Kicker und Konzerte

Seit 15 Jahren gibt es den Jugendtreff »Rülps« in Kirchheim

Wenn gerade keine Konzerte sind, wird die Bühne im Kirchheimer Jugendtreff  »Rülps« zur gemütlichen Sitzecke. 	Foto: Sybille Föll

Wenn gerade keine Konzerte sind, wird die Bühne im Kirchheimer Jugendtreff »Rülps« zur gemütlichen Sitzecke. Foto: Sybille Föll

Kirchheim · Jugendliche brauchen einen Ort, an dem sie sich treffen können zum Reden und Feiern – einen Ort, wo das Bier keine 6 Euro kostet und niemand beim Türsteher durch die Gesichtskontrolle fällt. Solche Räume sind rar.

Doch die jungen Kirchheimer haben Glück: Der Keller des Jugendzentrums an der Hauptstraße ist ihr zweites Wohnzimmer. Sie haben einen Verein gegründet, der sich »Rülps« nennt und heuer sein 15-jähriges Bestehen feiert. Dort veranstalten sie Konzerte, spielen Kicker und Darts, »chillen« in der riesigen Sofaecke. Doch das war nicht immer so.

»Früher haben wir uns am Bolzplatz in der Schlehenstraße getroffen«, erzählt Ludwig Sixt, die siebenjährige Tochter auf dem Schoß. Doch einige Leute machten ihnen das Leben schwer, erinnert sich der heute 34-Jährige. Zu viel Lärm, zu viel Müll lauteten die Vorwürfe der Anwohner. Die Polizei ward häufig gesehen, Nazis verwüsteten die notdürftig aus Decken und Teppichresten erbaute Hütte – und sogar ein Prediger kam, um die »verlorenen Seelen zu retten«. Das alles war Mitte der 90er-Jahre. Als 1996 in Kirchheim ein neues Jugendzentrum (JUZ) gebaut wurde, sollte die anarchistische Clique, die sich NT (Neuer Treffpunkt) nannte und aus etwa 20 bis 30 jungen Leuten bestand, einziehen. »Das wollten wir aber nicht. Zu viele Regeln, zu viele Pädagogen«, sagt Ludwig Sixt grinsend. Aber das alte Gebäude des Kreisjugendrings an der Florianstraße, das wollten sie haben. Und sie bekamen es. »Da haben wir dann nach dem Chaosprinzip gehaust.

Das gab natürlich wieder oft Ärger mit den Anwohnern«, erinnert sich der ehemalige NTler. Der damalige Streetworker Jörg Breitweg habe dann die Idee gehabt, einen Verein zu gründen, da seien Einzelpersonen weniger angreifbar. Außerdem musste ein Nutzungsvertrag für das Holzhaus mit dem Besitzer sowie der Gemeinde unterzeichnet werden. Diese Verantwortung war Einzelnen nicht zumutbar. Schließlich wurde am 4. März 1999 der Verein gegründet. Der Name »Rülps« entstand irgendwann spät in der Nacht. Ludwig Sixt war einer der damaligen vier Vorstände. Und die Idee trug Früchte: »Im Rülps ist es gelungen, einer Gruppe von Jugendlichen, die alles andere als einfach und angepasst waren, mit der Verantwortlichkeit für Räume Verantwortung für ihr Tun zu übertragen«, schreibt der Pädagoge Jörg Breitweg in einem Artikel vom Dezember 2002 auf der Homepage des Vereins.

Was am »Rülps« so toll ist? »Man kann hier so lange hocken, wie man will, wird nicht von Anwohnern gestört, kann sich mit Freunden treffen, ohne sich verabreden zu müssen«, sagt die 18-jährige Alina. »Jeder kann sich kreativ einbringen. Neulich haben wir sogar Sachen aus Pappmaschee gebastelt«, ergänzt Robert Annerl, 25 Jahre jung und frisch gewählter Erster Vorsitzender, und zeigt auf eine rote Riesenspinne, die auf einem der Lautsprecher thront. Es sei aber auch gut, dass nicht jeder nur seine Vorteile nutzen, sondern sich auch einbringen muss, meint Alina.

Jeder mache mit, ob beim Aufräumen oder bei Abstimmungen. Und doch sei alles ungezwungen. »Ich war eineinhalb Jahre einfach so hier, ohne Mitglied zu sein, hab mir das erst mal angeschaut«, sagt Thomas Stephan, ebenfalls 18 Jahre, nun Zweiter Vorsitzender. »Das Freiheitliche erhalten ist unser Vereinsziel«, betont Max Malkus. Der 25-Jährige ist im »Rülps« zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit.

Doch 2008 war der Traum erst einmal vorbei: Wegen brandschutztechnischer Mängel wurde das Haus von heute auf morgen geschlossen. »Wir haben uns kräftig gewehrt, haben eine Demonstration veranstaltet, zu der ungefähr 200 Leute kamen, haben Mahnwachen bei Gemeinderatssitzungen abgehalten und bei der Bürgerversammlung versucht, unsere Interessen durchzudrücken«, erzählt Max Malkus. Zurück durften sie nicht, das Haus wurde abgerissen. Im neuen JUZ an der Hauptstraße 35 wurde ihnen schließlich 2009 provisorisch ein kleiner Raum zur Verfügung gestellt, 2011 ließ die Gemeinde den Keller umbauen und gewährte »Rülps« sogar einen Zuschuss für die Erstausstattung der Bühnentechnik. Mit dem JUZ habe man sich inzwischen arrangiert, sagt Robert Annerl augenrollend. Zeitlich sei das einfach, weil die eigenen Leute, die alle über 16 Jahre alt sind, erst kämen, wenn die jüngeren JUZ-Besucher bereits gegangen sind.

Die Konzerte sind ihnen das Wichtigste. »Die sind unser Aushängeschild«, betont Max. »Eigentlich veranstalten wir die für uns selbst – und es kommen einfach noch ein paar Besucher«, sagt er grinsend. Mittlerweile seien unter den Vereinsmitgliedern auch zwei ausgebildete Tontechniker. Am Samstag, 26. April, findet im »Rülps« ein Grunge-Rock’n-Blues-Konzert mit den Bands tanertill, Paul & Gwen, Off The Grid und Nameless Shameless statt. Beginn ist um 20.30 Uhr, Einlass ab 19.00 Uhr. Der Eintritt kostet 3 Euro. Sybille Föll

Artikel vom 22.04.2014
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