Das Projekt »Essbare Stadt« lädt zum Pflanzen und Ernten ein

München · Wie im Schlaraffenland

Gemeinsam säen und ernten: Urbanes Garteln liegt derzeit voll im Trend. Foto: Green City/Kerstin Stuiber

Gemeinsam säen und ernten: Urbanes Garteln liegt derzeit voll im Trend. Foto: Green City/Kerstin Stuiber

München · Unkraut jäten nach Feierabend: Wer Lust auf Garteln hat, aber keinen Garten, der kann sich neuerdings in Untergiesing austoben. Seit Anfang Juni läuft das Projekt »Essbare Stadt« in der Nähe des Rosengartens. Auf einer 170 Quadratmeter großen Fläche in der Anlage der städtischen Baumschule Bischweiler an der Sachsenstraße kann jeder Münchner die Ärmel hochkrempeln und mitpflanzen. Es gilt dabei das Prinzip der Spontaneität: vorbeikommen, mitmachen.

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Und auch das ist möglich: Wer spontan Zucchini, Salat, Thymian und Co. mitnehmen will, darf sich kostenlos bedienen. »Ein Anfang ist gemacht, nach und nach sollen weitere Flächen im öffentlichen Raum dazukommen«, kündigt Sabine Krieger an, die den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Die Grünen-Stadträtin stellte Mitte Januar an den Oberbürgermeister einen Antrag mit dem Titel »Lernen vom Projekt ‹Essbare Stadt› in Andernach – Aufnahme von Nutzpflanzen in das Pflanzkonzept für öffentliche Grünanlagen«. Keine Frage: Wer über die »Essbare Stadt« redet, muss auch über Andernach reden. Obst und Gemüse auf öffentlichem Grün: Die rheinland-pfälzische Stadt Andernach macht seit dem Jahr 2010 erfolgreich vor, wie es geht. Ursprünglich kommt die Idee aus dem in England gelegenen Todmorden und schwappte dann rüber nach Deutschland. Auch Freiburg, Kassel und Heidelberg haben inzwischen nachgezogen und hier in Bayern Städte wie Augsburg und Regensburg. In Nürnberg waren Salatköpfe vor dem Opernhaus, die von Unbekannten gepflanzt wurden, der Anlass, ein entsprechendes Konzept zu entwickeln.

Wie es sich in München weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten. »Die Nachfrage ist enorm«, berichtet Krieger. Bereits 150 Münchner seien bei dem Projekt in Untergiesing dabei. Die Hobbygärtner kommen aus allen Teilen der Stadt. Weil die Resonanz so groß ist, sollten sich die Helfer besser anmelden, was auch sehr kurzfristig möglich ist. Die Koordination und Einteilung übernimmt die Münchner Umweltorganisation Green City, die das Projekt mit finanzieller Unterstützung der Stadt unter ihre Fittiche genommen hat. »Es geht darum, dass beispielsweise nicht plötzlich zwanzig Leute dastehen und gießen wollen«, so Krieger. Aber zu tun ist immer etwas, man denke nur an die Schnecken, die regelmäßig abgesammelt werden müssen. Man kann also immer auch ungeplant seine Hilfe anbieten. Die entsprechenden Utensilien sind vor Ort zu haben, neben Gartengeräten sogar auch Gartenhandschuhe.

Um zu ernten, ist Mitmachen keine Pflicht. Wer also bei seinem nächsten Spaziergang den Impuls verspürt, sich etwa ein paar Kräuter oder Fenchel mitzunehmen, darf sich dazu eingeladen fühlen. Dass jeder das rechte Maß einschätzen kann, darauf vertrauen die Macher. Wenngleich ein entsprechendes Schild vor Ort zusätzlich daran erinnert: »Nehmen Sie bitte wenig, andere wollen auch.« Plünderer und Vandalen werden nicht befürchtet. »Andernach hat gezeigt, dass niemand kommt und die Beete ausraubt oder kaputtmacht«, berichtet Krieger. »Die Menschen identifizieren sich mit dem Projekt. Und was einem gefühlt gehört, und es gehört ja im Grunde allen Bürgern der Stadt, wird nicht zerstört.« Dass urbanes Gärtnern im Trend liegt, ist längst bekannt. Attraktiv an der »Essbaren Stadt« ist vor allem, dass man, anders als sonst, keine festen Verpflichtungen hat. Wer sich etwa nicht für einen Krautgarten oder einen Verein entscheiden will, weil er dann daran gebunden ist, der findet in Untergiesing den gewünschten Rahmen der Unverbindlichkeit. Die einem schauen einmal im Monat vorbei, andere mehrmals pro Woche. Neben dem Garteln wird auch das Miteinander gepflegt.

Die erste Pflücksalaternte beispielsweise hatte ein spontanes Gemeinschaftspicknick zur Folge, wie Krieger berichtet. »Zu den weiteren Zielen des Projekts zählt, dass sich die Bürger als Mitgestalter des öffentlichen Raumes begreifen«, so die Grünen-Politikerin weiter. »Wer sich als Teil der Stadt erlebt, hat automatisch mehr Verbindung dazu.« Gemäß dem Motto: Das ist unsere Stadt und wir leisten einen Beitrag dazu. Eine Bürgerbeteiligung der anderen Art also. Die öffentlichen Nutzpflanzen sollen außerdem Impulse geben, wie man sich gesund ernährt und die Wertschätzung für regionale Lebensmittel steigern. »Deshalb ist es wichtig, dass Nutzpflanzen ganz selbstverständlich zum Bild unserer Stadt dazugehören«, so Krieger, die mit Green City plant, weitere Grünflächen in das Projekt zu integrieren. »Es gibt stadtweit genug brache Grünflächen. Ich gehe davon aus, dass nun weitere Ideen kommen, am liebsten direkt von den Bürgern«.

Von Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 24.07.2014
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