Mehr Lebensqualität für Demenzkranke

Das Pflegestärkungsgesetz erleichtert die Pflege zuhause

Pflegestern-Geschäftsführer Christian Kerschner-Gehrling.	Foto: VA

Pflegestern-Geschäftsführer Christian Kerschner-Gehrling. Foto: VA

Ebersberg · Es ist seit 1. Januar in Kraft, doch einen großen Auftritt hatte es eher nicht. Dabei hätte das Pflegestärkungsgesetz ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient: Es unterstützt in besonderem Maße die Pflege zuhause.

Davon profitieren nicht nur Pflegebedürftige, sondern auch ihre Angehörigen. Sie können zum Beispiel zu ihrer Entlastung nun neben ambulanten Hilfen auch Angebote der Tagespflege nutzen. Menschen mit Demenz sind hier häufig gesehene Gäste.

Sie haben jetzt Zugang zu allen Leistungen im ambulanten Bereich, die auch Personen mit einer Pflegestufe zustehen.

Demenz ist ein großes Problem im Landkreis »Im Landkreis Ebersberg

leben weit mehr als 1.000 Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind. Die meisten von ihnen wohnen zu Hause und werden sehr oft liebevoll von ihren Angehörigen umsorgt«, so Dr. Hans Gnahn, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft – Landkreis Ebersberg e.V. Der Ebersberger Neurologe weiß aber auch um die Belastungen der pflegenden Angehörigen. »Nicht nur die Demenzkranken selber, sondern auch deren pflegende Angehörige verdienen unsere gesellschaftliche Solidarität«, sagt er.

»Demenz ist ein Schicksal, das uns alle treffen kann. Die zusätzlichen Hilfen durch das erste Pflegestärkungsgesetz begrüße ich daher sehr.« Bisher hatten Menschen, die zwar in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind, deren Pflegebedarf aber unterhalb der Pflegestufe 1 liegt (also in der sogenannten Pflegestufe 0) – wie dies auf einen Großteil der Demenzerkrankten zutrifft – nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch. Dieser ist nun maßgeblich erweitert worden: Jetzt können auch diese Menschen Leistungen der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege und den Zuschlag für Mitglieder ambulant betreuter Wohngruppen erhalten. Außerdem können sie eine Anschub-Finanzierung für ambulant betreute Wohngruppen beantragen.

»Jetzt hat man tatsächlich die Betroffenen ins Auge gefasst«, freut sich Christian Kerschner-Gehrling. Der Geschäftsführer der gemeinnützigen Pflegestern GmbH, die im Landkreis Ebersberg etliche Einrichtungen betreibt, nennt die Leistungsausweiterung um vier Prozent im ambulanten, stationären und teilstationären Pflegebereich »nicht viel, aber einen ersten Erfolg«. Dies sei die erste Leistungserhöhung seit der Einführung der Pflegeversicherung 1995, betont der Betriebswirt. Dass die Tagespflege nun ein eigener Leistungsanspruch sei, also ohne Anrechnung neben Pflegesachleistungen, Pflegegeld und auch in Pflegestufe 0 genutzt werden könne, hält Kerschner-Gehrling für »eine tolle Sache«. Weil den Angehörigen durch die individuell nach ihren Bedürfnissen zu nutzenden Angebote der Tagespflege die Pflege der Betroffenen daheim erheblich erleichtert werde. »Das Gesetz unterstützt die Pflegebedürftigen und Angehörigen dabei, die Pflege zu Hause besser zu organisieren«, stellt auch Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Soziales und Bildung im Landratsamt Ebersberg fest. »Das führt zu einer Verbesserung der Lebensqualität, was wir ausdrücklich begrüßen«, sagt sie.

»Wenn es nach diesem ersten Wurf in kleinen Schritten vorangeht, bin ich zufrieden«, so Christian Kerschner-Gehrling. Der nächste Schritt ist das für 2017 angekündigte zweite Pflegestärkungsgesetz. Mit ihm sollen im Kern ein neues Begutachtungsverfahren und ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden. »Ich erhoffe mir sehr die Einführung des von zwei Expertenbeiräten vorbereiteten neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, mit dem Demenzkranke den körperlich Pflegebedürftigen gleichgestellt werden«, betont Dr. Hans Gnahn. Der geltende gesetzliche Pflegebedürftigkeitsbegriff berücksichtige nur bestimmte Kriterien, insbesondere Hilfen für gewöhnliche und wiederkehrende Verrichtungen im Ablauf des Lebens. Daher wäre Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes derzeit häufig nicht deckungsgleich mit dem tatsächlichen Pflegebedarf einer von Demenz betroffenen Person. Ina Berwanger

Artikel vom 09.03.2015
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