Sich selbst nah versorgen

Harthof · Steht ETC-Ausbildungsprojekt für Jugendliche finanziell vor dem Aus?

Sabine Loibl-Gänsbacher (r.) vor der Stadtbibliothek und Marktleiter Herbert Wieland an der Obst- und Gemüsetheke des Geschäfts.	Fotos: Julia Stark

Sabine Loibl-Gänsbacher (r.) vor der Stadtbibliothek und Marktleiter Herbert Wieland an der Obst- und Gemüsetheke des Geschäfts. Fotos: Julia Stark

Harthof · Mit dem Lebensmittelladen am Lieberweg schlägt das Euro-Trainings-Center (ETC) zwei Fliegen mit einer Klappe.

Der Verein, der auch das Mehrgenerationenhaus in der Dientzenhofer Straße betreibt, verschafft Jugendlichen mit Förderbedarf einen Ausbildungsplatz und sichert die Nahversorgung am Harthof. Doch zum Jahresende muss das Geschäft ausziehen. Neue Räume stünden in der ehemaligen Stadtbibliothek an der Weyprechtstraße zwar zur Verfügung. Für den Umzug fehlen allerdings die finanziellen Mittel.

Auf den ersten Blick sieht es in dem Laden in der GWG-Siedlung am Harthof aus wie in einem ganz normalen Supermarkt. Von frischem Obst über Molkereiprodukte, Wurst und Getränke bis hin zu Putzmitteln ist alles zu haben. »Nur eine Frischfleischtheke haben wir nicht, das wäre zu schwierig«, räumt Sabine Loibl-Gänsbacher vom ETC-Vorstand ein. Die Belegschaft des Geschäfts besteht nämlich fast ausschließlich aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die am regulären Ausbildungsmarkt keine Chance haben. An den Regalen und der Kühltheke hängen zahlreiche Zettel mit Anweisungen, die ihnen die Arbeit erleichtern, etwa Listen, auf denen steht, wer für das Nachfüllen von Produkten zuständig ist.

Ausgebildet werden in dem Laden rund zwanzig Verkäufer und Lageristen. Die jungen Männer und Frauen stammen aus ganz München und dem Umland. Die Gründe dafür, dass der Einstieg in das Berufsleben in einem regulären Betrieb nicht geglückt sei, seien ganz unterschiedlich, erklärt Sozialpädagoge Martin Bauer, der die Auszubildenden betreut: »Manchmal sind es soziale oder schulische Probleme, aber auch Schulden.« Das ETC-Projekt bietet den Jugendlichen zusätzlich zur Berufsschule Förderunterricht und unterstützt sie in allen Lebensbereichen, etwa bei der Wohnungssuche, beim Gang zur Schuldnerberatung oder bei Gerichtsverhandlungen.

Der Kunde bemerke vom sozialen Hintergrund des Ladenbetriebs jedoch fast nichts, sagt Loibl-Gänsbacher. Mit den Auszubildenden müsse man zwar viel Geduld haben, räumt Marktleiter Herbert Wieland ein: »Aber es funktioniert gut, wir haben alles im Griff.« Pro Tag kämen rund 500 Anwohner aus der näheren Umgebung, um sich mit den Dingen des täglichen Bedarfs einzudecken, berichtet Loibl-Gänsbacher: »Sonst gibt es hier nämlich keine Einkaufsmöglichkeiten.« Zu den regelmäßigen Kunden gehört auch Pauline Pöppl, Anwohnerin aus der Dientzenhofer Straße. Zwar fahre sie gelegentlich auch in das Einkaufszentrum Mira an der Nordheide, erzählt die 82-Jährige. Jedoch sei der weite Weg mit dem Rollator beschwerlich: »Wenn der Laden hier in Harthof zumachen müsste, wäre das sehr schlecht für mich.« Die Schließung droht dem Geschäft jedoch schon seit geraumer Zeit.

Das Gebäude am Lieberweg soll Ende 2014 abgerissen und durch ein neues Haus ersetzt werden. Zwar sei dort bereits ein großer Vollsortimenter mit eingeplant, sagt Loibl-Gänsbacher. In der rund dreijährigen Übergangsphase gebe es jedoch eine Versorgungslücke. Möglich wäre allerdings, das ETC-Projekt in dieser Zeit in der leer stehenden, ehemaligen Stadtbibliothek unterzubringen, die nur wenige Meter vom aktuellen Standort entfernt ist.

Um diese Idee realisieren zu können, hat der Stadtrat beschlossen, die auf dem Areal geplante Kinderbetreuungseinrichtung erst dann zu eröffnen, wenn der neue Supermarkt am Lieberweg betriebsbereit ist. Auch die Umwidmung des Geländes in eine Gewerbefläche sei inzwischen erfolgt, sagt Loibl-Gänsbacher.

Scheitern könnte der Umzug jedoch am Geld. Das Kommunalreferat, das für das Grundstück zuständig ist, habe nämlich hohe Mietvorstellungen, klagt Loibl-Gänsbacher. Bislang orientiere sich die Miete am Umsatz: »Anders wäre das Projekt nicht finanzierbar.« Für die nötigen Umbaumaßnahmen habe die Stadt zwar einen Zuschuss zugesagt. Jedoch sei dieser viel zu gering: »Es fehlen 140.000 Euro und ich weiß nicht, wo ich dieses Geld herbekommen soll.«

Aufgeben will sie die Hoffnung aber nicht. In den kommenden Monaten werde sie weiter mit der Stadt verhandeln und auch nach privaten Sponsoren suchen, kündigt Loibl-Gänsbacher an: »Die Bevölkerung hier braucht diesen Lebensmittelladen.«

Bürger und Sponsoren, die das ETC-Projekt unterstützen wollen, können ihre Spende auf das nachfolgende Spendenkonto einzahlen: Spendenkonto, GLS Gemeinschaftsbank e.G., Kontoinhaber: ETC e.V. BLZ: 430 609 67, Kto: 8 090 220 600, Verwendungszweck: Nahversorgung Harthof. Julia Stark

Artikel vom 12.08.2014
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