»Noch viel zu tun«

Ebersberg · Die Behindertenbeauftragte Irmgard Huber im Gespräch

Nach sieben Jahren Ehrenamt tritt Irmgard Huber Ende 2014 ihren verdienten »Ruhestand« an.	F: Privat

Nach sieben Jahren Ehrenamt tritt Irmgard Huber Ende 2014 ihren verdienten »Ruhestand« an. F: Privat

Ebersberg · Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Allen Grund sich in dieser Ausgabe des Kurier Ebersberg an dieses wichtige gesellschaftliche Thema anzunähern.

Wir haben mit Irmgard Huber gesprochen, die zum Jahresende nach sieben Jahren ihr Amt als Behindertenbeauftragte der Kreisstadt Ebersberg beenden wird. Sie hat sich zu ihren Erfahrungen, den Sorgen und Nöten der Menschen, und die allgemeine Situation im Landkreis Ebersberg geäußert.

Kurier Ebersberg: Sehr geehrte Frau Huber, seit 2007 üben Sie ihr Amt als Behindertenbeauftragte der Stadt Ebersberg aus. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die vergangenen sieben Jahre zurück?

Huber: Die Bilanz fällt gemischt aus. Es hat durchaus eine Menge positiver Entwicklungen gegeben. Es ist aber leider nicht immer alles umsetzbar, was aus meiner Sicht nötig und wünschenswert wäre.

Wie sieht ihre tägliche Arbeit als Behindertenbeauftragte in der Kreisstadt Ebersberg aus?

Huber: Neben Stellungnahmen zu Bebauungsplänen, ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit die Beurteilung von aktuellen Bauvorhaben von öffentlich zugänglichen Gebäuden. Hier gilt es zu überprüfen, ob die Vorschriften zum barrierefreien Bauen eingehalten wurden. Gebenenfalls gebe ich entsprechende Hinweise, wie Barrierefreiheit hergestellt werden kann. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist die Beratung von Menschen mit und ohne Behinderung zu allen Fragen, die mit dem Thema Behinderung zu tun haben.

Wie beurteilen Sie die Situation von Menschen mit Behinderungen in der Kreisstadt? Was ist gut und was muss vielleicht noch besser werden?

Huber: Ein Problem für Menschen mit körperlicher Behinderung ist in Ebersberg sicher durch die natürliche Lage gegeben. Die vielen Steigungen machen es nicht gerade einfach, sich in Ebersberg selbstständig ohne besondere Hilfen zubewegen. Erschwert wird dies in manchen Bereichen noch durch bauliche Hürden, wie Kopfsteinpflaster oder nicht abgesenkt Bordsteine. Leider kommt es auch immer wieder vor, dass trotz meiner Bemühungen, öffentliche Gebäude für Menschen mit Behinderung nicht barrierefrei zugänglich sind. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Stadtsaal. Dieser kann vom Menschen mit Behinderung nicht barrierefrei benutzt werden. Das Problem ist in diesem Fall, dass der Zugang zum Aufzug nur mithilfe der Mitarbeiter möglich ist. Das Treppenhaus ist aus rechtlichen Gründen nicht frei zugänglich. Barrierefreiheit heißt aber, dass ein Gebäude selbstständig und ohne fremde Hilfe von Menschen mit Behinderung benutzt werden kann.

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass das Thema Barrierefreiheit mit allen seinen Facetten immer mehr Beachtung findet. Denn Inklusion und Barrierefreiheit ist viel mehr, als nur der Bereich des Bauwesens. Er umfasst alle Bereiche des Lebens.

Was sind die vordringlichen Sorgen und Nöte der Menschen, die Sie in Ihren Sprechstunden aufsuchen?

Huber: Bei meinen Beratungen geht es häufig darum, den Ratsuchenden durch den »Behördendschungel« zu helfen, das heißt, ihnen die richtigen Anlaufstellen und Ansprechpartner für ihr persönliches Problem zu nennen. Häufig geht es dabei um Fragen, die das Sozialrecht betreffen. Also um die Pflegeversicherung oder um Fragen zum Thema Rente und Erwerbsminderung.
Aber auch die Themen barrierefreies Bauen und Inklusion sind ein Schwerpunkt der Beratung. Ebenso Auskünfte über die Rechte von Schwerbehinderten, zum Beispiel wo und wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis und wie sieht es mit den entsprechenden Nachteilsausgleichen aus.

Sie haben im September 2011 den bis dato einzigen Stadtführer für Menschen mit Behinderungen im Landkreis herausgegeben. Wie war die öffentliche Resonanz?

Huber: Die Resonanz auf den Stadtführer für Menschen mit Behinderung war durchweg positiv. Mittlerweile sind nur noch einige wenige Exemplare auf Lager. In den letzten Jahren hat sich in Ebersberg sehr viel verändert. Viele der Angaben sind aus unterschiedlichsten Gründen veraltet. Deshalb ist im Moment eine Neuüberarbeitung geplant.

Was sind Ihre zukünftigen Pläne als Behindertenbeauftragte?

Huber: Aus gesundheitlichen Gründen gebe ich mein Amt Ende dieses Jahres auf.

Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Stand der Barrierefreiheit und Inklusion im Landkreis Ebersberg und in Bayern allgemein? Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf und was muss besser werden?

Huber: Bayern und der Landkreis sind auf einem guten Weg. Man nimmt sich des Themas bewusst an. Handlungsbedarf gibt es aber noch in allen Bereichen: So ist die Inklusion in den Schulen noch in den Kinderschuhen. Auch im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel ist noch erheblicher Handlungsbedarf: Ebenso ist es für Menschen mit Behinderung schwierig, barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum zu finden oder einen geeigneten Arbeitsplatz.

Noch immer haben viele Menschen in unserer Gesellschaft »Berührungsängste« im Umgang mit behinderten Menschen: Die Grenzen zwischen einem zu sensiblen oder zu unverkrampften Verhalten scheinen fließend. Wie sollte man einen behinderten Menschen »gerecht«/ fair gegenübertreten?

Huber: Ich empfehle immer, Menschen mit Behinderung nicht anders zu behandeln, als die sogenannten »Normalen«. Es gilt das Motto: Nicht über mich, sondern mit mir!

Sehr geehrte Frau Huber, besten Dank für das sehr informative Gespräch und alles Gute für Ihre Zukunft!
Stefan Dohl

Artikel vom 25.11.2014
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