen sie gemacht haben, kann schon von Stress entlasten. Nach einer schweren Herzerkrankung ändert sich der Lebensstil grundlegend und viele körperliche Empfindungen werden falsch interpretiert.

Eingeladen zur Herzgruppe sind alle, die ihre Erfahrungen teilen wollen, zum Beispiel wie man am besten mit dem Rauchen aufhört; wie könnte sich mein Lebensstil ändern, der mich offenbar krank gemacht hat; wie kann Ernährungsumstellung helfen; welche Entspannungsübungen vermindern Stress; wo finde ich die richtige Herzsportgruppe für mich. Voraussetzung zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe sind Diskretion und Engagement.

Für wen ist die Selbsthilfegruppe geeignet? Für alle Menschen nach einem Herzinfarkt, einer Stent-Implantation, einer Bypass-Operation, lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen oder Schrittmacher-Implantation. Die Gruppe trifft sich jeden vierten Montag im Monat von 18 bis 20 Uhr im Selbsthilfezentrum München in der Westendstraße 68.

Weitere Informationen und Anmeldung unter Telefon 0 89/61 51 55 47 und 01 74/ 8 94 94 35.

Artikel vom 30.03.2015
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