»Oh Happy Gospel«

München Nord · Die »Stephanus Voices« haben den Rhythmus, bei dem jeder mit muss

Wenn Chorleiterin Anke Maria Caspari (vorne) und ihre »Stephanus Voices« zum Mikrophon greifen, bebt die Kanzel.	Foto: Torsten Weidmann

Wenn Chorleiterin Anke Maria Caspari (vorne) und ihre »Stephanus Voices« zum Mikrophon greifen, bebt die Kanzel. Foto: Torsten Weidmann

München-Moosach-Lerchenau · Im Sommer 1969 tanzte Deutschland nach Chris Andrews’ »Pretty Belinda«, Michael Holms »Mendocino« und Elvis Presleys »In The Ghetto«.

Doch da war auch dieser Song »Oh Happy Day« von den Edwin Hawkins Singers, der so gar nicht in irgendeine Stilschublade passen wollte, dennoch die Menschen derartig begeisterte, dass er vier Augustwochen lang die Single-Verkaufscharts anführte. GOSPEL (von englisch: good spell = gute Nachricht, Evangelium) hatte Deutschland und den europäischen Kontinent erobert. Das Lied blieb ein sogenanntes »One Hit Wonder«, Gospelmusik hingegen avancierte zum Dauerbrenner.

Waren es zunächst amerikanische Chöre, die in Europa für ausverkaufte Konzertsäle und überfüllte Kirchen sorgten, wuchs in Deutschland nach und nach eine eigene Gospelszene heran. Und die hat ihr Zentrum mittlerweile in München, da, wo es aktuell an die 80 Chöre gibt. Einer der besten, wenn nicht der beste: Die von der Münchner Opernsopranistin und diplomierten Gesangspädagogin Anke Maria Caspari geleiteten »Stephanus Voices« aus Nymphenburg-Neuhausen. Als die Gospelhymne »Oh Happy Day« die Welt eroberte, befand sich Anke Maria Caspari noch in der Schnullerspätphase von zwei Jahren.

Ihr Schlüsselerlebnis: »Die Sister Act-Filme Anfang der 90er-Jahre haben mich voll in den Gospelbann gezogen. Die Wucht, Rhythmik, Fröhlichkeit und Emotionalität dieser Musik wirkte auf mich wie eine Therapie«, schwärmt die in klassischer Musik ausgebildete Sopranistin. Und die wirkte prompt. So kehrte sie dem ernsten Sangesfach den Rücken und gründete 1999 den Chor »Gospels At Heaven«, den sie dreieinhalb Jahre leitete. Anfang 2005 übernahm »die zumindest musikalisch Konvertierte« dann die »Stephanus Voices«, die sich unter ihrer professionellen Führung zu einem Top-Ensemble entwickelte. Der Lohn: Ausverkaufte Säle und Kirchen. Doch die Auftritte in den Gotteshäusern wurden mit steigender Popularät immer seltener.

Anke Maria Caspari verrät hörbar zerknirscht: »Erfolg ruft natürlich die Neider auf den Plan bzw. konservativ denkende Kirchenmusiker und/oder Geistliche, denen Gospel ein Stück weit zu modern, laut und mitunter zu körperlich ist«. Ist Gospel letztlich zu sexy für die katholische Kirche? »Nicht nur für die, auch in Kreisen der evangelisch-lutherischen Landeskirche haben die konservativen Kräfte das Sagen«, ergänzt Caspari. »Hier wird Gospel schon mal gern als Laienmusik abgekanzelt, die als einmaliges Event ja ganz nett sei, aber keinen wahren spirituellen Akt darstellen würde«. So ist es zu erklären, dass Gospelkonzerte immer öfter in normalen Hallen, Schul- oder Uni-Aulen stattfinden. Dabei leben die Kirchen bisher nicht schlecht als Veranstalter, wandern doch durchnittlich, wie im Falle der überaus erfolgreichen und beliebten »Stephanus Voices«, 1.500 bis 2.000 Euro Location-Miete pro Auftritt im Klingelbeutel. Dennoch bleiben Kirchenkonzerte die Ausnahme. Für Caspari bieten sie jedoch die perfekte Umgebung, um die Kraft und Emotionalität, die vom Gospel ausgeht, optimal aufs Publikum übertragen zu können. »Gospel braucht eine spirituelle Umgebung, um seine ganze Wirkung entfalten zu können.«

Die Musikpädagogin und Klangforscherin weiß, wovon sie spricht. Und sie weißt auf ein weiteres Problem hin, was die Arbeit unnötig erschwert. Bis heute gibt es bei den Kirchen keine Stellenangebote, die explizit für Gospel-Chorleiter ausgeschrieben sind, weder in Voll- noch Teilzeit. So haben viele Chöre nur ehrenamtlich Tätige, was die Qualität des Dargebotenen nicht gerade steigert. Auch gibt es keine Ausbildung für Gospel-Chorleiter, wie es sie seitens der Landeskirchen für Kirchenmusiker gibt. Nichtdestotrotz: Davon lassen sich die vielen Aktiven in Münchens Gospelchören nicht entmutigen. Sie folgen einem höheren Ziel und haben ihr Herz an den Gospel verloren. Und schaut man Chorleiterin Caspari und ihren rund 60 Mitstreitern beim Singen ins Gesicht, so erkennt man darin pure Leidenschaft und ansteckende Glückseligkeit.

Die »Stephanus Voices« in concert: Am 2. Adventssonntag, 7. Dezember, 18.00 Uhr, St. Johannes Evangelist, in der Lerchenau, Gustav-Schiefer-Str. 23. Tickets zu 13 bzw. ermäßigt zu 8 Euro (Kinder bis 12 Jahre frei) gibt’s in den Pfarrämtern St. Johannes Evangelist, St. Christoph und St. Peter und Paul sowie bei Schreibwaren Fruth in der Lassallestr. 99 und Schreibwaren Rittner in der Feldmochinger Str. 227. Bei Ticketbestellung online über die E-Mail-Adresse tickets-sv@stephanus-voices.de wird eine Versandgebühr von 1,50 Euro fällig. Jürgen Schütt

Artikel vom 26.11.2014
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