Die Glut entfacht

Ausführliches Interview mit den »Ofenbauern« vom Partnerschaftsverein Vaterstetten

Die stolzen Ofenbauer von Alem Katema! Der Partnerschaftsverein Vaterstetten hat in der Afrikanischen Partnerstadt Ofenbauer ausgebildet. Bei Erfolg sollen weitere Ausbildungen folgen. 	Foto: Partnerschaftsverein Vaterstetten

Die stolzen Ofenbauer von Alem Katema! Der Partnerschaftsverein Vaterstetten hat in der Afrikanischen Partnerstadt Ofenbauer ausgebildet. Bei Erfolg sollen weitere Ausbildungen folgen. Foto: Partnerschaftsverein Vaterstetten

Ebersberg · Aus Leuten ohne Ausbildung Geschäftsführer machen. Das klingt selbst für Deutschland als sehr hoch gestecktes Ziel.

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Genau diesen Anspruch aber haben »Die Ofenmacher« www.ofenmacher.org für Alem Katema. Im März und April waren Dr. Frank Dengler (59) und Dr. Katharina Dworschak (55) für fünf Wochen in Äthiopien und haben dort 18 Ofenbauer ausgebildet. Diese werden nun als selbstständige Unternehmer in Vaterstettens Partnerstadt aus Lehm, Kuhdung, Stroh und Wasser rauchfrei Öfen bauen. „Kurier“ hat mit den beiden promovierten Physikern gesprochen.

Kurier Ebersberg: Wie sind Sie denn drauf gekommen sich als Physiker dem Thema Öfen zu verschreiben? Sie sind ja keine Ofenbauer…

Katharina Dworschak: Während meines Medizinstudiums hatte ich 2009 ein Praktikum am Sushma Koirala Memorial Hospital in der Nähe von Kathmandu absolviert. Das Krankenhaus ist auf Wiederherstellungschirurgie spezialisiert. Ich erlebte zum ersten Mal Kinder, die durch Verbrennungen unglaublich entstellt und schwer behindert waren. Die Verletzungen entstehen, weil Kleinkinder in das offene Feuer im Wohnraum krabbeln oder fallen. Die damalige Pflegeleiterin des Krankenhauses, Christa Drigalla, baute schon die ersten Öfen in den umliegenden Dörfer . Die einfachen Lehmöfen sind ein so simpler wie wirkungsvoller Schutz gegen die Verletzungsgefahr. Mein Mann Frank und ich haben die Idee aufgegriffen und ausgebaut.

Frank Dengler: Frau Drigalla ist übrigens inzwischen unsere Sektionsleiterin für Nepal und ihre damalige rechte Hand, Anita Badal, unsere Managerin in Kathmandu.

Warum sind denn rauchfreie Küchenöfen so wichtig?

Frank Dengler: Die Lehmöfen sind nicht nur ein guter Schutz gegen Verbrennungen. Aber nicht nur durch das Feuer droht Gefahr für Leben und Gesundheit. Die intensive Rauchentwicklung, der vor allem die Frauen und Kinder ausgesetzt sind, schädigt die Lunge schon im Säuglingsalter. Viele Babys sterben an Lungenentzündung noch in den ersten Monaten. Als Erwachsene haben die Menschen durch die permanente Rauchbelastung ein hohes Risiko für tödliche Lungenerkrankungen und Herz- und Gefäßleiden ähnlich den Folgen von extremem Zigarettenkonsum. Außerdem werden die Augen bis zur Erblindung geschädigt.

Katharina Dworschak: Nach Abschluss meines Studiums arbeitete ich einige Wochen in einem kleinen Dorf in Nepal als Ärztin. Ein Teil der Bevölkerung hatte schon Öfen, die anderen kochten noch mit offenem Feuer. Ich konnte den kleinen Patienten ansehen, ob die Eltern schon Ofenbesitzer waren oder ob sie noch dem beißenden Rauch ausgesetzt waren. Gerade die Kleinsten werden von den arbeitenden Müttern auf dem Rücken getragen und leiden am meisten. »Mein Kind weint nicht mehr, seit ich einen Ofen habe«, erzählt mir eine glückliche Mutter. Aber die Öfen sind nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die Umwelt wichtig. Sie sparen 50 Prozent Brennholz. Die Wälder werden geschont und es wird pro Ofen ca. 1 Tonne CO2 pro Jahr eingespart.

Sie waren ja bisher nur in Nepal aktiv – wie kamen Sie auf Äthiopien und die die Partnerstadt von Vaterstetten?

Frank Dengler: 2011 haben Die Ofenmacher die »BMW Group Auszeichnung für gesellschaftliches Engagement der Mitarbeiter« gewonnen. 2012 wurde der Preis an den Vaterstettener Verein Partnerschaft mit Alem Katema vergeben. Auf den Preisverleihungen lernten sich die beiden Organisationen kennen. Wir erinnern uns noch gut an die ersten Gedanken von Anton Stephan: »In Alem Katema wird doch auch überwiegend am offenen Feuer gekocht …«. Damit begann eine fruchtbare Zusammenarbeit für die nächsten Jahre.

Gerade sind Sie aus Afrika zurückgekommen. Sie haben dort zwei Wochen 18 Ofenmacher ausgebildet. Wie hat das geklappt?

Katharina Dworschak: Das Training hat allen viel Spaß gemacht und war sehr erfolgreich. Wir sind mit einem kleinen Team angereist. Zwei junge professionelle Ofenbauer aus Schwaben, Christoph Ruopp und Marius Dislich, haben mit viel Freude und Elan den praktischen Teil geleitet. Ihr Schwung hat unsere Schüler (10 Männer und 8 Frauen) so mitgerissen, dass sie jeden Morgen oft schon eine Viertelstunde zu früh zum Unterricht erschienen sind. Jetzt haben wir die ersten zertifizierten Ofenbauer, die noch vor der Regenzeit die ersten Öfen bauen.

Gibt es einen Unterschied zu Ihren Erfahrungen aus Nepal?

Frank Dengler: Die Essgewohnheiten unterscheiden sich in Nepal und Äthiopien. Während in Nepal vor allem Reis, Gemüse und Linsen gekocht wird, ist der Grundbestandteil jeder äthiopischen Mahlzeit Injera, ein Sauerteig-Fladenbrot. Deshalb haben wir für Äthiopien ein eigenes, neues Ofenmodell entwickelt. Der Ofen mit einer Injeraplatte und zwei statt einer Feuerstelle wurde seit letztem Jahr vor Ort erprobt. Mehrere Testöfen in Privathaushalten und Restaurants werden von den Besitzern in einem standardisierten Verfahren bewertet und die Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung ein.

Wie geht es nun weiter in Alem Katema?

Frank Dengler: Wir befinden uns zurzeit in der so genannten Startup-Phase des Projektes. Das heißt die ersten Ofenbauer wurden ausgebildet und nehmen ihre Tätigkeit auf. Koordinatoren vor Ort unterstützen die Aktivitäten und berichten an uns. Wir werden jetzt sehr genau die Qualität des Ofenbaus und die Akzeptanz durch die Bevölkerung beobachten. Wenn beide Punkte befriedigend erfüllt sind, startet der Rollout, bedeutet wir bilden weitere Ofenbauer aus.

Woran werden Sie den Erfolg Ihres Projektes messen?

Katharina Dworschak: Den Erfolg des Projektes darf man nicht nur aus der Anzahl gebauter Öfen ableiten. Ein wichtiger Aspekt ist Aufklärung. Die Menschen müssen den Nutzen erkennen, so dass sich mittelfristig ein Markt entwickelt. Die Idee des Ofens muss sich unabhängig von unserer finanziellen Unterstützung durchsetzen. Nur so kann der Ofenbau nachhaltig verbreitet werden.

Wie schaffen Sie denn Ihr Engagement mit Ihren Berufen zu verbinden? Frau Dworschak, Sie haben ja sogar erst kürzlich Ihr Medizinstudium abgeschlossen.

Katharina Dworschak: Wir arbeiten zurzeit beide nicht mehr und können uns Vollzeit unseren Projekten widmen. Als Ärztin bin ich nur in den Zielländern tätig.

Wann geht es wieder nach Nepal? Wann wieder nach Afrika?

Frank Dengler: Wir verbringen mehrere Monate im Jahr vor Ort, um die Projekte zu gestalten und voranzutreiben. Insofern planen wir, noch dieses Jahr wieder einige Wochen in Afrika und Nepal zu verbringen.

Der Kurier Ebersberg bedankt sich für das Gespräch bei Herrn Dengler und Frau Dworschak

Artikel vom 22.05.2014
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