Albrecht Ackerland im Münchner Samstagsblatt

Da schau her! Zum Thema Fußball-Fankultur

Das Wichtigste vorneweg: Ich empfinde es als großes Glück, dass die beiden großen Münchner Fußballvereine auch in dieser Saison in der selben Liga spielen. Dass es jeweils nicht die ersten Mannschaften sind – geschenkt. Die Zweiten sind es, die aufeinandertreffen, die Amateure, die Jungs, die nun schon seit Jahren dem wunderbarsten Stadion mindestens Münchens zu genug Leben verhelfen.

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Zumindest die Spiele der 60er-Amas bereiten mir regelmäßig wunderbare Stadiontage. Was kann es Schöneres geben, als nach einem Weißwurschtfrühstück aufs Radl zu steigen und in wenigen Minuten nahe des Stadions zu sein, mitten in der Stadt, da, ohne nüchterne Betonbrache ringsum. Ich steige aufs Radl, fahre rüber zum Sechzgerstadion, kaufe mir am Wienerwald ein Bier, und ich bin selig. Irgendwer findet sich immer zum Ratschen, irgendwas gibt es immer zum Schauen, es rührt sich was, und man spürt, dass jeder, der hierher kommt, die reine Stadiongaudi schätzt, die sich hier alle gemeinsam bereiten.

Ich liebe die Publikumsmischung in der Gegengerade im Stadion, fanatische 16-Jährige mit den allerneuesten Gesängen gibt es hier eben genauso wie den 75-jährigen Besucher mit Schiebermütze, der hier schon seit 60 Jahren herkommt und mit großem Ernst dafür sorgt, dass ein Spruch, der längst aus der Zeit gefallen scheint, nicht ausstirbt: »Sechzig vor, noch ein Tor!« Genau ihn werde ich mir suchen am kommenden Dienstag, wenn endlich wieder Derby-Luft über Giesing liegt und das Viertel bekommt, was es Jahrzehnte lang geprägt hat – Schauplatz von Fußballfankultur zu sein. Vor den Boazn hängen Trauben von Fans, der Verkehr staut, es ist laut, lustig und hitzig. Und im Stadion brennen Rauchbomben in blau und rot, was ich freilich ganz gefährlich und verboten finde, aber insgeheim doch ganz schön amüsant und der Partie angemessen.

Ich werde mir den »Sechzig vor«-Senior suchen und mich neben ihn stellen, irgendwo am Rand, ich werde ihm ein Bier mitbringen und mich mit ihm darüber aufregen, dass es im Alkoholgehalt reduziert ist, weil wir ja auf einem Risikospiel sind. Dann werde ich mir noch ein paar Geschichten aus der großen Sechzger-Zeit in den Sechziger Jahren erzählen lassen – als im Stadion um die 40.000 Zuschauer waren und nichts passiert ist, und das ganz ohne Sicherheitskonzept und Gästekäfig.

Artikel vom 08.08.2014
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