Dichter und Denker

Haidhausen · Johann Baier erzählt die Geschichte Franz von Kobells

Das Denkmal für Franz von Kobell erstrahlt in neuem Glanz. Johann Baier, Vorsitzender der Freunde Haidhausens, hat sich ausführlich mit Kobell beschäftigt, der ein bedeutender Mineraloge war, aber auch den »Brandner Kaspar« verfasste. F.: bs, Archiv

Das Denkmal für Franz von Kobell erstrahlt in neuem Glanz. Johann Baier, Vorsitzender der Freunde Haidhausens, hat sich ausführlich mit Kobell beschäftigt, der ein bedeutender Mineraloge war, aber auch den »Brandner Kaspar« verfasste. F.: bs, Archiv

Haidhausen · Gleich hinter dem von Kastanien beschatteten Biergarten des Hofbräukellers und der ehemaligen Villa des Malers Eduard Grützner steht in den Maximiliansanlagen ein Denkmal mit der bronzenen Büste eines älteren Herrn mit vollem gewellten Haar.

Der Mineraloge Franz von Kobell ist jener würdige Herr, dessen Büste am 19. Juli 1896, auf einem hohen, aufwändigen Steinsockel zwischen Pinienzapfen verankert, erstmals enthüllt worden ist. Am 18. Juli 2014, fast genau am 211. Geburtstag Kobells, versammelte sich vor dem verhüllten Denkmal eine kleine Gruppe meist gut gekleideter Damen und Herren, die sich anschickten, das Ereignis der Enthüllung des restaurierten Kobell-Denkmals entsprechend zu feiern – darunter auch die drei Stifter: die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, die Familien des ehemaligen Weihenstephaner Braumeisters Erich Wimmer aus Mühldorf und des ebenfalls im Ruhestand in Fischbachau lebenden Industriellen Heiner Schäfer. Für die Sanierung des Denkmals und die Herstellung von zwei gravierten Bronzetafeln hatten die drei Stifter die stattliche Summe von 15.000 Euro aufgebracht.

Begonnen hatte alles im Frühsommer 2012, als einer der Stifter, Erich Wimmer, bei einer meiner Stadtteilführungen durch Haidhausen teilgenommen hatte und vor dem Denkmal erstmals erfuhr, dass der herausragende Mineraloge seiner Zeit, Franz von Kobell – ein Freund von König Max II. und Herzog Max in Bayern, dem Vater der berühmten Kaiserin Sissi – auch einer der bedeutendsten Mundartdichter Deutschlands im 19. Jahrhundert war. Ihm verdanken wir die bekannte Geschichte vom »Brandner Kaspar«, die erstmals 1871 in den Fliegenden Blättern in oberbaierischer Mundart veröffentlicht worden ist. Kobells Ururgroßneffe Kurt Wilhelm bearbeitete und inszenierte 1975 das Werk seines Vorfahren für das Residenztheater in München mit Fritz Straßner und Toni Berger in den Hauptrollen. »Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben« stand seitdem über 1000 Mal im Programm des Bayerischen Staatsschauspiels und wurde von über 60 Bühnen übernommen. Dreimal hat man die wohl bekannteste Hinterlassenschaft Kobells bisher verfilmt: 1949 mit Carl Wery und Paul Hörbiger, wie erwähnt 1975 sowie 2008 unter der Regie von Joseph Vilsmaier mit Michael »Bully« Herbig als Boandlkramer und Franz Xaver Kroetz als Brandner Kaspar.

Franz von Kobell (1803 – 82) war auf dem Gebiet der Kristallographie und Mineralogie sowie der analytischen Chemie hoch geachtet. Bereits mit 24 Jahren wurde er als Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und zwei Jahre später ordentlicher Professor an der Münchner Universität. Weit über 30 Mineralien hat er entdeckt oder genauer beschrieben. Zur Würdigung nannte einst ein schwedischer Mineraloge, der ein neues Mineral entdeckt hatte, dieses zu Ehren Kobells »Kobellit«. Kobell war auch Konservator der mineralogischen Staatssammlung in der Stadt München.

Ein Freund des »Zithermaxls«

König Max II. ging mit Franz von Kobell gerne auf die Jagd. Beide verstanden sich gut. Als Hochgebirgsjäger schoss von Kobell an die 270 Gemsen. Er schrieb zudem ein Buch über das Waidwerk, den »Wildanger», der bis ins 20. Jahrhundert immer wieder aufgelegt wurde. Auch mit Herzog Max in Bayern, dem »Zithermaxl«, war Franz von Kobell gut befreundet. Der Professor und der Herzog spielten gerne zusammen mit der Zither, auch zur Unterhaltung des königlichen Hofes und der höheren Gesellschaft. Die beiden Männer waren es, die die Zither, die ursprünglich ein Instrument der Bauern und Lumpen gewesen war, hof- und gesellschaftsfähig machten.

Das musikalische Talent Kobells äußerte sich auch darin, dass er neben seinen vielen heiteren und nachdenklichen, dem Volk aufs Maul schauenden Gedichten, gerne und oft ganz spontan »Schnaderhüpfl« sang, die er zu Hunderten selbst verfasst hatte. So lag es nicht ganz fern, im Auftrag von König Max II. eine Volksliedersammlung anzulegen, die dann auf einer »Fußreise Seiner Majestaet durch das Bayerische Gebirge vom 20. Juny bis 27. July 1858« zur »Hebung des Nationalbewusstseins« vor allem unter das junge Volk gebracht werden sollte. Zur Reisegesellschaft gehörte damals neben General von der Tann als Reisemarschall auch Franz von Kobell als Wissenschaftler, gefragter Gesprächspartner und Unterhalter des Königs. Kobell nahm an der gesamten Reise von Lindau nach Berchtesgaden teil. Es blieb die einzige »Fußreise« dieser Art, die Max II. während seiner Regierungszeit von 1848 – 1864 unternahm.

Kobell hatte an der Universität Landshut auch Chemie studiert. Diese Kenntnisse benötigte er nicht nur für seine Arbeiten als Mineraloge, sondern auch für die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen, dem Professor für Mathematik und Physik, Carl August von Steinheil (1801–1877), der auch der Erfinder der Telegrafie war. Zusammen machten beide Wissenschaftler fotografische Experimente. Sie bauten ein astronomisches Fernrohr um und richteten es im März und April 1839 auf Münchner Gebäude.

Pionier der Fotografie

Auf dem mit Kochsalz und Silbernitrat präparierten Papier ergaben sich exakte, aber negative Bilder von vier mal vier Zentimeter Größe. 15 Minuten hatten sie belichten müssen. Deshalb waren die ersten Motive nicht Menschen, sondern Gebäude. Das erste fotografische Motiv in Deutschland war die Münchner Frauenkirche. Die Erfindung von Kobell und Steinheil wurde als erstes fotografisches Verfahren in Deutschland veröffentlicht – ohne Patentschutz. Von gleichzeitigen Versuchen und Experimenten im Ausland wussten die beiden wohl nichts. Dem französischen Maler Louis Daguerre war es bereits 1837 gelungen, flüchtige Jodsilberbilder dauerhaft auf eine Glasplatte zu fixieren. Malerateliers wurden nun auch zu Fotostudios, es entstand die Berufskombination Maler und Fotograf. Billig war die ganze Sache aber nicht. Noch 1860 – also gut zwei Jahrzehnte nach der Erfindung Kobells und Steinheils – hätte man in München für ein Portraitfoto im Visitenkartenformat auch folgendes kaufen können: eine große Gans oder drei Pfund Schmalz, ein kleines Spanferkel oder 15 Maß Winterbier.

Seit der Restaurierung und Enthüllung seines Denkmals ist Franz von Kobell nun wieder ins Blickfeld jener Fußgänger gerückt, die von der Kobellwiese kommend, am aufgefrischten Denkmal mit den zwei nagelneuen Bronzetafeln neugierig verharren, mit zügigen Schritten durch’s Hintertürl in den Biergarten des Hofbräukellers gelangen, um das Bier im Schatten der mächtigen Kastanien zu genießen. Johann Baier

Der Autor ist Vorsitzender des Vereins »Freunde Haidhausens«. Johann Baier bietet regelmäßig geschichtliche Führungen durch die bis zum Jahre 1854 selbstständige Landgemeinde Haidhausen an. Die nächste kostenlose Führung findet am Sonntag, 12. Oktober, statt. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Wiener Platz, beim Brunnen.

Artikel vom 07.10.2014
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