Keine ungelösten Fälle

Die Familienberatung Ismaning blickt auf 40 erfolgreiche Jahre zurück

Die Familienberatung Ismaning gibt es jetzt seit 40 Jahren. Ihr Einzugsgebiet umfasst vier Landkreise. In der täglichen Arbeit stehen laut Leiter Reinhard Beinhölzl immer wieder neue Herausforderungen an.	Foto: bs

Die Familienberatung Ismaning gibt es jetzt seit 40 Jahren. Ihr Einzugsgebiet umfasst vier Landkreise. In der täglichen Arbeit stehen laut Leiter Reinhard Beinhölzl immer wieder neue Herausforderungen an. Foto: bs

Ismaning · 40 Jahre sind ein Grund, Bilanz zu ziehen – auch für die Familienberatung Ismaning, die am 1. Oktober 1974 gegründet worden ist. Fast 100.000 Beratungen haben hier schon stattgefunden.

Und laut Leiter Reinhard Beinhölzl konnte allen Klienten weitergeholfen werden.

»Wir sind stolz auf das, was wir in 40 Jahren geleistet haben«, sagt Beinhölzl. Er ist studierter Diplom-Sozialpädagoge, arbeitet seit 1982 in der Beratungsstelle. 2006 wurde er deren Leiter, sich selbst bezeichnet er als »Urgestein«. Reinhard Beinhölzl ist so lange dabei, dass er die Familien oft bereits in der zweiten Generation berät. »Kinder, die schon im Bauch ihrer Mutter oder als Kleinkinder bei uns gewesen sind, tauchen als junge Erwachsene wieder in der Beratungsstelle auf«, erzählt der Leiter.

Hinter den rund 98.000 Beratungen – nächstes Jahr wird die 100.000-er-Marke überschritten werden – stehen viele Schicksale von Männer, Frauen und auch Kindern. In erster Linie sind die Berater für Schwangere da, etwa bei geplanten Abbrüchen. Die Reformierung des Paragraphen 218 in den 70er Jahren, die Frauen eine straffreie Abtreibung in den ersten 12 Wochen ermöglichte, war auch der Grund für die Einrichtung der Beratungsstelle zum 1. Oktober 1974. Auch aktuell müsse man mit einer neuen Situation umgehen, erklärt Reinhard Beinhölzl. Denn seit dem 1. Mai 2014 ist eine sogenannte »vertrauliche Geburt« möglich. Frauen in Notlage können ihr Kind anonym auf die Welt bringen, der Gesetzgeber will damit verhindern, dass Babys ausgesetzt oder sogar getötet werden. Die Anonymität der Schwangeren zu wahren, das ist Aufgabe der Beratungsstelle.

Doch die Beratung endet nicht mit der Geburt: Auch für Familien sind die ausgebildeten Sozialpädagogen da, beantworten Fragen zur Erziehung, vermitteln in Konflikten, suchen nach Lösungen in schwierigen Phasen. In zwei Drittel aller Fälle geht die Initiative, sich beraten zu lassen, übrigens von der Frau aus. Männer hätten dagegen oft die Einstellung »Ich schaff’ das schon alleine«, sagt Beinhölzl. Diese Denkweise habe sich auch über die Jahrzehnte hinweg nicht geändert. Neben der kostenlosen, auf Wunsch anonymen Schwangeren- und Familienberatung, klären die Mitarbeiter zudem Schüler über Sexualität auf – was laut Beinhölzl immer komplizierter werde. Vor allem, weil Kinder und Jugendliche über das Internet schon sehr früh mit pornographischem Material in Kontakt kämen. »Das macht neugierig, dann kommen schon mal Fragen über bestimmte sexuelle Praktiken«, erzählt Beinhölzl.

Langweilig wird es nie. Denn der »kreative Suchprozess nach Lösungen«, wie Reinhard Beinhölzl seine Arbeit beschreibt, sei stets eine Herausforderung. Und Lösungen gebe es immer. »Wenn man in einer Situation nicht weiterhelfen kann, weiß man zumindest, wo man sich noch hinwenden kann«, sagt Reinhard Beinhölzl. Im Laufe der Jahre sei die Arbeit immer komplexer geworden, vor allem aufgrund permanenter gesetzlicher Veränderungen. So gilt es für die Mitarbeiter der Beratungsstelle, sich fortzubilden, um Fragen fachgerecht beantworten zu können. Dadurch habe sich in den 40 Jahren die Qualität der Arbeit verbessert, das »Handwerk verfeinert«, wie Beinhölzl sagt. Sechs festangestellte Fachkräfte arbeiten derzeit in der Familienberatung Ismaning. Alle sind Diplom-Sozialpädagogen, die zum Teil zusätzlich therapeutisch ausgebildet sind. Dazu kommen auf Honorarbasis noch zwei Sexualpädagogen sowie ein Jurist, ein Gynäkologe und ein Psychologe.

In den 40 Jahren ihres Bestehens ist die Beratungsstelle konstant gewachsen, im Jahre 1997 ist sie in das Sozialzentrum in der Reisingerstraße 27 im Süden Ismanings umgezogen. Die steigende Nachfrage sei vor allem auf die wachsende Einwohnerzahl der Region München zurückzuführen, meint Beinhölzl. Das Einzugsgebiet geht weit über die Grenzen Ismanings hinaus, es umfasst die vier Landkreise München, Freising, Ebersberg und Erding. Träger ist zu 65 Prozent der Freistaat Bayern. 30 Prozent der Kosten übernehmen die Landkreise, fünf Prozent ein Zweckverband, der aus den vier Landkreisen, der Stadt Garching und den Kommunen Ismaning und Unterföhring besteht.

»Unsere Arbeit wird wertgeschätzt«

In der Bevölkerung, wie auch in der Politik, habe die Familienberatung Ismaning einen guten Ruf, sagt Reinhard Beinhölzl. »Es wird schon wertgeschätzt, welche Arbeit wir leisten«. Ein Monopol hat die Einrichtung übrigens nicht: Da ein vielfältiges Angebot gesetzlich vorgeschrieben ist, bieten im genannten Einzugsgebiet auch die Gesundheitsämter in den jeweiligen Kreisstädten sowie »Donum Vitae« in Freising und Haar die Beratung von Schwangeren und Familien an.

Für die Familienberatung

Ismaning sei es auch künftig herausfordernd, auf Veränderungen in der Gesellschaft zu reagieren, sagt Reinhard Beinhölzl. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die zunehmende Isolation von Menschen (Stichwort: Single-Haushalte), die wachsende Schere zwischen arm und reich – all das sind bedeutende Themen.

Und vor allem die Politik sei gefordert. »Da muss noch einiges passieren, damit Familie besser gelingen kann«, meint Beinhölzl. Er selbst will mit seinen Mitarbeitern weiter seinen Teil dazu beitragen – für Frauen und Männern da sein, ihnen aus manchmal ausweglos scheinenden Situationen helfen. »Wenn sie dann aus der Tür rausgehen und sich bedanken, ist das ein befriedigendes Gefühl«, sagt Beinhölzl. Eines ist sicher: Die Nachfrage wird auch in den kommenden 40 Jahren weiter wachsen. Benjamin Schuldt

Die Familienberatung Ismaning ist telefonisch unter 0 89/96 07 99 50 erreichbar.

Artikel vom 14.10.2014
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