Kein Selbstläufer

Kirchheimer Bürger kämpfen für organisiertes Car Sharing

Sandra Wagner (im Auto vorne) setzt sich für organisiertes Autoteilen ein, Bürgermeister Maximilian Böltl (auf der Rückbank) steht voll hinter den Plänen. Jetzt müssen die Kirchheimer nur noch einen Verein gründen.	Foto: bs

Sandra Wagner (im Auto vorne) setzt sich für organisiertes Autoteilen ein, Bürgermeister Maximilian Böltl (auf der Rückbank) steht voll hinter den Plänen. Jetzt müssen die Kirchheimer nur noch einen Verein gründen. Foto: bs

Kirchheim · Die Gemeinde Kirchheim bei München hat mehr Autos als Einwohner. Das mag ein Grund sein, weshalb eine kleine Gruppe engagierter Bürger dafür kämpft, einen Verein für Car Sharing zu gründen. In einigen Nachbargemeinden hat sich das Autoteilen längst bewährt – in Kirchheim stößt die Idee bisher nur auf geringes Interesse.

»Viele Kirchheimer Familien haben zwei Autos – wobei eines fast nur herumsteht«, sagt Sandra Wagner, Sprecherin der Initiative, die sich für organisiertes Car Sharing in den Orten Kirchheim, Heimstetten und Hausen einsetzt. Die Statistik sagt: In der Gemeinde waren zum 30. Juni 2013 mehr Kraftfahrzeuge (13.158) zugelassen als Einwohner (12.693) gemeldet. Das ergibt die vierthöchste Fahrzeugdichte im Landkreis München, im nordöstlichen Landkreis liegt Kirchheim sogar an der Spitze. »Man muss prüfen, ob wirklich jedes Auto notwendig ist«, meint Wagner und nennt den entscheidenden Vorteil von Car Sharing: Teilen sich mehrere Personen ein Auto, zahlt der Einzelne weniger für den Unterhalt. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl steht voll hinter den Plänen. »Vor allem für Senioren, die oft kaum mehr ihr eigenes Auto benutzen, ist Car Sharing sinnvoll«, sagt Böltl. Gäbe es weniger Autos in Kirchheim, gäbe es zudem mehr freie Parkplätze. Gerd Kleiber, dritter Bürgermeister der Gemeinde, hat bereits positive Erfahrungen mit Car Sharing gemacht – rein privat, unter Nachbarn. Sandra Wagner möchte jedoch den offiziellen Weg gehen, sprich: einen Verein gründen. Nur so könne man Mitglied beim Bundesverband Car Sharing werden. Das ist nötig, weil die geteilten Autos speziell versichert werden müssen.

Zudem gewähren manche Hersteller den Mitgliedern im Bundesverband bis zu 35 Prozent Rabatt beim Kauf eines Neufahrzeugs. Um einen Verein zu gründen, braucht man sieben Leute. Die in einer Gemeinde mit rund 13.000 Einwohnern zu finden, sollte eigentlich kein Problem sein. So lud Wagner, zeitlich passend zum Ende der bayerischen Klimawoche, in die Gaststätte Merowinger Hof ein, um dort den Kirchheimer Car-Sharing-Verein aus der Taufe zu heben. Die notwendigen sieben Gründungsmitglieder fanden sich jedoch nicht. »Das Treffen ist zu wenig bekannt gemacht worden«, meinte Manfred Jaensch, der wie Wagner dem Vorstand von KiTT angehört. Der »Kirchheimer Talente Tausch«, dessen Mitglieder sich kostenlos mit ihren Talenten helfen – vom Haare schneiden bis zum Fahrrad reparieren – hatte die Idee aufgebracht, künftig auch Autos zu tauschen, also gemeinsam zu nutzen.

Vielleicht haben die Mitglieder von KiTT wirklich zu wenig geworben, vielleicht war es auch schlicht der falsche Zeitpunkt. Oder die große Mehrheit der Kirchheimer sieht gar keinen Bedarf für Car Sharing. Schließlich dürfte für viele ein eigenes Auto (oder zwei) auch ein Prestigeobjekt sein. Bürgermeister Böltl wertete die kleine Zahl der Anwesenden im Merowinger Hof als »nicht sinnbildlich für das tatsächliche Interesse«.

In der Tat scheint Kirchheim prädestiniert für Car Sharing: Viele Arbeitnehmer pendeln vom S-Bahnhof Heimstetten nach München, brauchen tagsüber also kein Auto. Und in einigen umliegenden Gemeinden, die zum Beispiel bezüglich der Einwohnerzahl mit Kirchheim vergleichbar sind, ist Car Sharing längst etabliert: Die Poinger Autoteiler, die zwei Autos besitzen, gibt es seit sieben Jahren, die Car Sharing Union Markt Schwaben existiert sogar schon seit 1997. Heute hat der Verein etwa 70 Mitglieder und insgesamt acht Pkw. Beim Vaterstettener Auto-Teiler sind die Dimensionen mit fast 200 Mitgliedern und 17 Fahrzeugen noch größer. In Kirchheim gibt es immerhin Ideen, wie das Car Sharing einmal aussehen könnte: So schlägt Böltl vor, eigene Stellplätze für die geteilten Autos auszuweisen oder Fahrzeuge der Verwaltung, die am Wochenende nicht gebraucht werden, mit in den Pool zu geben. Doch welche Fahrzeuge sollen überhaupt in den Pool? »Es gibt viele Möglichkeiten«, meint Wagner. Neuwägen, Gebrauchte oder Firmenleasing, womöglich ein Elektroauto – für das es allerdings in Kirchheim noch gar keine Tankstelle gibt. Das müssten die Mitglieder entscheiden, sagt Wagner. Mitglieder eines noch nicht existierenden Vereins, wohlgemerkt.

Man müsse es probieren, lautete der Tenor nach dem gescheiterten Versuch: Ist der Anfang einmal gemacht, würden die Leute schon kommen. Unter diesem Motto kämpfen Wagner und Co. weiter für den ersten Car-Sharing-Verein in Kirchheim. Die engagierten Bürger wollen nun Flyer verteilen, eine Liste für Interessenten im Rathaus auslegen, ihre Initiative auf der Homepage der Gemeinde bekannt machen. Bei der Kirchheimer Bürgerversammlung am 27. November sollen Referenten aus den Nachbargemeinden die Vorteile von Car Sharing aufzeigen. Und vielleicht rollen doch irgendwann geteilte Autos über die Straßen von Kirchheim und Heimstetten.

Benjamin Schuldt

Artikel vom 29.07.2014
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